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Organ des Vereins katholischer deutscher Lehrerinnen
Mit monatlicher Beilage „vre Junge Lehrerin".
Nr. *8
Inhalt: IRIeineK, Frauenarbeit und Kultur 5. 125. Kapral, Der
Beamten, und Lehrerabbau in Österreich S. 127. weis, Der Leseunterricht
in der Arbeitsschule 5. 128. päd. Rundschau: Berufsberatung der Mädchen
5. 131. Schlesisches Lesebuch S. 132. Aus der Zeit: wirtschaftsbeihilfe.
Die rel.-päd. Tagung in Essen, amtliches: Aufrückungsstellen. Lehrgänge
für Leibesübungen. Rhein- u. Ruhrkinder. Rlopstocks Geburtstag. Einst
weil. Ruhestand. Schuloersäumnisse. Rus unserem verein: Sammlerinnen.
Wohnungsanmeldungen. Anträge. Karitaskasse. Gberschlesien. Bezirks-u.
Sweigvereine. Merktafel. Stellenvermittlung. Bücherbesprech.
Hrauenarbelt und Kultur.
von Elisabeth Mleinek, Berlin.
Es ist nicht bloß ein frommer Wunsch für die
Menschheit, sondern es ist die unerläßliche
Forderungihres Rechtesund ihrer Bestimmung,
daß sie so leicht, so frei, so gebietend über
die Natur, so echt menschlich auf der Erde
lebe, als es di« Natur nur immer verstattet.
Fichte.
I.
Im folgenden soll der versuch gemacht werden, den Zusammen
hängen zwischen Frauenarbeit und Kultur nachzugehen. Es ist nicht
möglich, dieses Riesengebiet auf beschränktem Raum erschöpfend zu
behandeln, wir können das Bild nur in großen Zügen zeichnen
und muffen die Behandlung von Einzelfragen hier ausschalten.
Was ist Kultur? Vas Fichtewort zeichnet sie als Macht über die
Natur. In dieser Erklärung ist noch der Urbegriff erhalten, der
auch noch der Bezeichnung von der Kultivierung des Bodens zugrunde
liegt, wir erkennen in diesem Zusammenhange aber auch Zweck
und Grenzen der Kultur: dem Menschen zu dienen, und zwar nicht
nur dem einzelnen, sondern einer Mehrheit, ja, von höchster Kultur
sprechen wir dort, wo sie nicht nur eine bestimmte Schicht, sondern
die Gesamtheit eines Volkes umfaßt, wie jeder wacht, die nicht
in Vergewaltigung ausarten will, sind auch der Kultur Grenzen
gezogen. Jede Übertreibung ist schädlich. Übertreibung der Kultur
führt zu Unkultur: zur Zivilisation oder zur Entartung. Sie dient
dann nicht mehr dem Menschen, sondern der Mensch wird ihr Sklave.
Er beherrscht die Dinge nicht mehr, sondern ist von ihnen abhängig
geworden.
Kultur erwächst aus dem Zusammenklang leiblicher und geistiger
Kräfte. Rohe Körperkraft allein vermag keine Kultur zu schaffen.
Denn der Gedanke ist das erste; er weckt den willen, der die Cat
vollbringt. So geht die Kultur aus der Arbeit hervor.
Arbeit im weitesten Sinne ist jeder schöpferische Gedanke, der
nicht als Eingebung dem Menschen geschenkt wird, sondern die Frucht
feiner Mühe ist. Arbeit ist gleich weit entfernt von Müßiggang und
Fron. Sie ist der Nerv des Lebens und Vorbedingung für jede
Kultur. Ohne sie ist keine Beherrschung der Natur denkbar; sie ist
der Wegbereiter für jeden Fortschritt.
Kultur kann niemals das Werk eines einzelnen sein, nicht einmal
das einer Generation, sondern Geschlecht um Geschlecht baut an ihr.
Jede wahre Kultur ist also Menschheitskultur. Cs gibt auch keine
rein männliche Kultur, denn nicht nur die schöpferische Gestaltung
(die den Frauen durchaus nicht abgeht, aber ihnen von vielen ab
gesprochen wird) ist entscheidend, sondern jedes Empfangen, Bewahren
Und weiterreichen hinterläßt Spuren, die dem Gewordenen neue prä
paderbsrn, J0. Mai *92^
gung geben, wäre die Frau nicht imstande, Kultur zu schaffen,
dann wäre sie auch nicht fähig, an ihr teilzunehmen. Die All
gemeinheit ist leicht geneigt, hervorragende Frauenleistungen als
etwas Außerordentliches, nahezu Abnormes hinzustellen, als die Aus
nahme, die die Regel der Minderwertigkeit bestätigt. Die gesamte
weibliche Leistung wird als unter dem Durchschnitt stehend und nicht
kulturfördernd angesehen.
Gewiß geht die Frau anders an die Dinge heran als der Mann.
Vas Gefühl ist bei ihr stärker ausgeprägt. Sie sieht meist das Nahe,
das Einzelne. Sie blickt nicht in die weite und stellt ihre Arbeit
nicht auf lange Sicht ein. Aber sie tut, was die Stunde fordert.
Oft handelt sie schon mit der Sicherheit, die wir an Blinden be
wundern, während der Mann noch schwankt, weil gar zuviel zu
überlegen ist. Ihr Gefühl leitet sie sicher. Sie kann zwar diese
Sicherheit verlieren, wenn sie sich bewußt wird, daß sie anders vor
geht als der Mann, aber nur so lange, bis sie erkennt, daß sie
auch auf ihrem Wege zum Ziel kommt.
II.
Die Frage, ob die Frau an der bestehenden Kultur mitgeschaffen
habe, beantworten einerseits die Geschichte, andererseits die heutigen
Verhältnisse der Naturvölker, die in ihren verschiedenen Kulturstufen
mehrere Entwicklungsstufen nebeneinander aufweisen, und die Über
einstimmung beider ist der beste Beweis dafür, daß die beobachteten
Tatsachen richtig gedeutet sind. Da aber auch dieses Gebiet so
unendlich viel Stoff umfaßt, will ich mich auf die Wiedergabe einiger
Ouellen beschränken und es den einzelnen überlassen, sich aus den
Teilen ein Ganzes zu schaffen. Die Tatsache, daß die weitaus meisten
Berichte von Forschern, von Männern stammen, gibt die Sicherheit,
daß sie nicht zugunsten der Frauen gefärbt sind.
Bücher schreibt in seiner „Entstehung der Volkswirtschaft" (Tü
bingen 1913, S. 30 f.). „Bei allen Völkern auf niederer Kultur-
stufe ist die Verteilung der Arbeit auf beide Geschlechter durch die
Sitte fest geregelt, wobei keineswegs die verschiedene natürliche Ver
anlagung allein maßgebend gewesen sein kann, wenigstens läßt
sich nicht behaupten, daß dem schwächeren Geschlechte überall der
leichtere Teil der Arbeit zugefallen wäre. Während in der normalen
Einzelwirtschaft der Kulturvölker sozusagen ein (Querschnitt gezogen
ist, der dem Manne die produktive Arbeit, der Frau die Regelung
der Konsumtion zuweist, erscheint die wirtschaft der Naturvölker wie
durch einen Längsschnitt gespalten. Jedes Geschlecht beteiligt sich an
der Produktion, und oft hat es auch ein besonderes Gebiet der
Konsumtion für sich. Bezeichnend ist dabei, daß dem Weibe durchweg
die Gewinnung und Zubereitung der pflanzlichen Nahrungsmittel
und zumeist auch der Hüttenbau obliegt, während dem Manne die
Jagd und die Verarbeitung der durch sie gewonnenen tierischen Stoffe
zukommt, wird Viehzucht getrieben, so ist das hüten der Tiere,
die Errichtung der Zäune für sie, das Melken usw. Sache der
Männer. Diese Scheidung ist oft so scharf, daß man fast von einer
Spaltung der Familienwirtschaft in eine besondere Männerwirtschaft
und in eine besondere Frauenwirtschaft reden könnte.
In einer intereffanten Ausführung über die Nutzpflanzen der
brasilianischen Schingustämme („Unter den Naturvölkern Zentral-
Brasiliens" S. 206 ff.) drückt K. von den Steinen das Ergebnis der
57. Jahrgang