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Rundschau,
Mühselige, Harte immer mehr vom Kinde
ferngehalten werden. Die Schularbeit
selbst soll immer „angenehmer" werden.
Wir Lehrer müssen uns die Köpfe zer
brechen, um ja alles recht „interessant"
zu machen, damit das Kind gewillt ist,
schön mitzutun. Ein solches Verfahren
steht aber auch im ärgsten Widerspruch
mit den Anforderungen, die später an
den Menschen herantreten. Die meisten
Kinder kommen nach der Volksschule in
den anödendsten Fabrik- oder Detail
geschäftsbetrieb, wo sich alles „Inter
essante" aufhört und nur Ernst, Anspruchs
losigkeit, Willigkeit verlangt wird. Wenn
wir Lehrer also jetzt so sehr bemüht sind, das
Kind zu „unterhalten" und unser Schul
zimmer zu einer Art Variete umgestalten,
so tun wir dem Kinde viel Uebles. Immer
mehr von unseren Schulentlassenen ver
fallen dem Müßiggang und der Arbeits
flucht, weil sie durch das Vielerlei der
Schule auf das ermüdende Einerlei der
Berufspflicht zu wenig vorbereitet sind.
Ein Hauptübel unserer Schule ist
überhaupt, daß das erziehende Moment
immer mehr in den Hintergrund tritt.
Bitter ist es, wenn man es sagen muß:
Wir Lehrer haben keine Zeit mehr, die
Kinder zu erziehen. Unser Lehrplan ist
so überfüllt von hohem Wissen, daß unsere
Aufmerksamkeit und Kraft nur mehr
darauf gehen kann, wie wir das gelehrte
Zeug den Kindern einigermaßen plausibel
machen können. Vor lauter Stoffzurecht-
richten und Stoffzusammentragen haben
wir keine Zeit mehr, über das Wichtigste
unseres Berufes nachzudenken, nämlich
darüber, wie wir das Kind durch unsere
Arbeit bescheiden und klug, arbeitsfreudig
und willig, geduldig und ausdauernd,
verträglich und liebend machen können.
Wir beschäftigen uns immer mehr mit
uns und den Kindern fern liegenden
Dingen, mit biologischen, entwicklungs
geschichtlichen, chemischen und Physika
lischen Untersuchungen, die uns und die
Kinder auch nicht fördern, weil doch
Zeit und Kraft zur wirklichen Vertiefung
fehlen. Zur eigenen menschlichen Aus
bildung, zur seelischen Verinnerlichung,
zur Selbstbesinnung und Selbstzucht läßt
uns diese Außenbeschästigung nicht mehr
kommen. Und doch haben alle großen
Erzieher der Menschheit allen Ernstes
geglaubt, diese menschliche Selbsterziehung
sei das Wichtigste für einen Menschen,
der andere erziehen will.
Wir sind schon längst keine Erzieher
mehr, sondern nur mehr Unterrichter im
schlimmsten Sinne des Wortes. Kinder
erziehen kann man nur an einer ein
fachen. schlichten Arbeit. An einer Arbeit,
die wenig Klügeln und Tüfteln und Vor
bereitungen verlangt, sondern nur ein
fachstes, folgerechtes Tun. An einer
Arbeit, die wenig Kenntnisse, aber um
so mehr Gewöhnungen und Fertigkeiten
erzeugt, die dem Kinde unverlierbar fürs
Leben bleiben. Das exakte Wissen und
Können schwindet aber bei uns immer
mehr und an dessen Stelle tritt ein ober
flächliches Meinen und Glauben, eine
Allerweltsweisheit, die das Kind nur
blasiert und vorlaut macht. Wie oft find
mir von gediegenen Vätern die Worte zu
Ohren gekommen: Ich habe in meiner ein
fachen Volksschule mehr gelernt als meine
Kinder jetzt lernen in der berühmten mo
dernen Schule. Wenn Pestalozzi unseren
Lehrplan zu Gesicht bekäme, der würde
in Ewigkeit nicht erraten, daß dieses
Buch das Arbeitsprogramm einer Volks
schule wäre. Er würde uns vielleicht
nur einen Satz entgegenschleudern, freilich
hätten wir genug damit: „Die voreilende
Entwicklung des Kopfes und Herzens
zernichtet die wahren Kräfte des Men
schen und macht aus deinen Kindern,
was du selbst bist, wenn du vor un
zeitigen Gelüsten die unreifen Früchte
deines besten Baumes abpflückst und
frissest." (Aus dem „Schweizerblatt", 34.)
Unser Berufswirken würde auch an
Ansehen wahrlich nichts einbüßen, wenn
es wieder einfacher, unwissenschaftlicher
würde. Was es an Scheinweisheit ver
löre, gewänne es an Innerlichkeit. Men
schen zu bilden, ist höchste Menschen
tätigkeit, höchste Kunst, die königliche
Kunst Platos. Und der einfachste Volks
schullehrer, der an der wirklichen Ver
edelung seiner Kinder arbeitet, tut etwas,
was an Würde und Hoheit gleich ist
dem Wirken eines edelsten Priesters,
eines ersten Richters, eines tüchtigsten
Professors. Denn auch diese Männer
tun in ihrem Besten nichts anderes als
an der Erhöhung des Menschen arbeiten.
Bei dem Wulste des gegenwärtigen ge
lehrten Betriebes ist aber ein solches
Wirken unmöglich.