Full text: Pharus - 6.1915, Halbjahrband 1 (6)

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Motivationen und Willensentschließung. 
so gilt es, ihrem Alter und Verständnis entsprechend dies zu tun. Wenn 
ihr z. B. der Wert des ethisch Guten nicht sofort einleuchtet, wenn er dem 
jungen Geiste in abstrado gezeigt wird, so bleibt die schöne Hilfe, daß man 
an wirklichen und erdichteten Persönlichkeiten die Schönheit des grundsätz 
lichen und einmaligen ethisch-guten Handelns aufweist. Die geistige Moti 
vation wird damit gewahrt und dem Willen wird in der Vermahlung mit 
dem erkannten Ideal eine großartige Schwungkraft zur selbständigen Ent 
schließung gegeben, eben in der Richtung des Guten. Es muß die Dar 
stellung des Guten an einzelnen Ereignissen im Leben anderer so gegeben 
werden, daß gerade diese Ereignisse die anderen uns sympathisch machen, das 
Gute sie für uns gewinnt. Erst aus der gesamt-sympathischen Gestalt wird 
dann die einzelne gute Seite wieder herausgehoben und in ihrer Güte dem 
Geiste dargeboten, sodaß der junge Geist diese erkennt und ihren Wert sich 
tief einprägt. Hier liegt die Gelegenheit zu einer packenden Darstellung der 
guten Persönlichkeit und zum kraftvollen Hervorheben des einzelnen Guten 
an der Persönlichkeit. Was uns in dieser Beziehung nicht alles das Leben 
bietet, das gibt uns die gute Dichtung, der historische Roman, namentlich, 
wie ihn schon die Literaturen der ältesten Völker in aller Schönheit besitzen. 
Allerdings trifft ein Erzieher und Schriftenkenner nicht so einfachhin die rechte 
Auswahl im Stoff und in einer weiteren Ausgestaltung und manchmal Um 
gestaltung des gewählten Stoffes, allein es wird nirgends etwas ohne intensive 
Arbeit geleistet. Es wird wohl bei der Verwertung des Exempels die Haupt 
sache sein, den Zuhörer mit Geschick so zu führen, daß er ganz mitlebt und 
so auch von dem Miterlebten mit ergriffen wird. Namentlich z. B. der Sieg 
der Keuschheit in einer Versuchung oder bei einer Verleumdung, der augen 
scheinliche Triumph der vergeltenden Gerechtigkeit, wie von Engelshänden 
herbeigeführt, machen großen geistigen Eindruck, der seine Strahlen auf die 
Ursachen des Eindrucks zurückwirft und diese in ihrer ganzen Erhabenheit 
zeigt. Das nämliche gilt in negativer Weise von negativen Eindrücken. Die 
Entlarvung einer häßlichen Lüge oder einer Persönlichkeit, deren Reden und 
Leben Lug und Trug war, läßt auch die Lüge und den verlogenen Menschen 
in ihrer Ekelhaftigkeit erscheinen. In solchen Situationen ist es auch mög 
lich, daß jemand je nach Anlage bei dem oder jenem Eindruck von einem 
starken sinnlichen oder sinnlich-geistigen Gefühl für das Gute und gegen das 
Böse mitgeriffen wird. Da tritt dann der Fall ein, wo nachher bei dem 
Vollzug des guten Willensaktes die gute Willensentschließung weniger infolge 
von Entfaltung der auf die geistige Erkenntnis des Guten sich stützenden 
Willenstätigkeit sich einstellt, sondern jenes Drängen und Treiben der schon 
öfters genannten Faktoren, welche sinnlicher Art sind, hilft, indem es sie 
zum Teil herbeitreibt. Freilich ist es nun besser, das Gute werde auf 
diese Weise vollführt, als es geschehe überhaupt nicht; aber eine höhere 
geistige Willenstat ist mehr Wollen aus dem Werte heraus, ein tiefer
	        
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