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Rundschau.
danken auf das Vaterland richten sollen,
und daß die erste Stunde den heiligen
Kampf, der jetzt von unseren Waffen ge
führt werden wird, feiern soll. Die Worte
des Lehrers sollen weiterhin das An
denken der Toten und ihr Beispiel feiern,
um diese Erinnerungen den Kindern ein
zuprägen. Hierauf sollen die Lehrer in
großenZügen einfach und klar die Ursachen
des Krieges erklären, den unverzeihlichen
Ueberfall, der ihn hervorgerufen hat, und
sie sollen zeigen, wie Frankreich, das stets
für Gerechtigkeit und Fortschritt gekämpft
hat, sich vor der zivilisierten Welt mit
seinen tapferen Bundesgenossen erheben
mußte, um den Anfall der modernen
Barbaren zurückzuweisen. Der heiße
Kampf, der uns unwiderstehlich zum
Siege führt, vermehrt jeden Tag die
Ehre unserer Soldaten mit tausend Zü
gen von Heldenmut, aus denen der Lehrer
den schönsten Stoff zu seinem Vortrag
schöpfen kann. Diese Unterrichtsstunde
muß einen unverlöschlichen Eindruck in
den Herzen unserer Schüler, unserer
zukünftigen Mitbürger, hinterlassen. Der
Lehrer, dem das gelingt, hat sich des
Vertrauens der Republik würdig er
wiesen." —
Krieg und Massenfrequenz -er Volks
schulen.
Eine etwas sonderbare Zusammen
stellung, wird zunächst wohl mancher
Leser denken. Sie ist aber bedeutsamer
als man im ersten Augenblick denken
möchte.
General Bernhardt hat 1913 ein
Buch geschrieben: „Deutschland und
der nächste Krieg", das wegen seiner
klaren Voraussicht der Geschehnisse bei
Beginn des jetzigen Krieges noch außer
ordentlich bekannt, ja berühmt wurde.
In diesem Buch ist ein Kapitel auf
genommen: „Heereskraft und Volks
erziehung". In demselben konstatiert
er vor allem eine große Disharmonie
zwischen der modernen militärischen Er
ziehung und der Erziehung der Volks
schule. „Die heutige militärische Er
ziehung verlangt eine völlige Indi
vidualisierung und eine bewußte Ent
wicklung männlicher Gesinnung; in der
Volksschule dagegen ist alles aus Mas
senabrichtung angelegt unter Gleich
stellung der Geschlechter. Das ergibt
sich unmittelbar aus den Vorschriften." 1
Dazu sagt er sodann des näheren: „In
der Armee werden die Rekruten unter
der Oberaufsicht der Vorgesetzten von
besonders dazu kommandierien Offizieren
und ausgesuchten erfahrenen Unteroffi
zieren in kleinen Abteilungen auch in
der Instruktion ausgebildet; mit jedem
einzelnen beschäftigt sich sein Abteilungs
unteroffizier und die höheren Vorgesetzten.
In der Schule dagegen wird dem Lehrer
zugemutet, bis zu 80 Schüler gleich
zeitig zu unterrichten. .. Daß unter
solchen Umständen ein Eingehen auf die
Persönlichkeit des einzelnen völlig aus
geschlossen ist, bedarf keines Beweises."
Bernhardi bedauert sodann noch aus
drücklich den Mangel „irgendwelcher Be
rücksichtigung der eigentümlichen Veran
lagung von Knaben und Mädchen oder
gar der einzelnen Individuen."
Was die Pädagogen schon längst
beklagt und als den Hauptfeind des
Schulfortschrittes bezeichnet haben —
alle neueren Reformbestrebungen setzen
kleinere Klassenfrequenzen voraus —
wird nun von militärischer Seite präzis
ausgesprochen und hat dann vielleicht
nach dem siegreichen Krieg um so mehr
Gewicht!
Wie notwendig eine Verringerung der
Frequenz ist, zeigen die amtlichen
Berichte über den gegenwärtigen Stand.
Nach dem ersten Jahrgang des „Jahr
buch der Königlich preußischen Auskunft
stelle für Schulwesen" (Berlin 1914)
zeigen die öffentlichen Volksschulen
in den verschiedenen deutschen Bundes
staaten folgende, in aufsteigender Linie
geordnete Frequenz:
Mecklenburg-Schwerin 29,9; Lübeck
31,2; Hamburg 32,8; Mecklenburg-Stre-
litz 40,5; Bremen 41,2; Elsaß-Loth
ringen 44,1; Anhalt 45; Vraunschweig
49,6; Sachsen - Koburg - Gotha 50,6;
Sachsen-Meiningen 54,2; Hessen 54,3;
Sachsen 54,7; Sachsen-Weimar 55,6:
Preußen 56,5; Oldenburg 56,5; Schwarz-
burg-Sondershausen 56,7; Bayern 56,8;
Württemberg 57,9; Schwarzburg-Rudol
stadt 58,5; Waldeck 59; Baden 59,6;
Reuß j. L. 60,4; Reuß ä. L. 61; Sachsen-
* Für die Volksschule legt Bernhardi die
„Allgemeinen Bestimmungen" Preußens zu
grunde.