Full text: Pharus - 5.1914, Halbjahrband 1 (5)

:: 528 ;; 
Ermüdungsmessungen im Dienste der Schule. 
schichten die ungünstigen Verhältnisse daheim, die enge, dumpfe Stube, der schmutzige 
Hof, eine wirkliche Erholung nicht zu gewahren. Ein Segen wäre es, wenn sich 
die Schule dieser Schutzbedürftigen annähme. Wie das geschehen kann, davon wird 
später die Rede sein. 
Da auch durch Pausen und die schulfreie Zeit nicht alle schädlichen Ermüdungs 
einflüsse ausgeglichen werden, so ist durch die Ferien für größere Ruhezeiten ge 
sorgt. Ihre Gesamtlänge ist wohl ausreichend bemessen; vielfach wird aber gefor 
dert, sie in kürzeren Zwischenräumen einzuschieben, da ihre heilsamen Folgen sich 
nur durch wenige Wochen verfolgen lassen. Ein diesbezüglicher Versuch müßte erst 
Beweise für ihre günstigere Wirkung bringen, ehe ein bestimmtes Urteil gefällt 
werden kann. Eine sehr dankenswerte Einrichtung sind die Ferienkolonien für er 
holungsbedürftige Schüler, die in jeder Weise von der Schule zu unterstützen und 
zu fördern sind. Für die Hitzeferien ist folgender Satz des preußischen Ministerial 
erlasses vom 24. August 1892 besonders zu beachten: „Auch bei geringerer Tem 
peratur (als 25 Grad nach Celsius im Schatten um 10 Uhr) ist eine Kürzung der 
Unterrichtszeit notwendig, wenn die Schulzimmer zu niedrig oder zu eng bezw. die 
Schulklassen überfüllt sind. Es bleibt zu erwägen, ob bei Schulen, welche ge 
räumige, schattige Spielplätze haben, unter Umständen der lehrplanmäßige Unter 
richt durch Jugendspiele unterbrochen werden kann." Durch eine verständige An 
wendung dieses Erlasses kann der Ermüdung der Kinder leicht vorgebeugt werden. 
Das wichtigste aller Mittel zum Ausgleich der Ermüdung ist der Schlaf 
Diesen aber kann die Schule durch zu frühen Anfang des Unterrichts verkürzen. 
Selbstredend trägt die meiste Schuld das Elternhaus, wenn es ein zu langes Auf 
bleiben der Kinder gestattet. Den Schulanfang für ältere Schüler auch im Som 
mer auf 8 Uhr anzusetzen, würde mit vielen Schwierigkeiten verknüpft sein; aber 
für Kinder von 6 bis 8 Jahren, deren Schlafzeit 10 bis 11 Stunden betragen soll, 
dürfte der Unterricht vor 9 Uhr nicht beginnen. 
Da Erholungspausen also den größten Wert für ein Vermeiden schädlicher Er 
müdung besitzen, so muß der Lehrer für ihren richtigen Umfang, ihre verständige 
Anordnung und Ausnützung Sorge tragen. 
Auch die Lehrweise übt einen wesentlichen Einfluß auf die Ermüdung aus. 
Wagner behauptet sogar, daß die Größe der Ermüdung viel mehr von der Person 
des Lehrers (d. h. von seiner Unterrichtsweise) abhängt als vom Unterrichtsstoff 
(vgl. Wagner, S. 130 u. 133). Will sich der Lehrer vor derartigen Anklagen 
schützen, dann darf er vor allen Dingen nicht langweilig unterrichten. „Langweilig 
zu sein ist die ärgste Sünde des Unterrichtes" (Herbart). Die Langeweile erzeugt 
Unlustgefühle, die alles schwerer ertragbar machen. Die Erfahrung lehrt jeden, 
daß nichts so ermüdend wirkt als eine mit Unlust ausgeführte Arbeit. Versucht 
der gewissenhafte Schüler oder der die Strafe fürchtende mit Aufbietung seiner 
Willenskraft die Unlustgefühle zu unterdrücken und dem Unterricht zu folgen, so 
geht durch diese Anspannung viel Energie verloren. Ermüdung ist immer die un 
ausbleibliche Folge. Ein interessanter, anregender, abwechslungsreicher Unterricht 
dagegen wirkt weit weniger anstrengend; denn durch solchen Unterricht, durch An- 
schauung, Abstraktion, Einübung und Anwendung werden die mannigfaltigsten psycho 
logischen Prozesse (Assoziation, Reproduktion, Apperzeption) ausgelöst und dadurch 
die verschiedensten Gehirnregionen in Tätigkeit versetzt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.