Full text: Pharus - 6.1915, Halbjahrband 1 (6)

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Unterrichtliche Willensbildung. 
Zahlen mit Grundzahlen zur Uebung. Welche Summe von Zeit wird vielerorts 
mit dem fortwährenden Stellen neuer Aufgaben verschwendet, und wie gering ist 
die Ausbeute an willensbildender Kraft des Unterrichts, wenn eintönig bald diese 
Aufgabe (5X37), bald jene (6X43) gestellt wird. Warum hier nicht die Reihen 
bildung in den Dienst der Uebung ziehen? Wir wollen das Einmaleins mit 48 
bilden. Schüler A. sagt jedesmal die Aufgabe an (2 X 48), Schüler B. nennt 
das erste Ergebnis (80), Schüler C. das zweite (16), Schüler D. faßt die Ergeb 
nisse zusammen (96), Schüler E. wiederholt die ganze Aufgabe und Hauptergebnis 
(2 x 48 — 96). Nun in derselben Weise weitergeführt: 3X48,4X48 usw. 
Wie wenig braucht der Lehrer zu sprechen, aber — was hier das Wichtigste ist — 
wie sehr regt diese Reihenbildung das beharrliche und tatkräftige Wollen des 
Zöglings an. Es ist ferner für die Technik der rechten Uebung im Sinne 
einer möglichst kraftvollen Willensbeeinflussung des Zöglings bedeutsam, wenn das 
Tempo dieser Uebung in rechter Weise eine Beschleunigung erfährt. Es schadet 
nichts, wenn beispielsweise im zweiten Schuljahre das Abziehen der 7 ganz langsam 
erfolgt (100, 93, 86 usw.), wenn nur bei dieser Gymnastik des Willens der Schüler 
den Kampf gegen die Ablenkbarkeit seines Wollens recht tapfer kämpft. Allmählich 
beschleunigen wir das Zeitmaß, um so die Gelegenheit zum Eindringen störender 
Assoziationen immer mehr zu verringern; freilich wird dadurch die Anforderung an 
die Spannung und Konzentration der Aufmerksamkeit immer mehr erhöht. — Die 
rechte Uebung erhält dadurch an manchen Stellen erst ihre willensbildende Kraft, 
daß der Schüler zur Umformung der dargebotenen Stoffe gezwungen wird. 
Haben die Kinder beispielsweise ein Lesestück über die Städte am Rhein gelesen, 
so mag die einfache Wiedergabe dieses Lesestückes wohl ein geeignetes Mittel für 
einfache Sprechübungen sein, aber in dieser bloßen Wiedergabe des Inhalts liegen 
doch viel zu wenig willensbildende Kräfte. Diese treten viel stärker in Wirksamkeit, 
wenn die Forderung so lautet: Ich nenne eine Stadt; ihr nennt jedesmal das. 
was wir uns beim Besuche dieser Stadt zuerst ansehen würden! In dieser Auf 
gabe liegt unmittelbar Anregung zur kräftigen Willensanspannung. Eine ganze 
Menge geistiger Teilaktionen muß schnell und sicher vollzogen werden. Schüler, 
welche im Verlaufe des Unterrichts fleißig an derartige Formen der Uebung gewöhnt 
find, erreichen auch jene formale Kraft, die sie bei Prüfungen befähigt, ihre Auf 
merksamkeit mit Aufbietung besonderer Willenskraft auf dieses oder jenes, was 
gerade gefordert wird, zu lenken. So sehen wir, wie im Gebrauche der rechten 
Uebung eine ganze Reihe Gelegenheiten zur direkten Willensbildung liegen. 
Da jede Willensanstrengung einen Kräfteverbrauch darstellt, so muß der Unter 
richt eine gewisse Oekonomie im Verbrauch der Willens- und Auf 
merksamkeitsenergie beachten. Dies ist besonders bei den ersten Sprech 
übungen, vor allem in Schulen, deren Kinder von Hause aus einer anderen Sprach 
gemeinschaft angehören, zu beachten. Wird hier nicht die Unterscheidung von 
höheren und niederen Tätigkeiten ins Auge gefaßt, so wird leicht Aufmerksamkeits 
und Willensenergie an unrechter Stelle verschwendet. Es ist nämlich zwar an und 
für sich durchaus richtig, das Sprechen mit dem Tun (Handeln) zu verbinden. Da 
aber dem ungeübten Sprecher das Sprechen selbst viel Mühe macht, und da des 
halb das Kind der sprachlichen Darstellung einen großen Teil seiner Aufmerksamkeit 
mit aller Willensanstrengung widmen muß, so dürfen mit diesem Sprechen nur
	        
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