Full text: Pharus - 6.1915, Halbjahrband 1 (6)

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Rundschau. 
danken auf das Vaterland richten sollen, 
und daß die erste Stunde den heiligen 
Kampf, der jetzt von unseren Waffen ge 
führt werden wird, feiern soll. Die Worte 
des Lehrers sollen weiterhin das An 
denken der Toten und ihr Beispiel feiern, 
um diese Erinnerungen den Kindern ein 
zuprägen. Hierauf sollen die Lehrer in 
großenZügen einfach und klar die Ursachen 
des Krieges erklären, den unverzeihlichen 
Ueberfall, der ihn hervorgerufen hat, und 
sie sollen zeigen, wie Frankreich, das stets 
für Gerechtigkeit und Fortschritt gekämpft 
hat, sich vor der zivilisierten Welt mit 
seinen tapferen Bundesgenossen erheben 
mußte, um den Anfall der modernen 
Barbaren zurückzuweisen. Der heiße 
Kampf, der uns unwiderstehlich zum 
Siege führt, vermehrt jeden Tag die 
Ehre unserer Soldaten mit tausend Zü 
gen von Heldenmut, aus denen der Lehrer 
den schönsten Stoff zu seinem Vortrag 
schöpfen kann. Diese Unterrichtsstunde 
muß einen unverlöschlichen Eindruck in 
den Herzen unserer Schüler, unserer 
zukünftigen Mitbürger, hinterlassen. Der 
Lehrer, dem das gelingt, hat sich des 
Vertrauens der Republik würdig er 
wiesen." — 
Krieg und Massenfrequenz -er Volks 
schulen. 
Eine etwas sonderbare Zusammen 
stellung, wird zunächst wohl mancher 
Leser denken. Sie ist aber bedeutsamer 
als man im ersten Augenblick denken 
möchte. 
General Bernhardt hat 1913 ein 
Buch geschrieben: „Deutschland und 
der nächste Krieg", das wegen seiner 
klaren Voraussicht der Geschehnisse bei 
Beginn des jetzigen Krieges noch außer 
ordentlich bekannt, ja berühmt wurde. 
In diesem Buch ist ein Kapitel auf 
genommen: „Heereskraft und Volks 
erziehung". In demselben konstatiert 
er vor allem eine große Disharmonie 
zwischen der modernen militärischen Er 
ziehung und der Erziehung der Volks 
schule. „Die heutige militärische Er 
ziehung verlangt eine völlige Indi 
vidualisierung und eine bewußte Ent 
wicklung männlicher Gesinnung; in der 
Volksschule dagegen ist alles aus Mas 
senabrichtung angelegt unter Gleich 
stellung der Geschlechter. Das ergibt 
sich unmittelbar aus den Vorschriften." 1 
Dazu sagt er sodann des näheren: „In 
der Armee werden die Rekruten unter 
der Oberaufsicht der Vorgesetzten von 
besonders dazu kommandierien Offizieren 
und ausgesuchten erfahrenen Unteroffi 
zieren in kleinen Abteilungen auch in 
der Instruktion ausgebildet; mit jedem 
einzelnen beschäftigt sich sein Abteilungs 
unteroffizier und die höheren Vorgesetzten. 
In der Schule dagegen wird dem Lehrer 
zugemutet, bis zu 80 Schüler gleich 
zeitig zu unterrichten. .. Daß unter 
solchen Umständen ein Eingehen auf die 
Persönlichkeit des einzelnen völlig aus 
geschlossen ist, bedarf keines Beweises." 
Bernhardi bedauert sodann noch aus 
drücklich den Mangel „irgendwelcher Be 
rücksichtigung der eigentümlichen Veran 
lagung von Knaben und Mädchen oder 
gar der einzelnen Individuen." 
Was die Pädagogen schon längst 
beklagt und als den Hauptfeind des 
Schulfortschrittes bezeichnet haben — 
alle neueren Reformbestrebungen setzen 
kleinere Klassenfrequenzen voraus — 
wird nun von militärischer Seite präzis 
ausgesprochen und hat dann vielleicht 
nach dem siegreichen Krieg um so mehr 
Gewicht! 
Wie notwendig eine Verringerung der 
Frequenz ist, zeigen die amtlichen 
Berichte über den gegenwärtigen Stand. 
Nach dem ersten Jahrgang des „Jahr 
buch der Königlich preußischen Auskunft 
stelle für Schulwesen" (Berlin 1914) 
zeigen die öffentlichen Volksschulen 
in den verschiedenen deutschen Bundes 
staaten folgende, in aufsteigender Linie 
geordnete Frequenz: 
Mecklenburg-Schwerin 29,9; Lübeck 
31,2; Hamburg 32,8; Mecklenburg-Stre- 
litz 40,5; Bremen 41,2; Elsaß-Loth 
ringen 44,1; Anhalt 45; Vraunschweig 
49,6; Sachsen - Koburg - Gotha 50,6; 
Sachsen-Meiningen 54,2; Hessen 54,3; 
Sachsen 54,7; Sachsen-Weimar 55,6: 
Preußen 56,5; Oldenburg 56,5; Schwarz- 
burg-Sondershausen 56,7; Bayern 56,8; 
Württemberg 57,9; Schwarzburg-Rudol 
stadt 58,5; Waldeck 59; Baden 59,6; 
Reuß j. L. 60,4; Reuß ä. L. 61; Sachsen- 
* Für die Volksschule legt Bernhardi die 
„Allgemeinen Bestimmungen" Preußens zu 
grunde.
	        
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