Literatur zum schaffenden Lernen. ::
seinen Schüler nicht mit dem ersten Schlag zu Boden; er schüchtert ihn überhaupt
nicht ein, sondern macht ihm Mut zum Angriff, indem er sich selbst Blößen gibt
(scheinbare allerdings, denn er spielt mit ihm). Er will ihm den Sieg nicht leicht
machen, er braucht ihn überhaupt nicht siegen zu lassen; nur muß er die Ent
scheidung lange hinausschieben, nur muß er seinen Schüler auf die Höhepunkte des
Gefechts hinausführen, wo der Sieg durch eine letzte Kraftanstrengung errungen
scheint. Wo der Schüler ermattet, da muß er ihn zum Angriff locken; wo er fich
stark fühlt, da muß seine Berteidigungskunst auf die Probe gestellt werden. —
Gleicht nicht der unerbittlich korrigierende Lehrer dem ungeschickten Fechtmeister,
der jeden mutigen Ausfall seines Schülers mit einem vernichtenden Hiebe erwidert?
Wer sich in der Debatte überlegen fühlt, wird seinen Gegner nicht gleich mit
dem besten Geschütz bombardieren. Die Freude am Kampf ist ja das Charakte
ristikum der Ueberlegenheit. Je länger der Kampf dauert, desto größer die Freude;
ein vorzeitiger Sieg raubt ihm nicht nur die beste Freude, sondern auch eine gute
Gelegenheit, sich selbst zu vervollkommnen. Gerade das will er nnd so schafft er
sich künstlich eine gefährliche Situation, indem er seine besten Waffen und Treffer
aus der Hand gibt; er will sich seinem Gegner möglichst ebenbürtig machen. Ein
solcher Kampf ist auch für die Zuschauer interessant; denn er ist reich an Wechsel
fällen und läßt die Entscheidung lange hin und her schwanken. Die Entscheidung
selbst ist eine Tatsache, die nicht weiter interessieren würde, wenn sich nicht doch
noch an ihr mäkeln, erklären und entschuldigen ließe. Gleicht nicht der streng
kritisierende Lehrer einem allzu vorsichtigen Debatter, der jede Plänkelei mit einem
Geschützregen beantwortet?"
Nicht nur zur sprachlichen, sondern auch zur zeichnerischen und manuellen Dar
stellung soll der Schüler gelangen, sagt die neuere Methodik. Eines der besten
Bücher nach dieser Seite hat uns wieder einmal der bekannte Münchener Pädagoge
Dr E. Weber geschenkt? Was er über Außen- und Innenwelt, Eindruck und
Ausdruck sagt, wird der Theoretiker gerne lesen. Auch ist aus der Geschichte des
Zeichenunterrichts mit Glück dasjenige besonders hervorgehoben, was die neueren
Bestrebungen zum Verständnis des Zeichnens als Ausdrucksmittel leichter begreifen
läßt. Die Ausführungen zur Psychologie der zeichnerischen Gestaltung zeigen den
feingebildeten Pädagogen, und seine einzelnen Anweisungen den erfahrenen Prak
tiker. Nicht jeder wird über das technische Können verfügen, das Weber eigen
ist und das zu gleich mustergültiger Nachahmung befähigt. Aber vieles davon ist
ohne weiteres abzunehmen und an vielem anderen kann der Lehrer wenigstens
lernen; besonders die vielen farbigen Tafeln erleichtern ihm dies.
Auch Scharrelmann hat sich auf diesem Gebiete versucht? Seine Darstellungen
sind mehr für die Unterstufe gedacht und besonders dazu angetan, die Entwicklung
des zeichnenden Kindes zu fördern. Nicht durch lähmende Kritik und übertriebene
Korrektur soll dies geschehen, nicht durch Belächeln soll die Zeichenfreudigkeit ge-
1 Weber, Dr. Ernst, Schaffendes Lernen. Zeichnerische Gestaltung und Bildungsarbeit.
Hannover 1913, Kortkamp, 232 S., 48 Tafeln, geb. Mk. 6,50.
^ Scharrelmann, Heinrich, Das Malen und Zeichnen zur Belebung des Elementar
unterrichtes und der häuslichen Beschäftigung der Kinder. Mit 246 Bildern und 2 far
bigen Tafeln, Hamburg und Berlin 1913, A. Janssen, 163 S., Mk. 2,70, geb. Mk. 3,50.
(Handbücher für modernen Unterricht.)
Pharus VI, Bd. 1, H. 3.
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