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Motivationen und Willensentschließung.
so gilt es, ihrem Alter und Verständnis entsprechend dies zu tun. Wenn
ihr z. B. der Wert des ethisch Guten nicht sofort einleuchtet, wenn er dem
jungen Geiste in abstrado gezeigt wird, so bleibt die schöne Hilfe, daß man
an wirklichen und erdichteten Persönlichkeiten die Schönheit des grundsätz
lichen und einmaligen ethisch-guten Handelns aufweist. Die geistige Moti
vation wird damit gewahrt und dem Willen wird in der Vermahlung mit
dem erkannten Ideal eine großartige Schwungkraft zur selbständigen Ent
schließung gegeben, eben in der Richtung des Guten. Es muß die Dar
stellung des Guten an einzelnen Ereignissen im Leben anderer so gegeben
werden, daß gerade diese Ereignisse die anderen uns sympathisch machen, das
Gute sie für uns gewinnt. Erst aus der gesamt-sympathischen Gestalt wird
dann die einzelne gute Seite wieder herausgehoben und in ihrer Güte dem
Geiste dargeboten, sodaß der junge Geist diese erkennt und ihren Wert sich
tief einprägt. Hier liegt die Gelegenheit zu einer packenden Darstellung der
guten Persönlichkeit und zum kraftvollen Hervorheben des einzelnen Guten
an der Persönlichkeit. Was uns in dieser Beziehung nicht alles das Leben
bietet, das gibt uns die gute Dichtung, der historische Roman, namentlich,
wie ihn schon die Literaturen der ältesten Völker in aller Schönheit besitzen.
Allerdings trifft ein Erzieher und Schriftenkenner nicht so einfachhin die rechte
Auswahl im Stoff und in einer weiteren Ausgestaltung und manchmal Um
gestaltung des gewählten Stoffes, allein es wird nirgends etwas ohne intensive
Arbeit geleistet. Es wird wohl bei der Verwertung des Exempels die Haupt
sache sein, den Zuhörer mit Geschick so zu führen, daß er ganz mitlebt und
so auch von dem Miterlebten mit ergriffen wird. Namentlich z. B. der Sieg
der Keuschheit in einer Versuchung oder bei einer Verleumdung, der augen
scheinliche Triumph der vergeltenden Gerechtigkeit, wie von Engelshänden
herbeigeführt, machen großen geistigen Eindruck, der seine Strahlen auf die
Ursachen des Eindrucks zurückwirft und diese in ihrer ganzen Erhabenheit
zeigt. Das nämliche gilt in negativer Weise von negativen Eindrücken. Die
Entlarvung einer häßlichen Lüge oder einer Persönlichkeit, deren Reden und
Leben Lug und Trug war, läßt auch die Lüge und den verlogenen Menschen
in ihrer Ekelhaftigkeit erscheinen. In solchen Situationen ist es auch mög
lich, daß jemand je nach Anlage bei dem oder jenem Eindruck von einem
starken sinnlichen oder sinnlich-geistigen Gefühl für das Gute und gegen das
Böse mitgeriffen wird. Da tritt dann der Fall ein, wo nachher bei dem
Vollzug des guten Willensaktes die gute Willensentschließung weniger infolge
von Entfaltung der auf die geistige Erkenntnis des Guten sich stützenden
Willenstätigkeit sich einstellt, sondern jenes Drängen und Treiben der schon
öfters genannten Faktoren, welche sinnlicher Art sind, hilft, indem es sie
zum Teil herbeitreibt. Freilich ist es nun besser, das Gute werde auf
diese Weise vollführt, als es geschehe überhaupt nicht; aber eine höhere
geistige Willenstat ist mehr Wollen aus dem Werte heraus, ein tiefer