Erziehungsgrundsätze eines Feldherrn
tigen und nie etwas unterlassen fremder Auslegungen wegen. Du weißt, ich gehe,
wie es mein seliger Vater tat, alle Sonntage in die Kirche. Nun kam Friedrich
Wilhelm auf den Thron und legte Wert auf Kirchengehen. Viele gingen in die
Kirche, um ihm zu gefallen. Der Gedanke, daß man mein Kirchengehen auch so
auslegen könne, war mir schrecklich — ich ließ es, aber bald wurde mir klar, daß
ich ja der öffentlichen Meinung wegen meinen Gott verleugnete, und daß ich ja
gar kein selbständiger Charakter wäre, wenn ich mein Handeln davon abhängig
machte, wie die Leute es auslegen könnten. Ich bin in die Kirche gegangen, und
wenn die Leute sagen, ich habe einen gewissen Charakter, so hat dies ihn eben
gebildet, daß ich mir früh klar gemacht habe, man dürfe sein Handeln nicht davon
abhängig machen, was die Leute sagen könnten, sondern davon, was man selbst als
recht erkennt. Nun, mein Sohn, wer mit den Menschen lebt, der muß eben mit
den Menschen leben. Und dabei kann man doch sein Ich bewahren! Und nun
noch eins, mein Kind. Kommt bei Deinem Handeln oder auch Nichthandeln nicht
auch ein bißchen Indolenz, Trägheit, Bequemlichkeit, „Morgen, morgen, nur nicht
heute" ins Spiel? Denke in allem recht über Dich nach!..."
10. In einem Brief vom Kriegsschauplatz und zwar von St. Barbe schreibt er
am 27. Oktober 1870 über denselben Gegenstand, indem er die ethische Kraft edlen
Pflichtbewußtseins betont:
„. . . Habe Dein Selbstgefühl, die Oonscientia recti. Hast Du das Bewußt
sein, daß Du ebenso tapfer und kaltblütig vor dem Feinde warst als die anderen,
ei, so trage den Kopf so hoch und gerade wie nur irgend jemand. Wie ich schon
elf Jahre Sekondeleutnant war, wurde ich beim Avancement durch sechs bis sieben
Offiziere, die mit mir Prinzen-Adjutanten waren und alle extraordinär befördert
wurden, übergangen, durch zwei von ihnen sogar insofern indirekt, als sie, jüngere
Sekondeleutnants, zu Premierleutnants avancierten. Als mich jemand bedauern
wollte, antwortete ich: „Nicht mich, diejenigen bedauern Sie, die solche Dinge be
rühren!" Kurz, Junge, habe und bewahre Dir Dein Selbstgefühl und mache es
nicht abhängig von äußeren Dingen, obgleich ich sehr wohl einräume, daß es viel
leichter ist, mit als gegen den Strom zu schwimmen. Aber die Muskeln stärkt
das letztere mehr..."
11. Damit schließen wir die kleine Blütenlese über die Erziehungsgrundsätze
des Generalfeldmarschalls v. Manteuffel. Es sind wahre Perlen echt christlichen
Geistes, der aus den oben angezogenen Briefstellen zu uns spricht. Das Erziehungs
ideal des heldenmütigen Kämpfers in den großen Kriegen von 1864, 1866, be
sonders 1870/71, woran er erst als kommandierender General des I. Armeekorps,
später als Oberbefehlshaber der ersten und später der Südarmee teilnahm, war
konzentriert in der Charakterstärke, in dem harmonischen Einklang zwischen Wissen
und Charakter. Zum Schluffe sei noch aus einem Briefe ein Passus zitiert, aus
dem hervorgeht, wie sehr Freiherr v. Manteuffel für die konfessionelle Schule ein
trat. Am 2. Mai 1881 schrieb er von Straßburg aus an seinen Sohn:
„...Die Richter-Forckenbeckschen Reden ärgern mich doch; sie sind Symptome
der Zeitzustände, obgleich sie den Reichskanzler wahrhaftig nicht treffen können,
denn sie verdrehen die ganze Prinzipienfrage. Ich habe jetzt einen entscheidenden
Schritt getan, um die Seminarien und Präparandenschulen konfessionell zu machen.
In den Schulen sollen die Geschlechter wieder getrennt sein, und dann möchte ich