Ermüdungsmessungen im Dienste der Schule.
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Summe hervor, daß eine gewissenhafte Verteilung der Arbeitszeit und der Arbeits
fächer sehr viel dazu beiträgt, der Ermüdung der Kinder möglichst vorzubeugen.
Das natürlichste und sicherste Kampfmittel gegen die Ermüdung aber ist un
bedingt die Ruhe. Denn im Ruhezustand ist es dem Organismus allein möglich,
die verbrauchten Kräfte gänzlich zu ersetzen und die schädlichen Zerfallprodukte
rascher zu beseitigen. Während der Arbeit geschieht beides nur sehr unvollkommen.
Diese notwendige Erholungszeit bringen dem Schulkinde die Unterrichtspausen, die
schulfreie Zeit, die Ferien und der Schlaf.
Aus den Ergebnissen der Ermüdungsmessungen geht hervor, daß es widersinnig
wäre, den Kindern mehrstündig andauernde Geistesarbeit zuzumuten. Eine nützliche
Aufeinanderfolge stundenlanger Arbeit ist nur denkbar, wenn zeitweilige Unter
brechungen (Pausen) eintreten. Was durch die Pausen an Unterrichtszeit verloren
geht, wird durch bessere Leistungen reichlich ausgewogen; das haben alltägliche Er
fahrungen und Versuche genugsam bestätigt. Sollen Pausen aber diesen Wert haben,
so müssen sie ausreichend bemessen sein und zweckentsprechend ausgenützt werden.
Friedrichs Versuche über den Wert der Pausen ergaben, daß kurze Pausen nach
jeder Stunde wertvoller sind als längere Pausen in größeren Zwischenräumen.
Mossos und Kraepelins Messungen bewiesen, daß bei längerer Arbeit die Erholungs
zeiten zur Wiederherstellung oder wenigstens zur Hebung der Kräfte allmählich
immer mehr ausgedehnt werden müssen? Aus beiden Ergebnissen geht also hervor,
daß es wertvoll scheint, nach jeder Stunde eine Pause einzusetzen und sie, dem
Gange der Ermüdung entsprechend, gegen das Ende der Unterrichtszeit hin zu ver
längern. Allerdings seien sie nicht zu lang, damit die durch den Unterricht ge
wonnene Uebung nicht verloren geht. Als kürzeste Pause dürften 10 Minuten gelten.
Die Pausen müssen aber auch richtig ausgenützt werden. Pünktliches Schließen
des Unterrichts ist die erste Bedingung. In jeder Pause sollten die Zimmer ver
lassen werden, damit sie gründlich gelüftet werden können; denn Versuche haben er
wiesen, daß längerer Aufenthalt in kohlensäurehaltiger Luft, die bei geistiger An
strengung durch die Atmung besonders reichlich entsteht, sehr ermüdend wirkt. Die
Kinder sollen die Pausen bei schlechtem Wetter in geschützten Räumen (Wandel
bahnen, Korridoren, Turnhallen), bei gutem Wetter im Freien verbringen und sich
nach Möglichkeit bewegen, laufen und spielen; denn Streckung und Bewegung der
Glieder sind höchst notwendig. Sie beschleunigen den Blutumlauf und fördern da
durch die Beseitigung der Ermüdungsstoffe in Hirn und Muskel. In den Pausen
soll jeder Zwang vermieden werden? Nur unmäßiges, ermüdendes Laufen, an
strengende Turnübungen, geistige Arbeit (z. B. Vorbereitungen auf die folgende
Stunde), kurz, Tätigkeiten, die dem Zweck der Pause entgegenstehen, müssen ver
boten werden. Der Lehrer achte auch darauf, daß die Kinder trotz Spiel und
Scherz sich Zeit lassen, ihr Frühstücksbrot zu essen.
Für die teilweise Beseitigung der Ermüdung sind also die Unterrichtspausen sehr
wertvoll; aber noch mehr Bedeutung besitzt in dieser Hinsicht die schulfreie Zeit,
die den Kindern täglich verbleibt. Sie darf daher nur (wie oben schon erwähnt
wurde) durch ein Mindestmaß von Hausaufgaben verkürzt werden und diene in
vollstem Umfange zur Erholung. Leider vermögen den Kindern unterer Volks-
* Vgl. Mosso, 157; Kraepelin, Geistige Arbeit, 17; Kraepelin, Hygiene der Arbeit, 23.
' Ausgenommen natürlich bei Ungezogenheiten!