Regierung,
Abteilung für Kirchen» und Schulwesen. Düsseldorf, den 6. März 1924.
II. C. 815,24.
Die vielen verfrühten Anträge der Schuloerbände, die darauf abzielen,
der hier noch nicht anwendbaren Preußischen perjonalabbauverordnung
vorzugreifen, geben uns Veranlassung, allgemein daraus hinzuweisen, daß
derartige Anträge von uns noch nicht genehmigt werden aonnen, >olange
dis im § 56 dieser Verordnung vorgesehenen besonderen Vorschriften d«s
Ltaatsminilieriums für den Abbau im Unterrichtswe,en noch nichr ergangen
sind. Ls «ann daher von den Schuloerbänüen in dieser Hinsicht noch nichts
unternommen werden, weil sonst Maßnahmen ergriffen werden könnten,
die dann später mit diesen Vorschriften nicht in Einklang zu dringen
wären. Insbesondere können wir das Bestreben vieler Schulverbände nicht
billigen, schon jetzt durchweg alle nicht angestellten Schulamisbeweroerftnnen)
aus ihren Schullrellen zu entlassen, hierbei haben die Schuloervände solchen
Lehrpersonen ohne weiteres gekündigt, also nicht darauf geachtet, daß jeder
Bejchäftigungsantraq eines auftrazsweife und vertretungsweise beschäftigten
Schulamtsbewerbers(in) nur von uns als Schulauffich sbehörde zurückgezogen
werden kann. Kündigungen durch die Schulverbände kommen somit über
haupt nicht in Frage und sind. soweit geschehen, unwirksam. Diese voc-
Ichrift ersuchen wir sorgfältig zu beachten, da sonst die Junglehrer(mnen)
begründeten Widerspruch erheben können. Zudem ist es aus wirtschaft
lichen Gründen nicht angebracht, aus diese Weise m dem Abbau schon vor.
eilig zu handeln. Zunächst ist es nach der noch nicht anwendbaren
perjonalabbauverordnung sehr wichtig, festzustellen, wieviel Lehrer und
Lehrerinnen mit Ruhegehalt ausscheiden müssen, deren Stellen in erster
Linie dann eingehen können. Wenn dann no<q weitere Stellen abgebaut
werden müssen, wobei auf Schulamtsbewerberfinnen) zurückgegriffen werden
muß, ist erst das Verfahren gerechtfertigt, dar jetzt von vielen Schul-
verbänden schon gehandhabt werden soll. wir verweisen hierbei ins.
besondere noch auf die Vorschrift im § 56, Ziffer 2 der preußischen personal-
abbauverordnung, wonach bei der Verminderung aus die besonderen
Bedürfnisse der kulturell gefährdeten Landesteile, insbesondere des besetzten
Gebietes, angemessen Rücklicht zu nehmen ist.
Soweit aber die Schulverbände ihren jetzt beabsichtigten Abbau mit
dem Wegfall der Vorschriften in den §§ 43 und 44 des v. D. S. be
gründen, geht diese Absicht in Verkennung der finanziellen Mehrbelastung
weit über den Rahmen hinaus, der in Wirklichkeit zum Ausgleich nötig
ist. Unter Zugrundelegung der nur noch jetzt gültigen Vorschrift rm § 42
v. D. G. errechnen sich die Mehrstellen so, daß auf jede Schulstelle 60 Kinder
entfallen müssen. Für die hiernach sich ergebenden Mehrstellen wild eben
falls oas Viensteinkommen für die Sielleninhaber in voller höhe aus der
Landesschutkasse gezahlt. Nur bet den Leistungen zur randesschulkasse hat
der Schuloerband für jede Mehrstelle den Beitrag nicht für I, sondern
für 1,3 Schulstelleneinheit zu entrichten, weitere Mehrleistungen hat der
Schuloerband nicht aufzubringen, vielmehr ist mit der 0,3 Schulstellen,
einheit d;e ganze Mehrleistung für eine Mehrstelle abgegolten, will z. B.
ein Schutverband mit 30 Mehrstellen das Mehr der Beitragrleistungen
einsparen, so haben hierbei nicht, wie vielfach von den Schuloerbänden
Irrtümlich angenommen wird. 30 Schulstellen, sondern 30mal 0,3 Schul-
stelleneinheit (Mehrleistung für eine Mehrstelle) gleich 9 Schulstellenein,
heilen, also höchstens 9 Schulstellen auszufallen. Nach diesem Maßstabe
der Berechnung hätten die Schulverbände den Abbau an Schulstellen infolge
des Wegfalls der Vorschriften der 88 43 und 44 v. v. G. nach und nach
zu handhaben, ohne daß die Junglehrer(innen) davon hart betroffen
werden. gez. Cosack.
Aus Bayern.
Sum Schuladbaru
Die vereinigten Lehrer» und Lehrerinnenverbände Bayerns haben eine
Denkschrift über die Auswirkung der Personalabbaus auf Volksschule und
volksscyullehrer dem bayrischen Kultusministerium eingereicht. Den Aus»
führungen über das Verhältnis der Lehrer und Lehrerinnen konnten die
Lehrerinnenverdände nicht zustimmen. Der betreffende Abschnitt hat
folgenden Wortlaut:
„Infolge des Krieges hat sich die Übernahme von Schulamtsbewerbern
sehr zugunsten des weiblichen Geschlechts verschoben. Die Übersicht des
Ministeriums für Unterricht und Kulius über vorhandene Schulamtsbewerber
weift am 1. Juli 1923 aus:
Gesamtzahl 3739
davon 2266 männlich — 1475 weiblich.
Demnach hat sich das durchschnittliche Verhältnis der Vorkriegszeit
von 3:1 zugunsten der weiblichen Lehrkräfte auf das Verhältnis von 3:2
verschoben, wenn auch zugegeben werden muh, daß durch die Verheiratung
em gewisser Prozentsatz ausscheidet, so zeigt doch das tatsächliche gegen-
wältige Bild, insbesondere in München, daß hier ein unhaltbares Ver
hältnis sich zu einem Dauerzustand aufzuwachsen droht. Eine auf weibliche
und männliche Schulamtsbewerber pariiätisch ausgeteilte Ausscheidung, die
bei normalen Zuständen an sich durckaus gerechtfertigt erscheinen müßte
würde also nach den tatsächlich gegebenen Voraussetzungen ein Unrecht
gegen die männlichen Lehrkräfte, insbesondere gegen die Kriegsteilnehmer
bilden: daher unsere Bille:
Beim Abbau sind männliche und weibliche Anwärter hinsichtlich des
Ausscheiüungssatzes getrennt zu behandeln. Außerdem erscheint es als ein
?/bot der ausgleichenden Gerechtigkeit, daß die Zuruhesetzung auch bei den
kio,teruchen Lehrkräften nach den gleichen Gesichtspunkten wie für die
weltlichen Lehrkräfte vollzogen werden. Freiwerdende Stellen in K'oster-
fchulen sollen, soweit an klösterlichem Nachwuchs Mangel besteht, für die
Übergangszeit des Beamtenabbaur auch weltlichen Lehrerinnen zur ver»
Wendung freistehen."
1C9
„ uwuieuqenoe sreuungnayme teilten Sie Lehrermnenverbände 6«..
Kultusministerium in der folgenden Eingabe mit:
in der Eingabe namhaft gemachte Tatsache, daß sich das Ver
hältnis der Zahl der männlichen Schulamisbewerber zu der der weiblicke
, 3 ' 1 , QU f 3 : 2 verschoben hat, mag auf den ersten Blick als ei l Naa
teil für d,e männliche Lehrerschaft erscheinen. Doch werden bei dieser Au'
stellung Gesichtspunkte außer acht gelassen, die nicht im Bereiche ein.
rem zahlenmäßigen Beurteilung der Anst-llungsverhältnisse einer Kateoorn-
von Lehrper,onen liegen, deren Berücksichtigung aber für die weibliä"
Lehrkräfte überhaupt schwer ins Gewicht fällt.
® er in der Zeitschrift des Bayer. Stalist. Landesamtes Jabrq. 192'
enthaltene Bericht über das Schulwesen in Bayern nach dem Stände von.
1922 zeigt, daß die Frage der Verwendung weiblicher Lehrkräfte
sich ,ehr zuungunsten der letzteren gestaltet, sobald verschiedene Gesicht .
punkte, die die Frage berühren, gegenseitig in Beziehung gebracht werder.
Dem genannten Berichte entnehmen wir die Tatsachen:
_ Don 18193 ständigen Lehrkräften sind 12 800 männliche, also 71°/ •
5393 weibliche, a o 29 >/ n . 1 ' 1 /of
7Cn 2 - Don 2169 unständigen Lehrkräften sind 1419 männliche, also 65%:
750 weibliche, also 35%. ' /0r
052659 Schulkindern find 522 946 Knaben = 49.7%.
529 713 Mädchen = 50,3%. ' /c '
4. von 20999 Schulklassen sind reine Knabenklassen 4092 --- 19 5%
reine Mädchenklassen 4153 = 19,8%, gemischte Klassen 12 754 ---- 60,7%. °*
5. von den 5353 ständigen weiblichen Lehrkräften sind 1245 klöster
lich = 23%, von den 750 unständigen weiblichen Lehrkräften sind 237
klösterlich --31%
6. von den 2624 Schulamtsbewerbern sind 1509 männlich --- 57 5%
1115 weiblich --- 42 5%. ^ ' /0f
7. von den 1115 weiblichen Schulamlsbewerbern sind 140 klösterlich
Aus diesen Darlegungen ergibt sich:
während die Zahl der ständigen männlichen Lehrkräfte 2%™!, d:e
Zahl der unständigen nahezu doppelt so groß ist als die Zahl der weib
lichen. übersteigt die Zahl der zu unterrichtenden Mädchen die der Knaben
um 0.6%, die Zahl der Mädchenklassen die der Knaben um 0.3%. Aus
die gemischten Klassen fallen 8 / s der gesamten Klassenzahl, und sie befinden
sich zum weitaus größten Teile in den Händen der männlichen Lehrkräfte.
Diese Zahlen beweisen, daß auch in unseren bayerischen Schulen die
Unterweisung der Mädchen den weiblichen Lehrkräften noch nicht entfernt
in dem Maße übertragen ist, wie wir es im Interesse der Erziehung der
weiblichen Jugend erstreben müssen und wie es uns im Prinzip auch seitens
der Regierung wiederholt zugestanden worden ist. Hauptsächlich von diesem
Gesichtspunkte aus können wir die ungünstigen Anstellungsverhaitnifse der
Lehrerinnen vor dem Kriege nicht als „normalen Zustand" gelten lassen,
sondern müßten ein Zurückschrauben der Verwendung weiblicher Lehrkräfte
als für uns „unhaltbar" bezeichnen.
von einem „Unrecht gegen die männlichen Lehrkräfte" kann um so
weniger die Rede sein, als die angeführten Zahlen weiter dartun: auf die
klösterlichen Lehrkräfte entfallen 23% der Gesamtzahl der ständigen, 31%
der unständigen Lehrerinenstellen, ein Entgang, unter dem die männlichen
Lehrkräfte nicht zu leiden haben.
Ver Hinweis auf anscheinend besonders ungünstige Zahlen für die
männlichen Amtsanwärter in München dürfte außer acht lasten, daß diese
Verhältnisse außerordentlich rasch wechseln und das Bild innerhalb kurzer
Zeit ein verändertes sein kann.
Die Verdienste und Ansprüche der Kriegsteilnehmer vollauf zugestanden,
sei uns doch gestaltet, darauf hinzuwiesen, daß die weiblichen Amts»
anwärter während der Krieges zwar rasche Verwendung fanden, ihre Aus»
Hilfsposten aber unter erschwerten Umständen ausfüllen und nach dem
Kriege wieder verlassen mußten.
Aus all den angeführten Gründen sehen wir uns wiederholt zu der
Bitte veranlaßt:
„Es wolle beim Abbau das Verhältnis der Zahl der männlichen zu
den weiblichen Lehrkräften nicht zuungunsten der letzten verschoben und
besonders dem Prinzip der vorwiegenden Verwendung weiblicher Lehr»
Kräfte in Mädchenklassen Rechnung getragen werden."
Daß der Abbau bei den klösterlichen Kräften nach den gleichen Gesichls-
punkten wie bei den weltlichen vollzogen werde, hatten wir für eine
Selbstverständlichkeit. Em Vorteil wird sich für die Klosterlehrerin in vieler/
Fällen dadurch ergeben, daß die mit der Übernahme einer Schule ihnen
zugestandenen Klassen auf der ursprünglichen Zahl verbleiben und es ihnen
dadurch möglich ist, klösterliche Schulamtsbewerberinnen rascher zur An
stellung gelangen zu lassen, als dies unter den herrschenden Verhältnis n
weltlichen Bewerberinnen in Aussicht stellt. Auch die Besetzung Klöster
licher Lehrstellen, für welche Ordensfrauen nicht in genügender Anzal l
vorhanden sind, mit weftlichen Amtsanwärterinnen wird hierin nur einen
schwachen Ausgleich schaffen.
„ver B.yr. Lehrerinnenverein: gez. Helene Sumper, Vorsitzende.
Der verein Kath. dayr. Lehrerinnnn: gez. Maria Sturm, Vorsitzende."
Amtliches.
Aur Preußen.
Vorbereitungsdienst von Volksschullehrern, «eiche die wissenschaftliche
Prüfung für dar Lehramt an höheren rchulen bestanden haben.
U II 15699, 23 U II W, U III C, U III E 1. Berlin, den 12. März 1924.
Unter Aufhebung meiner Erlasse» vom 3. März 1919 — LI ll 2318