Full text: Pharus - 5.1914, Halbjahrband 1 (5)

Ermüdungsmessungen im Dienste der Schule. 
:: 527 :: 
Summe hervor, daß eine gewissenhafte Verteilung der Arbeitszeit und der Arbeits 
fächer sehr viel dazu beiträgt, der Ermüdung der Kinder möglichst vorzubeugen. 
Das natürlichste und sicherste Kampfmittel gegen die Ermüdung aber ist un 
bedingt die Ruhe. Denn im Ruhezustand ist es dem Organismus allein möglich, 
die verbrauchten Kräfte gänzlich zu ersetzen und die schädlichen Zerfallprodukte 
rascher zu beseitigen. Während der Arbeit geschieht beides nur sehr unvollkommen. 
Diese notwendige Erholungszeit bringen dem Schulkinde die Unterrichtspausen, die 
schulfreie Zeit, die Ferien und der Schlaf. 
Aus den Ergebnissen der Ermüdungsmessungen geht hervor, daß es widersinnig 
wäre, den Kindern mehrstündig andauernde Geistesarbeit zuzumuten. Eine nützliche 
Aufeinanderfolge stundenlanger Arbeit ist nur denkbar, wenn zeitweilige Unter 
brechungen (Pausen) eintreten. Was durch die Pausen an Unterrichtszeit verloren 
geht, wird durch bessere Leistungen reichlich ausgewogen; das haben alltägliche Er 
fahrungen und Versuche genugsam bestätigt. Sollen Pausen aber diesen Wert haben, 
so müssen sie ausreichend bemessen sein und zweckentsprechend ausgenützt werden. 
Friedrichs Versuche über den Wert der Pausen ergaben, daß kurze Pausen nach 
jeder Stunde wertvoller sind als längere Pausen in größeren Zwischenräumen. 
Mossos und Kraepelins Messungen bewiesen, daß bei längerer Arbeit die Erholungs 
zeiten zur Wiederherstellung oder wenigstens zur Hebung der Kräfte allmählich 
immer mehr ausgedehnt werden müssen? Aus beiden Ergebnissen geht also hervor, 
daß es wertvoll scheint, nach jeder Stunde eine Pause einzusetzen und sie, dem 
Gange der Ermüdung entsprechend, gegen das Ende der Unterrichtszeit hin zu ver 
längern. Allerdings seien sie nicht zu lang, damit die durch den Unterricht ge 
wonnene Uebung nicht verloren geht. Als kürzeste Pause dürften 10 Minuten gelten. 
Die Pausen müssen aber auch richtig ausgenützt werden. Pünktliches Schließen 
des Unterrichts ist die erste Bedingung. In jeder Pause sollten die Zimmer ver 
lassen werden, damit sie gründlich gelüftet werden können; denn Versuche haben er 
wiesen, daß längerer Aufenthalt in kohlensäurehaltiger Luft, die bei geistiger An 
strengung durch die Atmung besonders reichlich entsteht, sehr ermüdend wirkt. Die 
Kinder sollen die Pausen bei schlechtem Wetter in geschützten Räumen (Wandel 
bahnen, Korridoren, Turnhallen), bei gutem Wetter im Freien verbringen und sich 
nach Möglichkeit bewegen, laufen und spielen; denn Streckung und Bewegung der 
Glieder sind höchst notwendig. Sie beschleunigen den Blutumlauf und fördern da 
durch die Beseitigung der Ermüdungsstoffe in Hirn und Muskel. In den Pausen 
soll jeder Zwang vermieden werden? Nur unmäßiges, ermüdendes Laufen, an 
strengende Turnübungen, geistige Arbeit (z. B. Vorbereitungen auf die folgende 
Stunde), kurz, Tätigkeiten, die dem Zweck der Pause entgegenstehen, müssen ver 
boten werden. Der Lehrer achte auch darauf, daß die Kinder trotz Spiel und 
Scherz sich Zeit lassen, ihr Frühstücksbrot zu essen. 
Für die teilweise Beseitigung der Ermüdung sind also die Unterrichtspausen sehr 
wertvoll; aber noch mehr Bedeutung besitzt in dieser Hinsicht die schulfreie Zeit, 
die den Kindern täglich verbleibt. Sie darf daher nur (wie oben schon erwähnt 
wurde) durch ein Mindestmaß von Hausaufgaben verkürzt werden und diene in 
vollstem Umfange zur Erholung. Leider vermögen den Kindern unterer Volks- 
* Vgl. Mosso, 157; Kraepelin, Geistige Arbeit, 17; Kraepelin, Hygiene der Arbeit, 23. 
' Ausgenommen natürlich bei Ungezogenheiten!
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.