Full text: Pharus - 16.1925 (16)

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Jugendführer und Jugendprobleme. 
wie vom konkreten Leben aus der Zugang zum staatsbürgerlichen Erlebnis gefunden 
werden kann. 
Zum Abschluß sei noch hingewiesen auf die dreibändige Auswahl von Wilhelm 
Emanuel vonKettelers Schriften, die Johannes Mumbauer besorgte. Das 
steigende Interesse an Kettelers Schrifttum läßt das Erscheinen einer 2. Auflage be 
greiflich erscheinen (Kempten 1924). Uns interessieren in diesem Zusammenhang die 
politischen, sozialpolitischen und staatsphilosophischen Ideen des Mainzer Bischofs. Der 
Herausgeber vermerkt mit Recht: Ketteler, dem Westfalen, eignete in hohem Maße die 
Gabe der Intuition in die großen geschichtlichen Zusammenhänge und Entwicklungen in 
Dingen, die wir heute ganz auffallend erfüllt oder in greifbarem Werden begriffen 
sehen. Die nachfolgende Generation hat die Ideen Kettelers zum Teil vergessen, und 
so ist der große Bischof leider nicht der politische Erzieher und Führer der deutschen 
Katholiken geworden. 
■■ 
Jugenbfütirer und Jugenbprobleme. 
Von Or. K. Schmelzte. 
Unter diesem Titel haben Männer der Schule, der Schulverwaltung und der päd 
agogischen Wissenschaft als öffentliches Zeichen ihrer dankbaren Verehrung dem siebzig 
jährigen Georg Kerschensteiner, der heute noch im Mittelpunkt der pädagogischen Zeit 
bewegung steht, ihre Festschrift gewidmet (Leipzig 1924, B G. Teubner. 332 S. Ge 
heftet 10 Mk., geb. 12 Mk.). Um den Gedankenreichtum des Buches wenigstens ein 
wenig aufzuzeigen, greife ich das Problem der Jugendbewegung heraus, zu dem August 
Messer in seinem Aufsatz: „Zur Problematik der Jugendbewegung" Stellung nimmt. 
Messer wendet sich gegen den Kampfruf der Jugend: „Weg mit dem Intellek 
tualismus!" Denn auch der altruistisch und sozial eingestellte Mensch kann des In 
tellektes, das heißt der Fähigkeit, die Wirklichkeit in ihrer Gesetzmäßigkeit zu erkennen, 
nicht entbehren. Erst wenn er die wirklichen Zustände richtig erkannt hat, vermag er 
Mittel und Wege zu finden. Zu all dem kann er gar nicht genug Verstand haben. 
In eine amoralische oder gar antimoralische Sphäre gerät der Mensch oder die mensch 
liche Gesellschaft nicht, weil sie zu viel Verstand hätten, sondern weil ihre Herzen für 
altruistische und humane Wertschätzungen nicht aufgeschlossen siud. Vom Werterleben 
also, vom „Herz", vom „Gefühl" ist abhängig die Zielsetzung. Intellektualismus und 
gefühllose Egoismus ist nicht dasselbe. Soweit der Kampf der Jugend einem seelen 
losen technischen Zeitgeiste gilt, ist er berechtigt; er darf aber nicht zur Unterschätzung 
des Verstandes und seines hohen Kulturgutes, der Wissenschaft, führen. Verstand und 
Herz bedürfen sonach sorgsamer Pflege. 
Von der Intuition oder dem bloßen gesunden Instinkt alles Heil zu erhoffen, 
ist ein schwerer Irrtum der Jugend. Gefühlsmäßig vermögen wir die Lage nicht richtig 
zu beurteilen. Dazu bedürfen wir des Verstandes. Dies beweist uns Deutschlands im 
argen liegende Gefühlspolitik und die gefühlsmäßige Stellungnahme der Jugend zur: 
Politik, die doch „die Kunst des Möglichen" ist, über die eben nur der vielgescholten^ 
Verstand zu urteilen imstande ist. Der von der Jugend gepriesene Instinkt versagt ja 
oft genug schon bei der Wahl ihrer Führer, wenn sie auf leidenschaftliche, packende 
Reden hereinfällt und Phrasenhelden Gefolgschaft leistet, statt daß sie sich von Vernunft: 
und Gewissen leiten läßt. Aber auch die Vernunft steht bei der Jugend in geringem 
Ansehen, zumal sie mit Verstand oft verwechselt wird, während ihr Wesen „so recht das 
Begründen und Rechenschaftablegen" ist, „die Gedanken von wertvollen Zielen, die uns 
bei unserem Wollen und Handeln leiten". Sie betätigt sich also recht eigentlich in der:
	        
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