Full text: Pharus - 6.1915, Halbjahrband 1 (6)

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„Ich will für ihn beten", sagte er, „zu der „einzigen Mutter", die ihm geblieben. 
Ich habe es versprochen. Vielleicht rettet sie noch ihn und durch ihn vielleicht 
auch seine Mutter!" 
Und P. Herbert fühlte neue Hoffnung in sein Herz ziehen, als er noch eines 
anderen Wortes des P. Avila sich erinnerte: „Das ist unsere Stärke als christliche 
Erzieher, daß unser segensreiches Wirken über die Jahre des Kollegs hinausreicht; 
denn durch Gebet und Aufopferung unserer Leiden für diese armen Kinder tun 
wir ihnen noch Gutes, nachdem sie uns längst verlassen haben." 
Rundschau. 
Selbstbesinnung -er Pädagogik als 
Zolge der Krieges. 
Auch in linksstehenden Kreisen weckt 
der Krieg die Besinnung auf die tieferen 
Aufgaben aller Erziehung, insbesondere 
auch der Schulerziehung. Typisch ist in 
diesem Sinne ein Vortrag, den der 
Münchener Volksschullehrer Di-. Emmeran 
Leitl jüngst im paritätischen Münchener 
Bezirkslehrerverein hielt. Wohl meldeten 
sich noch Gegner zu Wort, aber nach einem 
Bericht der linksliberalen „Münchener 
Neuesten Nachrichten" mußten auch sie 
„den tiefen Ernst und die Eindringlich 
keit des Redners" anerkennen? Einem 
Autoreferat des Referenten entnehmen 
wir die folgenden Ausführungen: 
„Die Zersetzung und Verweichlichung 
des deutschen Charakters macht sich beson 
ders deutlich in der Kindererziehung be 
merkbar. Die deutsche Familienerziehung 
hat viel von ihrer ursprünglichen Einfach 
heit und Natürlichkeit eingebüßt. Früher 
hat man die Kinder notdürftig gepflegt, 
d. h. auf ihre wirklichen Bedürfnisse hin, 
jetzt verhätschelt man sie. Alles Rauhe 
und Harte räumt man ihnen ängstlich 
aus dem Wege. Man will es nicht mehr 
recht glauben, daß auch das Kind schon 
etwas von Entsagung, Ueberwindung, 
Selbstbescheidung lernen müsse, wenn es 
später etwas taugen soll. Wir leben 
zwar jetzt im „Jahrhundert des Kindes", 
1 Während dieser Bericht in Druck ging, 
gab der Vorstand des Vereins eine Erklärung 
ab, daß die Ausführungen Dr. Leitls als die 
Anschauung eines einzelnen Mitglieds zu be 
werten wären, worauf Dr. Leitl erwidert, daß 
ein Vereinsbeschluß über seine Ausführungen 
nicht vorliege und daß er nur zum Aus 
druck gebracht habe, was viele Lehrer seiner 
Umgebung dächten. 
Pharus VI, Bd. 1, H. 6. 
aber nicht leicht gab es eine Zeit, wo 
man so wenig von dem wußte, was dem 
Kinde wahrhaft nützt und wirklich zu 
seinem späteren Heile ist. Unsere Er 
ziehung wird immer mehr eine Erziehung 
in den Tag und für den Tag. Wenn man 
nur über die Not des Augenblicks schlecht 
und recht hinwegkommt, ist man zufrieden; 
die Zukunft macht uns wenig Sorgen. 
Wie ganz naiv und gedankenlos find 
wir z. B. in der Besorgung des kind 
lichen Nahrungstriebes! Wo ist noch 
die Mutter, die auch hier ihre Kinder 
noch an Ordnung und Genügsamkeit, an 
Geduld und etwaige Entsagung gewöhnt? 
Kommt das Kind um 11 Uhr von der 
Schule nach Hause und hat Hunger, so 
fällt es ihm nicht mehr ein, daß es noch 
wartet bis zur gemeinsamen Essenszeit. 
Es quält die Mutter so lange, bis es 
noch ein „Linderungsmittel" erhalten hat. 
Welcher Schaden ihm aber dadurch ge 
schieht, darüber denkt man nicht mehr 
viel nach. Daß ein solches Kind auch^" 
in allen anderen Dingen das Warten 
nicht mehr lernt und auch sonst immer 
gleich haben muß, was ihm in den Sinn 
kommt! Wie verderblich ist es, wenn 
der Mensch schon von klein auf daran 
gewöhnt wird, daß im Leben die Pflege 
des Körpers doch die Hauptsache ist! 
Woher sollen aber solche Kinder, die 
an Bonbons und Konfitüren (nicht um 
sonst welsche Ausdrücke) sinnlich heran 
wachsen, später die Willenskraft für einen 
„deutschen Idealismus" nehmen, der nichts 
mehr ausschließt als gerade die Hingabe 
an jeden Augenblickskitzel?" 
„Unter dem Einfluß einer weichen und 
verweichlichenden Familienerziehung steht 
nun auch unsere Schulerziehung. Auch 
in der Schule soll alles Anstrengende, 
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