Full text: Pharus - 6.1915, Halbjahrband 1 (6)

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Das Spiel unserer Kinder. 
Noch ein Wort über Spielsachen. 
Die Umgebung des Kindes ist von bestimmendem Einfluß auf seine körperliche 
und geistige Entwicklung, auf seine Phantasie, seinen Geschmack, sein Denken, 
Wollen und Handeln. Die spielende Beschäftigung des Kindes wird beeinflußt 
durch geeignetes Spielzeug. Für das Kind bedeutet ja Spielzeug nichts anderes 
als ein Mittel zur Unterhaltung; für seine Entwicklung aber ist es ein wichtiger 
pädagogischer Faktor. Wert hat nur das Spielzeug für unser Kind, das seinen 
Neigungen entspricht, oder von dem wir uns versprechen können, daß es seine 
Neigungen in einer für seine Erziehung günstigen Weise beeinflußt. Diese richtige 
Auswahl zu treffen ist keineswegs eine leichte Sache, denn fie setzt eine intime 
Kenntnis des kindlichen Wesens und seiner Entwicklungsgesetze voraus. Dann 
erwarten wir auch vom Spielzeug, daß es künstlerischen Anforderungen entspreche. 
Durch die unmittelbare Berührung mit der werdenden Generation gewinnt es ja 
einen großen Einfluß auf den Geschmack und Geist des Volkes, und wirkt so an 
der künstlerischen Erziehung der Jugend mit. Das vollendetste Spiel, der Gipfel der 
Kultur, ist die Kunst. Das spielende Kind ist ein kleiner Künstler. Möge sorg 
fältig ausgewähltes Spielzeug seinen Teil zur künstlerischen Erziehung mitwirken! 
Vor einem Fehler muß gewarnt werden. Vielfach werden die Kinder mit Spiel 
sachen förmlich überschüttet. Das Kind soll auch im Spielen an Ordnung und 
Achtsamkeit gewöhnt werden. Es soll ihm nie ein anderes Spielzeug überlassen 
werden, bevor es das, womit es vorher gespielt hat, zurückgestellt hat. Es ist 
auch nicht gut, wenn das Kind zu viel spielt; es ist von Zeit zu Zeit wieder auf 
den realen Boden der Wirklichkeit zu stellen und soll zwischen Spiel und Arbeit 
rechtzeitig unterscheiden lernen. Das kann bei der richtigen Auswahl und Zahl 
des Spielzeuges erreicht werden. 
Die hohe Bedeutung, die dem Spiele in gesundheitlicher, ethischer und sozialer 
Hinficht zukommt, wird jetzt von den meisten Pädagogen anerkannt. Im ersten 
Unterricht ist das Spiel das beste und natürlichste Mittel, den Gefahren des Still- 
sitzens und der sitzenden Beschäftigung zu begegnen. Es ist auch die beste Art, 
im ersten Unterricht von der Ungebundenheit des vorschulpflichtigen Alters zu einem 
schulgemäßen Tun hinüberzuleiten. Es muß hier oft gespielt werden. Ein Zu 
sammenhang des Spieles mit dem übrigen Unterrichte muß erstrebt und kann auch 
erzielt werden, wie verschiedene praktische Vorschläge dartun. Ich verweise hier 
nur auf Henriette Schräders Idee des Einheitsstoffes in „Fröhlicher Unter 
richt" von Magda Büttner und Emma Vöhl. Wir haben auch eine Menge 
wirklich schöner Spiele; wir müssen sie nur zu finden und zu verwenden wissen. 
Einen großen Vorrat von erprobten Spielen finden wir in: Guts Muths, 
„Spiele zur Uebung und Erholung des Körpers und Geistes", Hof, Lion; Trapp 
und Pinzke, „Das Bewegungsspiel", Langensalza, Hermann Beyer u. Söhne; 
E. Fromm, „Lieder und Bewegungsspiele", Großborstel, Gutenbergverlag; G. Pappen 
heim und M. v. Glümer, „Spiel und Lied", Frankfurt a. M., Jäger; Maria Kühn, 
„Macht auf das Tor!", Düsseldorf, Langewiesche; F. Fröbel, „Mutter- und Kose 
lieder", Wien und Frankfurt a. M., A. Pichlers Witwe; I. Herz, „Alte und neue 
Fingerspiele", Dresden-Blasewitz, Bleyl u. Kämmerer; Lipp, „Der Kleinen Sang 
und Spiel", München, Jugendblätter-Verlag; F. M. Böhme, „Deutsches Kinder 
lied und Kindesspiel", Leipzig, Breitkopf u. Härtel.
	        
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