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Das Spiel unserer Kinder.
Noch ein Wort über Spielsachen.
Die Umgebung des Kindes ist von bestimmendem Einfluß auf seine körperliche
und geistige Entwicklung, auf seine Phantasie, seinen Geschmack, sein Denken,
Wollen und Handeln. Die spielende Beschäftigung des Kindes wird beeinflußt
durch geeignetes Spielzeug. Für das Kind bedeutet ja Spielzeug nichts anderes
als ein Mittel zur Unterhaltung; für seine Entwicklung aber ist es ein wichtiger
pädagogischer Faktor. Wert hat nur das Spielzeug für unser Kind, das seinen
Neigungen entspricht, oder von dem wir uns versprechen können, daß es seine
Neigungen in einer für seine Erziehung günstigen Weise beeinflußt. Diese richtige
Auswahl zu treffen ist keineswegs eine leichte Sache, denn fie setzt eine intime
Kenntnis des kindlichen Wesens und seiner Entwicklungsgesetze voraus. Dann
erwarten wir auch vom Spielzeug, daß es künstlerischen Anforderungen entspreche.
Durch die unmittelbare Berührung mit der werdenden Generation gewinnt es ja
einen großen Einfluß auf den Geschmack und Geist des Volkes, und wirkt so an
der künstlerischen Erziehung der Jugend mit. Das vollendetste Spiel, der Gipfel der
Kultur, ist die Kunst. Das spielende Kind ist ein kleiner Künstler. Möge sorg
fältig ausgewähltes Spielzeug seinen Teil zur künstlerischen Erziehung mitwirken!
Vor einem Fehler muß gewarnt werden. Vielfach werden die Kinder mit Spiel
sachen förmlich überschüttet. Das Kind soll auch im Spielen an Ordnung und
Achtsamkeit gewöhnt werden. Es soll ihm nie ein anderes Spielzeug überlassen
werden, bevor es das, womit es vorher gespielt hat, zurückgestellt hat. Es ist
auch nicht gut, wenn das Kind zu viel spielt; es ist von Zeit zu Zeit wieder auf
den realen Boden der Wirklichkeit zu stellen und soll zwischen Spiel und Arbeit
rechtzeitig unterscheiden lernen. Das kann bei der richtigen Auswahl und Zahl
des Spielzeuges erreicht werden.
Die hohe Bedeutung, die dem Spiele in gesundheitlicher, ethischer und sozialer
Hinficht zukommt, wird jetzt von den meisten Pädagogen anerkannt. Im ersten
Unterricht ist das Spiel das beste und natürlichste Mittel, den Gefahren des Still-
sitzens und der sitzenden Beschäftigung zu begegnen. Es ist auch die beste Art,
im ersten Unterricht von der Ungebundenheit des vorschulpflichtigen Alters zu einem
schulgemäßen Tun hinüberzuleiten. Es muß hier oft gespielt werden. Ein Zu
sammenhang des Spieles mit dem übrigen Unterrichte muß erstrebt und kann auch
erzielt werden, wie verschiedene praktische Vorschläge dartun. Ich verweise hier
nur auf Henriette Schräders Idee des Einheitsstoffes in „Fröhlicher Unter
richt" von Magda Büttner und Emma Vöhl. Wir haben auch eine Menge
wirklich schöner Spiele; wir müssen sie nur zu finden und zu verwenden wissen.
Einen großen Vorrat von erprobten Spielen finden wir in: Guts Muths,
„Spiele zur Uebung und Erholung des Körpers und Geistes", Hof, Lion; Trapp
und Pinzke, „Das Bewegungsspiel", Langensalza, Hermann Beyer u. Söhne;
E. Fromm, „Lieder und Bewegungsspiele", Großborstel, Gutenbergverlag; G. Pappen
heim und M. v. Glümer, „Spiel und Lied", Frankfurt a. M., Jäger; Maria Kühn,
„Macht auf das Tor!", Düsseldorf, Langewiesche; F. Fröbel, „Mutter- und Kose
lieder", Wien und Frankfurt a. M., A. Pichlers Witwe; I. Herz, „Alte und neue
Fingerspiele", Dresden-Blasewitz, Bleyl u. Kämmerer; Lipp, „Der Kleinen Sang
und Spiel", München, Jugendblätter-Verlag; F. M. Böhme, „Deutsches Kinder
lied und Kindesspiel", Leipzig, Breitkopf u. Härtel.