Full text: Pharus - 6.1915, Halbjahrband 1 (6)

Erziehung der Jugend zu deutscher Art. 
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Erziehung der Zugend zu deutscher Art. 
von Universitätsprofessor Dr. Franz Walter, München. 
Ottern sprechen wir von guter deutscher, von vaterländischer Art. Wir rühmen 
uns ihrer und meinen damit eine Besonderheit, die dem Deutschen als 
solchem eigentümlich ist, die ihn gerade zum Deutschen macht und ihn von anderen 
Volkstypen unterscheidet. 
Heute betonen wir wieder mehr als sonst unsere Eigenart. Wir standen wieder 
einmal in Gefahr, sie im großen, mächtig rauschenden Strom des Internationalismus 
zu verlieren und dem Kosmopolitentum — ein Unding, das nicht Fisch und nicht 
Fleisch ist — zu verfallen. Ja die Frage möchte sich erheben: Ist vielleicht der 
Hang zum Weltbürgertum die Eigenart des Deutschen? 
Trotz allen Redens von Deutschtum gefielen wir uns nur zu sehr in der Nach 
ahmung fremdländischen Wesens. Wir waren gegen die Ausländer manchmal mehr 
als entgegenkommend. Wir erfüllten das Bibelwort nur zu sehr: Der Fremde sei 
dir wie ein Gast! Aus wirtschaftlichen und anderen Gründen suchten wir mit allen 
Mitteln den Fremdenverkehr zu steigern, ausländische Sitten und Moden fanden 
ungehemmt Eingang — und wir vergaßen uns fast selbst darüber. Wir redeten zwar 
von deutscher Persönlichkeit, deutschem Lebensstil, aber dabei spukte doch vielfach als 
Ideal der englische Gentleman in den Köpfen herum. Die Welle der modernen 
Kultur hatte das deutsche Volk hoch emporgetragen und sein Empfinden für alte 
deutsche Art bisweilen überspült. 
Ja, vielleicht darf man sagen: alte deutsche Art galt vielfach als veraltet, 
als überwunden. Und in der Tat: ist es denn berechtigt, noch von deutscher Art 
zu reden? Ist es nicht gerade ein Vorzug der modernen Kultur, daß sie die 
Völker einander näher bringt, nicht bloß räumlich durch den Fortschritt des Ver 
kehrs, sondern auch innerlich miteinander ausgleicht? 
Jetzt, da die deutsche Kultur um ihre Daseinsberechtigung den entscheidenden 
Kampf zu führen hat, da es sich für uns handelt um Sein oder Nichtsein, da be 
sinnen wir uns wieder auf unsere deutsche Art. Wir leugnen es nicht, es zehrten 
krankhafte Auswüchse und Neubildungen an unserem Volkskörper, böse, giftige Säfte 
kreisten in seinen Adern. Der Krieg hat sich als Lehrmeister von zwingender Kraft, 
ja als ein Zuchtmeister von unwiderstehlicher Autorität erwiesen. Mit furchtbar 
ernster Gebärde hat er uns aus einem faulen Zustand, einem allzu langen Winter 
schlaf geweckt. Dieser Erzieher heischt unbedingte Ehrfurcht. 
Aber schnell war der Zustand der Schläfrigkeit abgeschüttelt. Das deutsche 
Gewissen erwachte, das Volk kam rasch zum Selbstbewußtsein, zum Bewußsein seiner 
Eigenart und ihrer Berechtigung. Die Pflicht, sie zu schützen, steht riesengroß vor 
seinen Augen. Nun gilt es, sich klar zu werden über das Wesen deutscher Art. 
Drei Fragen legen sich uns nahe: 1. Worin besteht die deutsche 
Eigenart? 2. Woher stammt sie, welches ist ihre Quelle? und 
3. Wie erziehen wir unsere Jugend dazu? 
I. was ist deutsche Krt? 
Es ist nicht ganz leicht, diese Frage zu beantworten. Ohne Schwierigkeit lassen 
sich freilich einzelne Merkmale bestimmen, in denen die Eigenart eines Volkes sich 
kundgibt; denn sie sind mannigfach. Hier scheiden natürlich jene aus, die phhsio-
	        
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