Full text: Pädagogische Woche - 2.1906 (2)

Organ 9es IDeflfälildien PioDinjialDereins des „Kafh. Lehreroerbandes“ un9 9er 
„Bermann-Buberfus-Sfiffung“. 
Gratisbeilagen: „Liferafurblaff“, „3ugen9- un9 Dolhsiehfüre“. 
Herausgegeben von 9en Dörflän9en 9iefer Dcreine unser 9er Oeranfmorfllchheif 9es Verlegers. 
Verlag un9 oefchäftsffeüe: 3. Stahl in Firnsberg 
Hrnsberg, Samstag den 8. September 190b. 2, Jahrgang. 
erscheint jeden Samstag im Umfange non wenigstens 16 Seiten. 
1 b^Ü^preis: Vierteljährlich bei der Polt abgeholt oder durch den Buchhandel 1,25 ->/, von der Polt zugestellt 1,37 <M, direkt unter Streifband 
der^ Tilirelnuininern gegen Einsendung von 20 poltfrei. — Preis der Anzeigen und Beilagen: Die 4gespaltene Petitzeile oder 
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fdiwerere nach Vereinbarung. ZgM- Alle Zufdiriften und Sendungen an die Geschäftsstelle der «Pädagogischen Wochen, Arnsberg erbeten. 
^ Telegramm-Adrette; Stahl, Arnsberg. Fernfpreckr-AntchluH Ar. 31. 
KriInhaltsverzeichnis. Zur Psychologie der Dummheit. — 
Bff . ^) Harkort. — Das preußische Gesetz, betr. die Unterhaltung der 
Mischen Volksschulen vom 28. Juli 1906. — Aus dem Spruchschatz. 
OorVf und Leben als Ankläger der heutigen Volksschule. — Päda- 
Unh s ^kreifzüge. — Zur Besoldungsfrage. — Aus der Schulwelt 
^ehrerleben. — Amtliche Bekanntmachung. — Auskunfsstelle des 
3-.J '• Prov.-Vereins des kath. Lehrerverbandes. — Von der Ernte des 
- Inserate. 
Zur Psychologie der Dummheit. 
Von I. Brockmeyer. 
(Fortsetzung.) 
Überhaupt muß jedes Versagen einer Geisteskraft ans 
»len abnormalen Zustand des substanziellen Teiles zurück- 
desuhrt lverden, dessen sich die Seele zur Erzeugung der be- 
l-'sfenden geistigen Äußerung gewissermaßen als Werkzeug 
. uetit. Die Lehre von der Lokalisation der Geisteskräfte, 
u i),eißt die Gebundenheit des Geistes zur Äußerung seiner 
Na'j^iedenen Kräfte an bestimmte Stellen des Gehirns, ist 
Ez cm diese Theorie schon früher aufgestellt und heftig be- 
glühst worden lvar — 1870 von Hitzig und Fritsch in Berlin 
- fundet Mid seitdem immer überzeugender ausgebaut lvor- 
^ k. Danach gibt es iin Gehirn Rindengebiete, die nur der 
tz?M»du»g und solche, die nur der Belvegung dienen. 
üere lverden „sensorische" imb letztere „motorische Centren" 
E^nnt. — dläheres darüber findet sich in dem interessanten, 
Piehlenslverten „Führer durch den Rechtschreibunterricht, 
! ÜOlndet auf psychologische Versuche" von W. A. Lay (Ver- 
n von ^ Otto Nemnich in Wiesbaden). 
bo .,|. ^enn nun eine solche Schwäche zu geistiger Betätigung 
^gt, daß ohne Täuschung und im vollen Sinne des 
Um- /'on Dummheit gesprochen werden kann, dann müßte 
^liraussetzung der Nichtigkeit der eben aufgestellten 
di^mlptung die gesamte Zellenmaße des Körpers, dessen sich 
Q5 e r. ee l e zu geistigen Lebensäußerultgen bedient, die lvir in 
eii>.e " "nd Äterven zu suchen haben, den Anforderungen an 
!nche H0L"lile Bildung nicht entsprechen. Wenn das nun Tat- 
Zey' ‘ 5anu liegt die Vermutung nahe, daß außer den 
Iw Cn ' ^ie im Dienste des rein Psychologischen stehen, auch 
Wf/Hi' e ^bllgewebe eine krankhafte Bildung aufweisen, 
^chül - » .^rt "litt auch die Erfahrung, daß wirklich dumme 
^Mlsig nervös oder epileptisch veranlagt, ja bis ztlr 
Idiotie entartet sind. 
So also erklärt sich die Abhängigkeit des Geistes vom 
Körper und so auch das alte und viel zitierte Wort: „Ein 
gesunder Geist in einem gesunden Körper." Streng ge- 
nommen ist der darin enthaltene Sinn nicht korrekt ausge 
drückt, denn einen kranken oder Minderbegabten Geist an und 
für sich kann es gar nicht geben. Wenn sich die menschlichen 
Geister vom Ballast der Körper befreit haben, also nach dem 
Tode, dann müssen alle inbezug auf natürliche Dinge gleiche 
Einsichtsfähigkeit haben, das liegt schon im Begriff „Geist". 
Die menschlichen Seelen gehen in gleicher Vollkommenheit 
aus der Hand des Schöpfers hervor. Das Maß des Talentes 
mißt Gott dein Menschen durch seinen Körper — als Organ 
der Seele — zu. Kant sagt: „Wenn der Körper gänzlich 
aufhört, so ist die Seele von ihrem Hindernis befreit, und 
nun fängt sie erst an recht zu leben." Der oben angeführte 
Spruch könnte, ziemlich sinnrichtig ausgedrückt, lauten: Soll 
der menschliche Geist seine Kräfte betätigen können, dann setzt 
dieses einen gesunden Körper voraus. Ganz genau sinnrichtig 
ist auch das noch nicht, es gehört noch die Einschränkung 
hinzu: soweit er Organ zur Äußerung der Geisteskräfte ist. 
Ohne diese Einschränkung müßte sonst die Folgerung richtig 
sein: Jede körperliche Krankheit führt zur Beschränkung der 
geistigen Fähigkeiten. Das ist aber offenbar unrichtig. Es 
muß aber der Schluß zulässig sein: Eine Erkrankung der 
Körperteile, die der Seele als Organ zur Äußerung der 
geistigen Fähigkeiten dienen, müssen eine Einschränkung der 
Äußerung der Seelenkräfte zur Folge haben während der 
Dauer der Erkrankung. Tatsächlich lehrt denn auch die Er 
fahrung, daß gewisse Erkrankungen, z. B. vorübergehende 
Störungen im Nervensystem, geistige Störungen zur Folge 
haben. So folgen epileptischen Anfüllen bei sonst gut bean- 
lagten Personen regelmäßig auffallende Störungen der Ge 
dächtniskraft. Aus den vorstehenden Erörterungen ergibt sich 
auch die Begründung für die Forderung, daß Mangelhaftig 
keit der Schülerleistungen, soweit sie unmittelbar aus Dumm 
heit zurückzuführen ist, niemals bestraft werden darf. Damit 
soll m.n keineswegs gesagt sein, daß jede ungenügende Lei 
stung oder Nichtanfertigung von Arbeiten seitens der dummen 
Schüler straffrei ist. Wie ein Magnet durch allmähliche 
Mehrbelastung stärker gemacht werden kann, so vermag in 
der Regel auch der Schwachbegabte durch fleißige Übung den 
Grad der Äußerung seiner geistigen Kräfte in gewissem Maße 
zu erhöhen.
	        
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