Full text: Wochenschrift für katholische Lehrerinnen - 37.1924 (37)

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.Schatzkammer" und den der Stufe und Drtslage entsprechenden 
'Vaterlandsband. Die 2. Fibel ist ungeteilt nur durch die jeweilige 
Landschaft bestimmt und für verschiedene Zwecke bereits genehmigt 
und eingeführt. Der Gebrauch der nebeneinander stehenden Lese 
bücher ist zwanglos, wie es der Unterricht erfordert: Ls mögen 
schwierige Schulverhältnisse sein, etwa in der Diaspora oder in ver 
einzelten Landschulen, in denen zeitweise eines von beiden Büchern 
genügen mutz und genügen kann, insgesamt sollte durch die Lehrer 
schaft der gleichzeitige Gebrauch beider Bücher angestrebt werden, 
weil sie als gegenseitige Ergänzung gedacht und abgewogen sind, 
Und erst im Zusammenwirken den vollen Klang bringen, den wir 
von dem neuen Lesewerk für das Kind erhoffen. 
Schon die Tatsache, daß die Gberstufenbände vier Schuljahre 
Umfassen, verweist darauf, daß in dem Lesewerk eine gewisie Mindest, 
sorderung für alle Schulen niedergelegt ist. Für günstig gestellte 
und reich gegliederte Schulen kann und soll es nicht genügen. Ihnen 
4-ildet es die Grundlage, von der aus der U)eg zum Ganzbuch führt. 
Gerade im Lesebuch finden sich eine Reihe Kapitel, die naturnot- 
rvrndig auf das Eanzbuch verweisen und zu ihm führen müssen. 
Z. B. das Märchenland und der Gesang aus dem Nibelungenlied. 
Das Ganzbuch kann und soll das Lesebuch nicht ersetzen, aber seine 
letzte und notwendige Ergänzung sein. L§ bietet Gelegenheit^ durch 
geschickte Nuswahl der jeweiligen Schule (Stadt- oder Landschule, 
Mädchen- oder Knabenschule) das charakteristische Gepräge zu geben, 
das sie durch den allgemeineren Charakter des Lesebuches nicht 
Immer restlos erhalten kann. 
Die große Bedeutung, die unser katholisches Lesewerk für die 
Katholische Jugend und den katholischen volksteil des deutschen 
Vaterlandes hat, sowie die Tatsache, daß es in seiner Gesamtheit 
eigenste Arbeit eines Vereinslebens ist, dessen Träger wir selbst sind, 
ergibt unsere 
Verpflichtungen gegenüber dem neuen Lesewerk. 
Ls ist kaum zu befürchten, daß sich sein zukünftiger weg 
schwieriger gestalten wird, als der vergangene war. Ls liegen bereits 
/ heute ausgezeichnete Beurteilungen von namhaften Persönlichkeiten 
Und von hohen und höchsten Stellen vor und aus allen Teilen des 
^Vaterlandes mehrt sich die Gefolgschaft für unser Werk. Immerhin 
wird gegenüber manchen Bezirken, Behörden und Gemeinden noch 
eine starke und zielbewußte werüekraft erforderlich sein. Diese 
auszuüben ist unerläßliche Pflicht aller unserer Mitglieder bis ins 
letzte Dorf hinaus. Das neue Lesewerk zu schaffen, war Aufgabe 
der Kommission, das Lesewerk in die katholische Jugend und ins 
katholische Volk hineinzutragen, muß Aufgabe unserer Gesamtheit 
fein. Ls ist der Anteil, den jeder an dem Werke nimmt. 
Lin zweiter Anteil besteht in der Kritik, die wir für das Werk 
erwarten. Je ernster und je eingehender sie sich gestaltet, um so 
förderlicher wird sie dem Werke sein, das sich in keiner Weise als 
endgültig abgeschlossen betrachtet, sondern immer ein werdendes in 
feiner Vervollkommnung bleiben will. Zu diesem Aufbau kann ihm 
aber nur eine positive Kritik dienlich sein, die nicht nur tadelt, 
sondern auch das Bessermachen lehrt, die höher führt und nicht das 
Seldstgsschaffene' bedacht- und planlos niederreißt. So mag der 
Klang, der in das neue Lesewerk hineingelegt wurde, in der katho 
lischen Lehrerschaft, in der katholischen Jugend und im katholischen 
Volke sein Echo finden. 
fc 
Zur Vorbereitung auf die Nlopstockseier. 
von Julie Stiller. 
Am 2. Juli kehrt der Geburtstag Klopstocks zum 200. Male 
wieder, und dieser Tag soll in allen Schulen festlich begangen werden. 
Ls ist aber nicht leicht, Volksschulkinder den weg zu diesem Dichter 
zu weisen, schrieb doch schon Lessing: 
„wer wird nicht einen Klopstock loben? 
Doch wird ihn jeder lesen? Nein." 
Wir müssen diese Feier nun so einrichten, daß sie die Erfüllung des 
Wunsches ist: 
„wir wollen weniger erhoben 
und fleißiger gelesen sein." 
!)azu gehört aber eine Vorbereitung auf lange Sicht, wollte man 
erst am Tage der Feier in einem Vortrag die Persönlichkeit und 
die Bedeutung Klopstocks darlegen, einige seiner Dden vortragen 
lassen, so bliebe ein tieferes Verständnis aus. Darum muß in den 
Wochen vorher jede Gelegenheit benützt werden, die zu seinen Dich, 
tungen führen kann. 
Line Einführung in Klopstocks Dichtung ist natürlich nur auf 
der Oberstufe möglich. Ihr Erfolg wird um so größer sein, als 
es gelingt, die Kinder in den Gedankenkreis des Dichters sich ein- 
leben zu lasten und je selbsttätiger sie dabei verfahren. 
Aber gerade das Verständnis für Klopstocks Sprache und der 
Genuß an seinen Dichtungen werden vom helfenden Wort abhängig 
sein, nicht zum wenigsten aber auch von einer zweckmäßigen Aus- 
wähl des Stoffes. Um den Geist des Ganzen zu erfasten, ist es 
auch erlaubt, Kürzungen vorzunehmen. Manche Dde bietet in ein- 
zelnen Teilen im Satzbau und Inhalt den Volksschülerinnen solche 
Schwierigkeiten, daß ihre eingehende Behandlung die Freude daran 
empfindlich stören würde und somit der eigentliche Zweck der Arbeit 
verfehlt wäre. Ich halte es darum für angängig, Teile auszu 
lasten, auch wenn die Auswahl nicht in rein literarifch-künstlerischen 
Erwägungen begründet ist. 
In methodischer Einsicht ist folgender Gang der Vorbereitung 
möglich. Die Lehrerin gibt als besondere Aufgabe der nächsten 
Wochen an, die Feier von Klopstocks 200. Geburtstag durch Kennen 
lernen einiger seiner Werke im Laufe des Unterrichts vorzubereiten. 
Dabei wird die Bedeutung Klopstocks in großen Zügen gezeichnet - 
der fromme Sänger, der deutsche Mann, der Meister der Sprache - 
und in Aussicht gestellt, daß die Schülerinnen selbst das Programm 
der Feier zusammenstellen dürfen. 
Der Leseunterricht wird naturgemäß den Hauptanteil an der vor- 
bereitung haben, aber auch in den anderen Fächern wird Gelegen« 
heit gesucht oder geschaffen, um einzelne seiner Dden vorzulesen. 
Da der Satzbau den Schülerinnen manche Schwierigkeiten bieten 
wird, empfiehlt es sich, durch den vorausgehenden Unterricht die 
sachlichen Grundlagen zu klären, damit die Aufmerksamkeit durch 
sie nicht zu sehr in Anspruch genommen und die Stimmung — aus 
der heraus die Dichtung am besten verstanden wird — nicht zer« 
stört wird. 
Die Auswahl der Dden mutz sich nach den verhältnisten der 
Klaffe richten. Besonders schwierig ist die Auswahl der Teile aus 
dem Messias, die gelesen werden sollen. Als zu schwer müsten alle 
jene angesehen werden, welche das Übersinnliche darzustellen ver. 
suchen. Am leichtesten verständlich sind die, welche den Evangelien, 
bericht enthalten. Aber auch sie werden nicht den meisten Anklang 
finden, denn eine Wiederholung des biblischen Berichts, wenn auch 
mit psychologischer Vertiefung, wird nicht so leicht in ihrem dichte, 
rischen wert erfaßt werden. So bleiben denn jene, welche dichte- 
rische Erfindung wie Blumen die steile Mauer des Evangelien- 
textes umranken lasten, z. B. die Freundschaft zwischen Jesus und 
Johannes, die Klage des Petrus nach der Verleugnung, die Ge 
spräche zwischen Lazarus und Maria, die Liebe zwischen Semida 
und Tidli, vor allem aber die Gestalt der Portia, der Gattin des 
Pilatus. 
Da der Messias nicht allen zugänglich ist und zum bequemeren 
Gebrauch folgt hier der Wortlaut der Szenen, mit portia (mit 
einigen Kürzungen und zu einem einheitlichen Ganzen zusammengestellt). 
Je nach den Umständen kann man sie ganz oder teilweise lesen lasten. 
Aus dem VI. Gesänge: 
„Dort, an ein Marmorgeländer gebückt, stand unter den Frauen 
portia, jugendlich schön, das Weib Pilatus', des Römers . . . 
hingerissen von der Begier, den großen Propheten 
Endlich zu sehn, war, nur von wenigen Sklaven begleitet, 
portia eilend gekommen. Sie hatte diesmal die würde 
Liner herrschenden Römerin, jeden Zweifel der Hoheit 
Leicht vergessen: es leitete sie des Ewigen Vorsicht. 
Und sie stand und sah ihn, der Tote weckte, des Priesters 
Mutigen haß noch mutiger trug und entschlosten genug voaX, 
Unter einem so niedrigen Volk unerkannt, unbewundert 
Groß zu handeln. Sie sah den erhabenen Mann mit Bewunderung. 
heiß von Erwartung und froh, daß er so ruhig vor seinen 
Hassern und dem gezückten Schwerte des Todesurteils 
Dastand . . .*
	        
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