Full text: Pharus - 6.1915, Halbjahrband 1 (6)

ja monatelang studiert und dann in 
eurem Lande mit Wort und Schrift ge 
schildert habt, euch bitte ich, jene mora 
lische Tapferkeit zu zeigen, die überall 
der Wahrheit die Ehre gibt, wo sie in 
Gefahr ist, zerstört zu werden. Ihr 
rühmt euch, im Vaterlande der Freiheit 
zu wohnen. Die wahre Freiheit lebt nur 
da, wo Aufrechte und Aufrichtige trotz 
Haß, Neid und Mißgunst der Menschen 
zur rechten Stunde das rechte Wort nicht 
bloß sagen dürfen, sondern auch zu sagen 
wagen." 
Erziehende werte des Verständnisses 
fürs Kurland. 
Man hat besonders in unseren Tagen 
wieder der deutschen „Ausländerei" harte 
Worte gesagt. Sicher ist dabei viel be 
rechtigte Kritik. Die „Katholische Schul 
zeitung für Norddeutschland" hat (in 
Nr. 51 von 1914) einem Aufsatz „Die 
Ausländerei im deutschen Volk" an 
leitender Stelle das Wort gegeben, in 
dem gesagt wurde: „Die Ausländerei, 
das ist die Sucht, alles Fremdländische 
über das Heimische zu stellen, hat seit 
etwa zwei Jahrzehnten unser deutsches 
Leben vergiftet. Eine Zusammenstellung 
ihrer schlimmsten Erscheinnngen wird uns 
die ungeheure Größe dieses Uebels zum 
Bewußtsein bringen. Die leichtfertigen 
Pariser und geckenhaften englischen Mo 
den, die für unser Volk nicht passen, 
wurden vorbildlich. Ausländische Ar 
beiten wurden bevorzugt; wenn's nicht 
anders ging, mußten unsere guten deut 
schen Artikel fremde Namen annehmen; 
das kaufende Publikum verlangte sie. Die 
Bezeichnungen „echt englisch", „echt 
japanisch" waren beste Empfehlungen. 
Wir fanden im Schaufenster den „Smo 
king-Anzug auf französischer Seide nach 
englischer Mode, elegant, schick"! „Kra 
watten, wie König Georg V. sie trägt." 
Nebenbei bemerkt: jetzt sieht man schon 
wieder „echt amerikanische" Waren! Die 
Geschäfte, Vergnügungslokale usw. führten 
fremde Namen und Aufschriften (Messinger 
Boys, Clou, Boardinghouse). Jedes 
„bessere" Geschäft hatte natürlich seinen 
Franzosen und Engländer. Manche Ge 
schäfte nahmen überhaupt nur Personal 
mit „Sprachenkenntnissen" an. Eine 
Glanzleistung vollbrachte jenes Berliner 
Haus mit der Aufschrift an der Eingangs 
Rundschau 
tür: „Man spricht auch deutsch!" Die 
in den Schaufenstern bei den Waren 
liegenden Anweisungen waren natürlich 
in fremder Sprache abgefaßt, Kataloge 
und Rechnungen enthielten englische Be 
zeichnungen, Kleidungsstücke trugen eng 
lische Namen. Industrie und Handel 
stellten in großem Umfange Ausländer 
in ihre Betriebe ein, und so stark war 
in Deutschland der allgemeine Respekt 
vor dem Auslande, daß diese Fremden 
bis in die jüngste Zeit hinein unbehelligt 
ihres Weges gingen, während in den 
feindlichen Ländern überall bald nach 
Beginn des Krieges wütende Deutschen 
hetzen ausbrachen. Diese Ausländer traten 
in Deutschland sehr herausfordernd auf, 
schlossen sich in nationalen Vereinen zu 
sammen (namentlich die Slaven) und 
sangen öffentlich ihre deutschfeindlichen 
Lieder; man hat nicht gehört, daß unser 
Volk sich hierüber besonders stark auf 
geregt hätte. 
Dieser Kritik wird man rückhaltlos 
zustimmen. Mit einiger Einschränkung 
wohl auch dem, was speziell über die 
Schule gesagt wird: „Ebenso war in 
unsere Schulen ein fremder Geist ein 
gezogen, das bekannte Räsonnieren mit 
den Kindern und das samtartige Anfassen 
unserer Großstadrräudels widerspricht 
einer christlich deutschen Zucht. Auf dem 
meilenweiten Wege der Reformen war 
man bei der amerikanischen Schulstadt 
angekommen. Der Unhold der Sprachen 
drescherei treibt in der deutschen Schule 
sein Unwesen." 
Daß in dem Verständnis fürs Aus 
land eben auch stark bildende und 
erziehende Werte liegen, wollen 
wir indessen bei dieser berechtigten Kritik 
nicht vergessen. Es ist ein Verdienst 
unserer katholischen Monatschrift für alle 
Gebiete des Wissens, der Literatur und 
Kunst „Hochland" (XII, 3) einen weniger 
zugänglichen Artikel herausgehoben zu 
haben, der interessante Schlaglichter auf 
diese Frage wirft. Otto Hintze hat 
im ersten Kriegsheft der „Internationalen 
Monatschrift für Wissenschaft, Kunst 
und Technik" einen Beitrag geliefert, m 
dem hiernach gesagt ist: „Wir Deutschen 
haben ein gewisses Bedürfnis nach inter 
nationaler Ausweitung unseres geistigen 
Horizonts. Wir sind in dieser Beziehung 
das gerade Gegenspiel der Engländer,
	        
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