Full text: Pharus - 6.1915, Halbjahrband 1 (6)

vor dem pädagogischen Problem. 
von Dr. P. ® r c g o r Koch, Glattburg, St, Gallen. 
I. 
Y||te vieles ist auf dem Gebiete der Erziehung und der Schule nur im 
Lause der vergangenen 25 Jahre anders geworden. Wie vieles ist 
im Werden oder Vergehen. Manchmal klagen Stimmen im Tone des Ueber- 
drusses und Unmutes: Die Sicherheit verschwindet, nichts bleibt unbestritten, 
jeder macht sich bald seine eigene Pädagogik und Methodik, alles ist proble 
matisch geworden. 
Das wäre freilich bös. Wenn es in Erziehung und Schule nichts Festes 
mehr gibt, dann verfällt die Jugend der Verlotterung und Entartung, mit 
echter Volkseinheit und darum mit Volk im wahren Sinne ist es aus. Das 
war die einzig starke Kraft und die Völker-, ja menschheitbildende Macht der 
Kirche, daß sie mit gottgewissen Grundkenntnissen und mit gottgegebenen Ge 
setzen die Erziehung in die Hand nahm, liebend maßvoll und zugleich un 
erbittlich fest ausübte aller Unwissenheit wie aller leidenschaftsvollen Roheit 
und verfahrenen Ueberkultur gegenüber. Und in ihrer katholischen, an allen 
Völkern mit unsäglicher Mühe und Ausdauer geübten Erziehung hat sie 
Einsichten, Erfahrungen und Wege gefunden, die als erprobt und stets be 
währt sich herausstellten wie keine anderen. 
Die Grundkenntnisse und Grundgesetze alles Menschenlebens sind bei der 
Kirche als für die Menschheit und deren Völker gesicherter Besitz. Wir 
dürfen beifügen: Wenn noch so vieles auseinandergeht und wenn noch so 
zahlreiche und tiefgreifende Verirrungen zu bedauern sind, die Natur der 
Menschen ist doch stärker und geeinter, als daß sie ganz verfallen, nicht das 
Wichtigste, das Substantielle des Lebens bewahren und stets nach Heilung 
verlangen würde. Der richtige Erzieher, der wesentlich positiv, das Gute 
suchend und ausbildend wirkt, wird stets diese Hauptsache, diesen substantiellen 
Grundstock wohl im Auge behalten. 
Allein an und für sich ist der Mensch für allseitige fortschrittliche Ent 
wicklung seines Lebens, seiner sozialen Bildungen und seiner Lebensgüter 
veranlagt. Im Zusammenhang damit muß auch die Erziehung des Nach 
wuchses eine fortschrittliche, mehr und mehr allseitige, vollständige sein. Da 
gibt es Zeiten von Neubildungen, Erweiterungen, Umgestaltungen. Auf sie 
folgen Tage mehr ruhigen Besitzes und der Pflege des Errungenen oder neu 
Begründeten. Nach und nach macht sich die menschlich große Gefahr der 
trägeren oder massengemäßeren Vergewohnheitlichung geltend. Sie mit ihren 
unbehaglichen, lebenstötenden Zuständen ruft Gegenwirkungen, Reformen, 
Neuerungen. 
Dann müssen Erziehung und Schule in allen ihren Zweigen, Arten und 
Mitteln, in Verbindung mit der erzieherischen und schulenden Tätigkeit und 
den dabei gemachten Erfahrungen, Gegenstand ernster Untersuchung und Wissen- 
Pharus VI, Bd. 1, H. 1. 1
	        
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