und Freude an Kleider- und Toilettenprachl war die Ursache, daß sie daran dachte;
aber noch etwas anderes steckte dahinter. Die Gräfin wußte, daß in den Kollegien
der Johanniter einzelne Feste auch mit öffentlichen Spielaufführungen verherrlicht
zu werden Pflegten, zu denen sich die ganze vornehme Gesellschaft einfindet. In
Andalusien mußten da vor allem auch Stiergefechte auf dem Programm stehen.
Und da würde Luis, dessen Geschmack an Stiergefechten und dessen Geschicklichkeit
sie kannte, sicher Gelegenheit haben, zu glänzen, und sie würde an seinen Triumphen
reichlichen Anteil haben. Die letzten Vorfälle und die traurige Schluß-Katastrophe
würden wohl bald ein bißchen in Vergessenheit geraten, dann wollte sie ungescheut
im Festsaal von Lora del Mar im vollen Glanze ihrer Schönheit erscheinen.
Das tragische Ende des Grafen unmittelbar nach dem Feste auf dem Guadal
quivir brauchte ja für sie kein Anlaß zu sein, nun ein weniger freies Leben zu
führen als einst an der Seite ihres Gemahls. Sobald die erste nervöse Erregung
vorüber war, nahm diese selbstsüchtige Frau sofort ihre alten Lebensgewohnheiten
wieder auf. Unter dem Vorwände, daß das wärmere Klima Andalusiens der Ge
sundheit ihrer Kinder zuträglicher sei, wollte sie nahe bei Sevilla bleiben. Nur
um dem lästigen Trauerzeremoniell in der Stadt für die ersten Wochen zu ent
gehen, hatte sie auf dem Lande, mitten in einem Olivenhaine, nahe dem Kloster
der Englischen Fräulein, in Jtalica, eine schlichte andalusische Villa gemietet. Von
dort aus belästigte sie alle Augenblicke die Schwestern des adeligen Pensionates;
die Sorge um Stephanie bot ja immer einen willkommenen Borwand. Der eigent
liche Beweggrund war aber ein anderer. An den Besuchstagen in Lora del Mar
und Jtalica verfehlten die Equipagen, welche die Eltern der Zöglinge ins Pensionat
brachten, nie, vor dem Häuschen zu halten, in dem die trauernde junge Witwe ihr
Unglück beweinte. In den feinen Kreisen der stets lebensfrohen Stadt war es
bald Mode, bei der in reizender Verzweiflung den Hingang ihres Gatten in der
Einsamkeit des Olivenhaines betrauernden Gräfin Trostbesuche abzustatten.
Mr. Murray erinnerte sich auch gerade zur rechten Zeit, daß er im Pensionat
zu Jtalica eine kleine Halbcousine habe. Aus reinster Teilnahme für diese ent
fernte Verwandte kam er sehr häufig zu den Englischen Fräuleins, und wenn ihm
auch ein gewisse natürliche Zurückhaltung und der gute Ton verbot, die Villa selbst
zu betreten, so erwies er der Gräfin doch die Aufmerksamkeit, öfter mit seinen
zwei Ponnys unter lautem Schellengeklingel an ihrem Garten vorbeizufahren.
In Lora del Mar wurde das erste festliche Stiergefecht für den Nachmittag
des Fastnacht-Dienstags anberaumt.
Mehrere Tage zuvor schon übten sich die Zöglinge auf allen Spielplätzen auf
dies ihr Lieblingsspiel ein. Jede der vier Abteilungen mußte eine eigene Cuadrila
stellen, d. h. eine kleine, vom Präfekten dazu bestimmte Truppe, bestehend aus zwei
Espadas, vier Banderilleros und vier Picadores, ferner aus mehreren Monos und
Novilleros. Die Wahl des Präfekten fiel auf die gewandtesten und in diesem
Spiel bewandertsten Zöglinge, sodaß es während der ganzen Woche zuvor eine
Menge von allerlei Neid- und Eifersuchtsszenen gab. Alle möglichen Schliche boten
die kleinen Andalusier auf, um nur ja eine dieser heißbegehrten Würden zu erlangen.
Die einen zeigten jetzt auf einmal einen geradezu musterhaften Fleiß, hielten sich
gewissenhaft in Reih' und Glied, vertieften sich im Studiensaal bis über die Ohren
in ihre schriftlichen Arbeiten und saßen da mit vornübergebeugtem Kopf, krampf-