Full text: Pharus - 5.1914, Halbjahrband 1 (5)

525 :: 
Ermüdungsmessungen im Dienste der Schule. 
bei dem auch in Volksschulen mehr und mehr überhandnehmenden Fachlehrersystem 
notwendig, daß für eine planmäßige und gleiche Hausaufgabenverteilung gesorgt 
wird und daß die gestellten Aufgaben ins Klassenbuch eingetragen werden. 
Die kurze Zusammenfassung ergibt: Durch Einschränkung des Unterrichtsstoffes 
und seine pädagogische Anordnung sowie durch möglichste Herabsetzung der Haus 
aufgaben läßt sich die Ermüdung unserer Schuljugend nach Möglichkeit vermeiden. 
Für die Verteilung der Arbeitszeit in der Schule sorgt der Stundenplan. Die 
Zahl der wöchentlichen Unterrichtsstunden ist amtlich für die einzelnen Schulen und 
Stufen bezw. Klassen festgelegt, und zwar unter Berücksichtigung des Grundsatzes, 
daß die Arbeitszeit der Schüler nach dem Umfange allmählich gesteigert wird. Von 
jeher ist auf eine abwechslungsreiche Verteilung der Lehrfächer geachtet worden; 
seit dem Auftreten der Ermüdungsmessungen aber hat man der Aufstellung der 
Stundenpläne ganz besondere Aufmerksamkeit zugewendet, da ein nach den Messungs 
ergebnissen sorgfältig gearbeiteter Stundenplan wesentlich dazu beiträgt, der Er 
müdung der Kinder vorzubeugen. Und welche Gesichtspunkte sind in dieser Hin 
sicht zu berücksichtigen? 
Alle Ermüdungsmessungen, die den Ermüdungsverlauf einer oder mehrerer un 
mittelbar aufeinanderfolgender Lehrstunden untersuchten, kamen zu dem Ergebnis, 
daß Lektionen von 60 Minuten Länge zu große Ermüdung hervorrufen; denn schon 
nach halbstündiger gleichmäßiger Arbeit find Ermüdungserscheinungen deutlich be 
merkbar. Werden die Fingerzeige dieser Ermüdungsergebnisse nicht beachtet, wird 
trotzdem Stunde um Stunde der kindliche Geist angespannt, so muß der erzwungene 
Verbrauch von Nervenkraft zur schädlichen Uebermüdung führen. Darum ist es 
notwendig, kürzere Lehrstunden einzurichten. In Mittel- und Oberklassen mag 
die Dauer einer Unterrichtseinheit etwa 45 bis 50 Minuten betragen; für die 
Unterklassen aber sind halbstündige Lektionen (besonders für einzelne Fächer) mehr 
zu empfehlen; denn jüngere Kinder ermüden leichter als ältere, deren Geistes- 
tragkraft allmählich gewachsen ist. Selbstredend wäre es falsch, die verschiedenen 
Unterrichtsfächer in solchen gekürzten Lehrstunden unmittelbar einander folgen zu 
lassen, wenn auch immerhin schon jeder Abwechslung im Unterricht ein gewisser 
Erholungswert beizumessen ist. Zwischen die Lehrstunden müssen Pausen gelegt 
werden; über ihren Wert, ihre Anordnung und Ausnützung wird weiter unten die 
Rede sein. 
Dem Ansetzen der Unterrichtsfächer in ihrer Aufeinanderfolge ist größte Sorg 
falt zu widmen. Griesbach, Wagner und Kemsies haben den Ermüdungseinfiuß 
der einzelnen Lehrfächer untersucht und diese daraufhin nach ihrer Schwierigkeit 
geordnet, die im wesentlichen mit den praktischen Erfahrungen übereinstimmen. Ein 
vielseitiger Irrtum aber wurde durch die Messungen entdeckt. Während man früher 
nämlich meist der Ansicht war, daß Turnen Erholung bringe, bewiesen die Unter 
suchungen, daß es den anstrengendsten Unterrichtsfächern gleichzustellen ist, diese 
unter Umständen sogar übertrifft. Daher sollte Turnen nicht mitten in den Unter 
richt eingeschoben werden, sondern ans Ende des Unterrichts, am besten abgesondert 
auf den Nachmittag verlegt werden. Da der Wert jeder Arbeit unter den Ein 
flüssen der Ermüdung leidet, so ist es notwendig, schwierige Arbeit im unermüdeten 
Zustand zu verrichten. Daraus geht also hervor, daß die schwierigsten Fächer 
(Rechnen, Deutsch, Religion) an den Anfang des Unterrichts zu legen sind, weil
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.