Full text: Pharus - 6.1915, Halbjahrband 1 (6)

Pädagogische Werttheorie. 
von Dr. Hans Schmidkunz, Berlin-Halensee. 
I. Allgemeiner über werte. 
V^enn wir die Dinge und Vorgänge um uns, die Erlebnisse und eigenen 
“vV Gebilde in uns betrachten, so finden wir zunächst Gegenstände, für 
die wir uns so interessieren können, als hätte keiner einen Vorzug vor dem 
anderen. Wir können sie aber auch als besser und schlechter, als höher und 
niedriger und sonst noch in mancherlei Abstufungen betrachten; wir können 
sie nach ihrem Wert „bewerten" und können uns überdies so halten, daß 
wir das Wertvollere bevorzugen, das Wertlosere meiden, obwohl wir es leider 
auch umgekehrt tun. Tatsachen sind da, Werte gelten, und wir sollen 
ihnen als unseren „Normen" folgen. 
Je mannigfacher sich nun die Werte und unsere Verhältnisse zu ihnen 
gestalten, destomehr Anspruch erhebt sich darauf, auch sie ebenso zu untersuchen 
und zum Gegenstände wissenschaftlicher Erkenntnisse zu machen, wie dies mit 
den Tatsachen als solchen in einer näherliegenden Weise geschieht. Es ist in 
erster Linie Sache der Philosophie und nicht etwa der Pädagogik oder der 
Volkswirtschaftslehre usw., jener Aufgabe gerecht zu werden und neben der 
„ontologischen" Betrachtung des Seienden engeren Sinnes auch die „timo- 
logische" („timetische") oder „axiologische" Betrachtung des Geltenden, also 
des Wertes oder der „Dignität", zu pflegen. 
Eine solche Betrachtung war der Philosophie irgendwie schon seit alten Zeiten 
zu eigen; und je weiter herauf, desto mehr klärte und entfaltete sich diese 
Betrachtung. Trotzdem fehlt es noch immer an einer zusammenfassenden 
Uebersicht über dies philosophische Teilgebiet, also über die Werttheorie 
oder Timologie oder Axiologie. Hauptsächlich muß es sich dabei — in 
äußerster Abkürzung dargestellt — um folgendes handeln. 
Wenn wir z. B. innerhalb der deutschen Nationalliteratur Goethe für 
wichtiger halten als irgendeinen Dichterling; oder wenn wir innerhalb eines 
Zusammenwirkens von Ursachen die einen für gewichtiger erklären als die 
anderen; oder wenn wir in der Mathematik von mathematischen Werten, in 
der Chemie von chemischen Werten und Wertigkeiten sprechen: in allen diesen 
Fällen anerkennen wir bereits einen Wert. Eine andersartige Gruppe von 
Beispielen jedoch ist diejenige, bei der wir z. B. Wohltaten höher schätzen 
.Us den Diebstahl oder einen zutreffenden Beweis einem verfehlten vorziehen. 
In der ersteren Gruppe haben wir kurz gesagt theoretische Angelegenheiten, 
in der letzteren praktische. Dort sprechen wir von theoretischen, hier von 
praktischen Werten. So mannigfach nun beides ineinander übergehen 
mag, und so sehr auch irgendeine Philosophie (siehe unten S. 106 zu 
Willmann) das eine und das andere im letzten Grund als eines denken 
mag, so wenig kommen wir doch über jene Unterscheidung der theoretischen 
und der praktischen Werte hinaus, auch wenn wir vielleicht nur bei den 
PharuS VI, Bd. 1. H. 2. 7
	        
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