Wirkliches Leben und Rechenunterricht.
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Im „Schulfreund", Oktoberheft 1913, Seite 11—16 steht eine kurze Abhandlung
über „Zöpfe im Rechenunterricht der Oberklafse" von C. Ziegler.
Darin geht er unter anderem auch der Herrschaft des Ansatzes scharf zu Leibe. Er
empfiehlt im Anschluß an das Leben eine stete Verbindung von schriftlichem und
mündlichem Rechnen. Wörtlich heißt es dann weiter: „Bei meiner Alltagsarbeit
benützen die Schüler ein Heft, in dem sich kein Revisor zurechtfinden würde, unter
Umständen auch nur ein loses Blatt, und dann Bleistift. Alles, was mündlich aus
gerechnet werden kann, wird im Kopfe gerechnet, und nur die Resultate werden
notiert. Was nicht mündlich schnell gerechnet werden kann, wie größere Multi
plikationen und Divisionen, wird schriftlich ausgerechnet. Wenn wir, um wenigstens
ein Beispiel anzuführen, 4 1 /, PZt. Zinsen von 5687 Mk. berechnen, so wird
nichts weiter schriftlich fixiert als 56,87
227,48
28.44
255,92
d. h. wir setzen gleich 1% hin, multiplizieren, ohne den Faktor hinzuzuschreiben,
mit 4, setzen V 2 °/ 0 darunter und addieren." Das abgekürzte Divifions- und Multi
plikationsverfahren mit Grundzahlen muß natürlich von jedem Kinde verstanden
werden. Inwieweit Ziegler recht hat, will ich nicht untersuchen, aber auf alle
Fälle liegt viel Wahrheit in seiner Forderung. Betrachten wir die Handwerks
meister, die Schneiderinnen, wenn sie Kostenvoranschläge machen! Sie holen ihr
Notizbuch heraus und beginnen in der vorgezeichneten Weise. Vgl. auch „Zum
schriftlichen Rechnen auf der Oberstufe" von C. Ziegler, Fechenheim-
Päd. Ztg. 1913, Nr. 32, in der er fordert:
1. das österreichische Rechenverfahren,
2. die kaufmännische Berechnung der Tageszinsen.
Im Anschlüsse an das oben Gesagte will ich noch einer Form des kaufmännischen
Rechnens gedenken, die stellenweise schon Eingang in unsere Schulen gefunden hat,
ich meine das sogenannte österreichische Rechenverfahren bei der Subtraktion. Es
besteht dies, wie bekannt sein wird, im Aufzählen, nicht im Leihen oder Borgen
einer höheren Einheit, z. B. 335g
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Sprechweise: 7+9 = 16; 1 + 9 = 10+5 = 15; 1+6 = 7+1 =8; 1 + 2 = 3.
Welche praktischen Vorteile bietet dies Verfahren oder warum wendet dies der
Kaufmann so gerne an?
1. Man kann auf diese Weise 2 und mehr Posten gleichzeitig abziehen, was
bei dem alten Verfahren unmöglich ist.
2. Man kann bei der Division gleichzeitig das Produkt ausrechnen und
abziehen, was eine Zeitersparnis bedeutet und ein kurzes Verfahren der Division
auch mit mehrstelligen Divisoren darstellt.
Welche Gründe veranlassen manche Lehrer und Rechenbücher, am alten Ver
fahren festzuhalten?
1. Das alte Verfahren läßt sich leicht durch das wirkliche Leben methodisch
erläutern und ist deshalb für schwächere Schüler leichter. Diese können oft nicht