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sprachgestaltende Kraft erheischt eine besondere Würdigung. Man
kann auf die besonderen Feinheiten aufmerksam machen, ohne fürchten
zu müssen, die Freude am Dichtwerk herabzusetzen; im Gegenteil:
sie wird dadurch erhöht. Da ist z. B. im ersten Teile der Frühlings-
fcter das wundervolle Bild vom Tropfen am Timer, aber nicht zu
verstehen ohne die Kenntnis des alten Ziehbrunnens, des Eimers,
der aus der dunklen, geheimnisvollen Brunnentiefe das geschöpfte
Wasser herausbringt; gefüllt ist er bis zum Rand, und Tropfen
rinnen an ihm herunter. So ist die Erde nur ein Tropfen am
Timer, ein kleiner, unbedeutender Tropfen gegenüber der gesamten
Schöpfung, welch seines und doch sinnfälliges Bilb für den Begriff
der weltschöpfung. Und welch köstliche Umschreibungen weiß er
zu finden, wenn er z. B. die Engel „Jubelchöre der Söhne des
Lichtes" nennt.
Diese Zusammenstellung des Stoffes will nicht eine schematische
Feier für alle Verhältnisse empfehlen, sondern nur Winke geben,
wie sie gestaltet werden kann, und den Stoff zur Nuswahl dar
bieten. Und nun auf, ans Werk!
Zur Masjenunieröringung
erholungsbedürftiger 5chuMnöer.
von Margarete Miesges.
Der unglückselige Weltkrieg und die in mancher Einsicht noch
traurigere Nachkriegszeit haben einem großen Teile der deutschen
Kinder so schwere Schäden zugefügt, daß es schon seit Jahren das
Bestreben aller einsichtigen voikspoliiiker, ja aller Menschenfreunde
des In- und Nuslandes ist, von dem jungen Nachwuchs zu retten, was
noch zu retten ist. Kinder- und Schulspeisungen wurden ins Leben
gerufen, und die unterernährten Kinder machten heißhungrigen
Gebrauch davon. Doch es waren „Tropfen auf heiße Steine";
Tuberkulose, Bleichsucht, Nachitis, Verkrüppelungen nahmen immer
mehr zu. Ts mußten durchschlagende Mittel angewandt werden.
Warmherzige Kinder- und volksfreunde suchten Erholungsstätten
auf, wo namentlich die Kinder der Groß- und Industriestädte, im
verflossenen Jahre aber vor allem die Rhein- und Nuhrkinder auf
Monate hin untergebracht wurden. Ruch das Nusland, besonders
das nahe Holland, nahm Tausende erholungsbedürftiger deutscher
Kinder auf. Und es kann nicht geleugnet werden, daß in gesund
heitlicher Hinsicht in den allermeisten Fällen gute Resultate erzielt
wurden. Oie Folge davon war bas immermehr wachsende Bestreben
nicht nur der Groß-, sondern durch der mittleren, ja sogar der
Klein- und Landstädte, ihre Kinder massenweise „hinauszuschicken".
Die Nachfrage nach Pflegestellen überstieg bald das Nngebot, und
es konnte nicht ausbleiben, daß bei diesem karitativen werke sich
nach und nach schlimme Nuswüchse zeigten. Die Nuslese der Kinder
owohl als auch namentlich der pstegestellen und -bezirke wurden
liefst mehr nach den notwendigen Regeln getätigt, Beaufsichtigung
und Beschulung waren teils mangelhaft, oder sie fehlten überhaupt,
ois religiöse Betreuung war in vielen Fällen ganz ausgeschlossen.
Die Schäden der „Massenverschleppung" zeigten sich bei den Kindern
z. m Teil in erschreckendem Maße: sittliche Verwahrlosung und
. ; iglöfe Vernachlässigung waren feie schlimmsten Folgeerscheinungen.
’'r he und Schule und nicht zuletzt die Eltern erhoben ihre warnende
Stimme. Der auf hoher warte stehende Deutsche Karitasverband
7i rächte sich im letzten Jahre die Mühe, bei den Nbgabestellen sowohl
a s auch bei den Nufnahmestellen Nachfragen zu halten über den
Katzen und Schaden, den die Erholung den Kindern gebracht habe.
)änderte von Nntwortbriefen liefen bei der Zentrale in Freiburg i. B.
ein und zwar sowohl von katholischer als auch von evangelischer
Seile. Und das Ergebnis! Nicht einmal war man allgemein über
zeugt von einem gesundheitlichen Nutzen, aber einig waren alle bis
auf einen darin, daß die geistigen und seelischen Schäden den
körperlichen Vorteil bei weitem überstiegen. Oer Deutsche Karitas-
verband sah sich daraufhin veranlaßt, auf feiner Tagung in Bad
Nauheim im März d. J. einen besonderen Nachmittag (12. März)
der Besprechung der Kinderunterbringung von Rhein und Ruhr im
Jahre 1923 zu widmen. Das Ergebnis der sehr ausgiebigen Nus-
sprache — es waren über 60 Vertreter aus allen Teilen des
Deutschen Reiches zugegen, darunter sechs Bischöfe und Weihbischöfe —
(unser Verein hatte in Nnbetracht der sehr wichtigen Sache eine
besondere Einladung erhalten und wurde durch die Vorsitzende de?
Nusschufles für Jugendfürsorge vertreten) war dieses: In Nnbetracht
der gerade in diesem Jahre herrschenden Arbeitslosigkeit und der
überaus großen wirtschaftlichen Notlage, namentlich der besetzten
Gebiete, kann man auf weitere Unterbringung der Kinder nicht
verzichten. Es muß aber, soll nicht wie vielfach bisher der sittliche
und religiöse Nachteil größer sein als der gesundheitliche Nutzen,
weit mehr Sorgfalt gelegt werden auf die Nuswahl der wegzu-
schickenden Kinder einerseits und aus die Nuswahl der Pflegestellen
und -gegenden anderseits. Dazu müssen Beschulung, Beaufsichtigung
und konfessionelle religiöse Betreuung durchaus sichergestellt
sein, was den letzteren Punkt angeht, so ist es gerade im letzten
Jahre vorgekommen, daß katholische Kinder, die in protestantischen
Gegenden zur Erholung untergebracht waren, in den evangelischen
Gottesdienst, ja sogar zum Nbendmahl mitgenommen wurden. Nndere
blieben wachen-, ja monatelang ohne jeden Religionsunterricht und
Gottesdienst. — Es wurden nach den Ergebnissen der Referate und
der Nussprache (die unten folgenden) Richtlinien aufgestellt, nach
denen in Zukunft die erholungsbedürftigen Kinder untergebracht
werden sollen. Kirche und Schule und auch die Presse sollen ihr
möglichstes tun, daß nach diesen Richtlinien gehandelt werde. —
Der Karitasverband machte des weiteren die Mitteilung, daß er
gerne dazu bereit fei, in den einzelnen Diözesen große Tfuanten von
Lebensmitteln für Kinderspeisungen im Heimatorte zur Verfügung
zu stellen, um so zur Verringerung der Zahl der „Erbolungskinder"
beizutragen, wo aber zur Gesundung unbedingt Luftveränderung
oder Kuren notwendig seien, möge man sich an die Karitasheime
wenden, deren es 150 gebe. (Die Zentrale des Deutschen Karitas.
Verbandes in Freiburg i. B., sowie jeder Viözesan-Karitasverband,
ja auch die Karitas-Nusschüsse der einzelnen Städte und Gemeinden
geben oder vermitteln gern jede Nuskunst.) Der Deutsche Karitas,
verband machte auf der genannten Tagung ferner den Vorschlag,
die wirklich erholungsbedürftigen Kinder möglichst innerhalb ihrer
Diözese unterzubringen, und er traten die einzelnen Vertreter nach
der offiziellen Tagung sofort zur entsprechenden Beratung zusammen.
— wir katholischen Lehrerinnen, die wir vielfach in der eigenen
Klafle die Schäden der Mafsenentfendung der Kinder verspürt haben,
begrüßen gewiß von Herzen das tatkräftige Einschreiten des Deutschen
Karitasverbandes und sind demzufolge auch gerne bereit, durch Nuf.
Klärungen die Eltern davor zu warnen, bzw. abzuhalten, ihre Kinder
außer in den allerdringendsten Fällen in fremde Hände zu geben.
Im übrigen wollen wir aber auch nicht verfehlen, die örtliche
Erholungsfürforge durch entsprechende Maßnahmen, wie Ernährungs.
beihilfen, Nusbau der Waldheime, Wanderungen usw. fördern zu
Helsen.
Wo aber Kinder doch nach außerhalb entsandt werden, beachte man die
Uichtlinien zur Klnderunterdnngung.
Ausgestellt vom Zentralrat des Deutschen Karitasverbandes im März 1924.
A.
I. Bet der Unterbringung der Kinder auf dem Lande haben sich im
letzten Jahre Mißstände und religiös-sittliche Gefahren gezeigt. Die nnmmer«
mäßige Mafsenuntsrbringung, bei der po'itixch« Kücksicktnahme vielfach
ausschlaggebend war und die Bedingungen der Konfesüonsaleichheit nichh t
erfüllt wurden, ist an anderer Siebe schon eine Kinder Verschleppung genannt
worden. Dazu hat die trotz bester Absicht ursächliche Konkurrenz bei
Kindernnterbringung eine Psychose weiter Llternkreise zur Folge gehabt
und die Bereitwilligkeit zur Aufnahme bei pflegefamilien auf dem Lande
stark herabgedrückt. All« diese Mißstände tragen dazu bet, das Vercnit»
wortungsbewußtsein der Titern zu verringern und die Kinder aus der
Familie zu entwurzeln. Sie veranlassen den Sentra'rat des Karitasverbandes»
vor der Art dieser Massenunterbringung aus das eindringlichste zu warnen.
II. Die augenblickliche wirtschaftliche Not, die Geldknappheit und die
Arbeitslosigkeit machen es allerdings vielen Familien unmöglich, ihren
kranken und erholungsbedürftigen Kindern selbst die nötige Lrdolung und
pflege zu gewähren, zu der sie an erster Stelle berufen sind. Eine fremde
Erholungshilfe ist notwendig geworden. Der Karitasverband will sich dieser s
Erkenntnis nicht entziehen; er hält die Kinderuntsrbrinaung auf dem Lande
und in Heimen heute für eine notwendige Form der Kindererholungs»
fürsorge und Seelsorge. ^ .
III. Er bittet deshalb auf das wärmste und dringlichste die katholflchest
ländlichen wie auch kleinstädtischen Bevölkerungskreise, im Namen der
katholischen Liebe und Seelsorge ausreichende Pflegestellen zur Verfügung
zu stellen.
B.
I. Eine Unterbringung von Kindern kann aber vom katholischest
Standpunkt nur dann durchgeführt werden, wenn folgende, vom Karitas
verband seit Jahren gefordert- Voraussetzungen erfüllt sindr