Full text: Wochenschrift für katholische Lehrerinnen - 37.1924 (37)

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Hatte mir schon für dich mit mächtiger Stimme gesprochen. 
Aber er endete fürchterlich, und ich verstand ihn zuletzt nicht. 
Da erwacht' ich und fand mich in kalten Schweißen. Ich eilte 
Gleich, den erhab'nen verklagten zu sehen. Da hatten die Götter 
Mir des verklagten Mutter gesandt!" Hier schwieg sie und winkte 
Einer Sklavin, die ferne von ihr in der Tiefe des Ganges stand 
(Venn sie gab den Befehl, als sie aus ihren Gemächern 
Eilt', eine Sklavin sollte sie nur in der Ferne begleiten); 
Düse nahete jetzt und empfing die neuen Befehle: 
„Geh' zu Pilatus und sag' ihm: Er ist ein großer, gerechter, 
Göttlicher Mann, den du richtest! verdamme du nicht den Gerechten! 
Um des Göttlichen willen, Pilatus, hat ein Gesicht mich 
Heut im Schlaf geschreckt; — So stille denn, liebende Mutter, 
Deine Schmerzen und komm, daß ich unter die Blumen dich führe 
Dort in die Morgensonne, bannt wir die Menge nicht hören, 
Und ich dir sage, was mich die ernste Stunde gelehrt hat." 
portia sprach's, und sie stiegen hinab. Die edlere Heidin 
Sieht mit ernstem Angesicht nieder. Noch schweigt sie, voll wunderns 
Uber den Traum und vertieft in neue Gedanken . . . 
Sie hub sich empor und schaute mit Wehmut 
Auf die Mutter und sprach: „Lr soll nicht sterben!" M. „Das wird er! 
Ach, schon lang' hat mir der Nummer mein Leben belastet; 
Denn er sagt es, portia, selbst! was mir und den Frommen, 
Die ihm folgen, vor allem Geheimnisvollen am schwersten 
Und unerforschlichsten ist: er hat zu sterben beschlossen! 
Ach. nun reißt sie von neuem mir auf, die wund' in der Seele! 
Deine Gespräche von Gott bedeckten sie leise; nun reißt sie 
Wieder auf und blutet, die tiefe Wunde! Dich segne 
Gott, ja, Abrahams Gott, er segne dich! Aber, o wende 
Dies dein weinendes Auge von mir! Es tröstet umsonst mich! 
Denn er beschloß zu sterben und stirbt!" Die Stimme verließ sie. 
Lange standen sie beide mrt weggewendetem Antlitz. 
Endlich, wie ein Sterbender sich noch einmal zum Freunde 
Kehrt, sprach portia noch: „CD teuerste du der Mütter! 
Mutter, ich geh' und weine mit dir bei dem Grabe des Toten!" 
Umrahmt wird dis Dichtung von den bekannten Eingangsversen 
des Messias aus der Gds „Kn den Erlöser," von dieser etwa 
folgende Strophen: 
Ich hofft' es zu dir, und ich habe gesungen, 
Versöhner Gottes, des Neuen Lundes Gesang! 
Durchlaufen bin ich die furchtbare Laufbahn, 
Und du hast mir mein Straucheln vcrziehn! 
Beginn den ersten Harfenlaut, 
Heißer, geflügelter, ewiger Dank! 
Beginne, beginn, mir strömet das Herz, 
Und ich weine vor Wonne! 
Belohnt bin ich, belohnt! Ich habe gesehn 
Die Träne des Christen rinnen 
Und darf hinaus in die Zukunft 
Nach der himmlischen Träne bl cken. 
Ich bin an dem Ziel, an dem Ziel und fühle, wo ich bin, 
Es in der ganzen Seele beben. So wird es (ich rede 
Menschlich von göttlichen Dingen) uns einst, ihr Brüder des, 
Der da starb und erstand, bei der Ankunft im Himmel sein. 
3u diesem Ziel hinauf hast du 
Mein Herr und mein Gott, 
Bei mehr als einem Grabe mich 
Mit mächtigem Arme vorübergeführt. 
Genesung gabst du mir, gabst Mut und Entschluß 
In Gefahren des nahen Todes! 
Sie flohen davon, und ich habe gesungen, 
Versöhner Gottes, des Neuen Bundes Gesang! 
Durchlaufen bin ich die furchtbare Laufbahn! 
Ich hofft' es zu dir! 
Von den Oden kommen außer dieser noch in Betracht etwa: 
Psalm (Um Erden wandeln Monde . . .). 
Auferstehung (Auferstehn, ja auferftehn wirst du . . .). 
Die Frühlingsfeier. 
Die frühen Gräber (willkommen, o silberner Mond . . .). 
Vaterlandslied (Ich bin ein deutsches Mädchen . . .). 
Aus „Mein Vaterland" die zwei vorletzten Strophen und dis 
Schlußworte: 
„Nie war gegen das Ausland 
Ein anderes Land gerecht wie du! 
Sei nicht allzu gerecht! Sie denken nicht edel genug, 
Zu sehen, wie schön dein Fehler ist. 
Einfältiger Sitte bist du und weise, 
Bist ernstes, tieferes Geistes. Kraft ist dein Wort, 
Entscheidung dein Schwert. Doch wandelst du gerne es in dis 
Sichel und triefst — 
Wohl dir! — von dem Blute nicht der anderen Welten. 
Ich schweige und sinne dem edlen, schreckenden Gedanken nach, 
Deiner wert zu sein, mein Vaterland!" 
Auch einige Strophen aus „Hermann", vielleicht das Klagelied 
der Barden (die ersten Strophen), wertvoller aber sind folgende Verse: 
„In Hermanns heißer Seele war 
Lang ein größerer Gedanke; 
Um Mitternacht bei dem Opfer Thors und dem Kriegsgefang, 
Lüdet er sich in ihr und schwang sich entgegen der Tat. 
Der Sturmbesieger erzählt: 
In dem Ozeane des fernen Meers ist ein Eilandsberg, 
Der flammenverkündenden Dampf, als wälz' er Wolken, wälzt, 
Denn strömet die hohen Flammen und meilenlang krachende 
Felsen wirst. 
So verkündete Hermann durch seine Schlacht, 
Entschlossen, zu gehn 
Uber die schützenden Lisgebirge, .zu gehn 
Hinab in die Ebenen Noms. 
Zu sterben da, oder im stolzen Kapitol, 
Dicht an der Wagschal Jupiters, 
Zu fragen Tiberius und seiner Väter Schatten 
Um ihrer Kriege Gerechtigkeit! 
Das zu tun, wollt er tragen Feldherrnschwert 
Unter den Fürsten; da zückten sie den Tod auf ihn! 
Und im Blute liegt nun der, in deffen Seele war 
. Der große Vaterlandsgedanke! 
In Walhalla wird Siegmar unter der goldenen Aste Schimmer, 
Siegeslaub in der Hand, seinen Hermann empfangen." 
Es wird sich im taufe der nächsten Wochen genügend in vielen 
Fächern Gelegenheit bieten, das Lesen der Oden anzuknüpfen. Lei 
der Frühlingsfeier kann man den ersten Teil entweder in der biblischen 
Geschichte den Schöpfungsbericht als Ausgangspunkt wählen, oder 
in der Erdkunde die Behandlung des Sonnensystems. Den zweiten 
Teil lese man vor, wenn an schwülem Tage ein Gewitter die 
Gemüter im Bann hält, er wird dann keiner langen Erklärungen 
bedürfen. Die Verse 21—44 kann man dabei wegloffen und be 
ginnen mit der schönen Strophe: „Mit tiefer Ehrfurcht schau' ich die 
Schöpfung an, denn du, Namenloser, du schufest sie." Sind erst die 
einzelnen Telle ersaßt, so kann man sie leichter zum Ganzen zu 
sammenfügen, als wenn dis Fülle der Gedanken der ganzen Gde 
auf einmal dargeboten würde. 
Sollen die Schülerinnen nach dem, was sie nun von KlopstoL 
kennen, den Stoff für die Feier zusammentragen, so werden sie 
sicher Neligion und Deutschtum als Leitgedanken aufstellen und 
auch diesem Gedankenkreise entsprechende Lieder zur Belebung der 
Feier auswählen. 
Bei der Lebensgeschichte Klopstocks (ob diese nun gelegentlich 
oder in einer Nede bei der Feier behandelt wird) sollten wir von 
vornherein von Lückenlosigkeit absehen. Sein werden nn einzelnen 
ist hier — bei der ersten Einführung — weniger wichtig, als leine 
Stellung zu den Zeitoerhältniffen überhaupt. 
Zweifach ist er Bahnbrecher: tn religiöser Hinsicht gegenüber 
der Aufklärung und in dichterischer im Gegensatz zu Gottscheds und 
seiner Anhänger nüchterner, handwerksmäßiger Dichtkunst. Seine
	        
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