Full text: Wochenschrift für katholische Lehrerinnen - 37.1924 (37)

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sprachgestaltende Kraft erheischt eine besondere Würdigung. Man 
kann auf die besonderen Feinheiten aufmerksam machen, ohne fürchten 
zu müssen, die Freude am Dichtwerk herabzusetzen; im Gegenteil: 
sie wird dadurch erhöht. Da ist z. B. im ersten Teile der Frühlings- 
fcter das wundervolle Bild vom Tropfen am Timer, aber nicht zu 
verstehen ohne die Kenntnis des alten Ziehbrunnens, des Eimers, 
der aus der dunklen, geheimnisvollen Brunnentiefe das geschöpfte 
Wasser herausbringt; gefüllt ist er bis zum Rand, und Tropfen 
rinnen an ihm herunter. So ist die Erde nur ein Tropfen am 
Timer, ein kleiner, unbedeutender Tropfen gegenüber der gesamten 
Schöpfung, welch seines und doch sinnfälliges Bilb für den Begriff 
der weltschöpfung. Und welch köstliche Umschreibungen weiß er 
zu finden, wenn er z. B. die Engel „Jubelchöre der Söhne des 
Lichtes" nennt. 
Diese Zusammenstellung des Stoffes will nicht eine schematische 
Feier für alle Verhältnisse empfehlen, sondern nur Winke geben, 
wie sie gestaltet werden kann, und den Stoff zur Nuswahl dar 
bieten. Und nun auf, ans Werk! 
Zur Masjenunieröringung 
erholungsbedürftiger 5chuMnöer. 
von Margarete Miesges. 
Der unglückselige Weltkrieg und die in mancher Einsicht noch 
traurigere Nachkriegszeit haben einem großen Teile der deutschen 
Kinder so schwere Schäden zugefügt, daß es schon seit Jahren das 
Bestreben aller einsichtigen voikspoliiiker, ja aller Menschenfreunde 
des In- und Nuslandes ist, von dem jungen Nachwuchs zu retten, was 
noch zu retten ist. Kinder- und Schulspeisungen wurden ins Leben 
gerufen, und die unterernährten Kinder machten heißhungrigen 
Gebrauch davon. Doch es waren „Tropfen auf heiße Steine"; 
Tuberkulose, Bleichsucht, Nachitis, Verkrüppelungen nahmen immer 
mehr zu. Ts mußten durchschlagende Mittel angewandt werden. 
Warmherzige Kinder- und volksfreunde suchten Erholungsstätten 
auf, wo namentlich die Kinder der Groß- und Industriestädte, im 
verflossenen Jahre aber vor allem die Rhein- und Nuhrkinder auf 
Monate hin untergebracht wurden. Ruch das Nusland, besonders 
das nahe Holland, nahm Tausende erholungsbedürftiger deutscher 
Kinder auf. Und es kann nicht geleugnet werden, daß in gesund 
heitlicher Hinsicht in den allermeisten Fällen gute Resultate erzielt 
wurden. Oie Folge davon war bas immermehr wachsende Bestreben 
nicht nur der Groß-, sondern durch der mittleren, ja sogar der 
Klein- und Landstädte, ihre Kinder massenweise „hinauszuschicken". 
Die Nachfrage nach Pflegestellen überstieg bald das Nngebot, und 
es konnte nicht ausbleiben, daß bei diesem karitativen werke sich 
nach und nach schlimme Nuswüchse zeigten. Die Nuslese der Kinder 
owohl als auch namentlich der pstegestellen und -bezirke wurden 
liefst mehr nach den notwendigen Regeln getätigt, Beaufsichtigung 
und Beschulung waren teils mangelhaft, oder sie fehlten überhaupt, 
ois religiöse Betreuung war in vielen Fällen ganz ausgeschlossen. 
Die Schäden der „Massenverschleppung" zeigten sich bei den Kindern 
z. m Teil in erschreckendem Maße: sittliche Verwahrlosung und 
. ; iglöfe Vernachlässigung waren feie schlimmsten Folgeerscheinungen. 
’'r he und Schule und nicht zuletzt die Eltern erhoben ihre warnende 
Stimme. Der auf hoher warte stehende Deutsche Karitasverband 
7i rächte sich im letzten Jahre die Mühe, bei den Nbgabestellen sowohl 
a s auch bei den Nufnahmestellen Nachfragen zu halten über den 
Katzen und Schaden, den die Erholung den Kindern gebracht habe. 
)änderte von Nntwortbriefen liefen bei der Zentrale in Freiburg i. B. 
ein und zwar sowohl von katholischer als auch von evangelischer 
Seile. Und das Ergebnis! Nicht einmal war man allgemein über 
zeugt von einem gesundheitlichen Nutzen, aber einig waren alle bis 
auf einen darin, daß die geistigen und seelischen Schäden den 
körperlichen Vorteil bei weitem überstiegen. Oer Deutsche Karitas- 
verband sah sich daraufhin veranlaßt, auf feiner Tagung in Bad 
Nauheim im März d. J. einen besonderen Nachmittag (12. März) 
der Besprechung der Kinderunterbringung von Rhein und Ruhr im 
Jahre 1923 zu widmen. Das Ergebnis der sehr ausgiebigen Nus- 
sprache — es waren über 60 Vertreter aus allen Teilen des 
Deutschen Reiches zugegen, darunter sechs Bischöfe und Weihbischöfe — 
(unser Verein hatte in Nnbetracht der sehr wichtigen Sache eine 
besondere Einladung erhalten und wurde durch die Vorsitzende de? 
Nusschufles für Jugendfürsorge vertreten) war dieses: In Nnbetracht 
der gerade in diesem Jahre herrschenden Arbeitslosigkeit und der 
überaus großen wirtschaftlichen Notlage, namentlich der besetzten 
Gebiete, kann man auf weitere Unterbringung der Kinder nicht 
verzichten. Es muß aber, soll nicht wie vielfach bisher der sittliche 
und religiöse Nachteil größer sein als der gesundheitliche Nutzen, 
weit mehr Sorgfalt gelegt werden auf die Nuswahl der wegzu- 
schickenden Kinder einerseits und aus die Nuswahl der Pflegestellen 
und -gegenden anderseits. Dazu müssen Beschulung, Beaufsichtigung 
und konfessionelle religiöse Betreuung durchaus sichergestellt 
sein, was den letzteren Punkt angeht, so ist es gerade im letzten 
Jahre vorgekommen, daß katholische Kinder, die in protestantischen 
Gegenden zur Erholung untergebracht waren, in den evangelischen 
Gottesdienst, ja sogar zum Nbendmahl mitgenommen wurden. Nndere 
blieben wachen-, ja monatelang ohne jeden Religionsunterricht und 
Gottesdienst. — Es wurden nach den Ergebnissen der Referate und 
der Nussprache (die unten folgenden) Richtlinien aufgestellt, nach 
denen in Zukunft die erholungsbedürftigen Kinder untergebracht 
werden sollen. Kirche und Schule und auch die Presse sollen ihr 
möglichstes tun, daß nach diesen Richtlinien gehandelt werde. — 
Der Karitasverband machte des weiteren die Mitteilung, daß er 
gerne dazu bereit fei, in den einzelnen Diözesen große Tfuanten von 
Lebensmitteln für Kinderspeisungen im Heimatorte zur Verfügung 
zu stellen, um so zur Verringerung der Zahl der „Erbolungskinder" 
beizutragen, wo aber zur Gesundung unbedingt Luftveränderung 
oder Kuren notwendig seien, möge man sich an die Karitasheime 
wenden, deren es 150 gebe. (Die Zentrale des Deutschen Karitas. 
Verbandes in Freiburg i. B., sowie jeder Viözesan-Karitasverband, 
ja auch die Karitas-Nusschüsse der einzelnen Städte und Gemeinden 
geben oder vermitteln gern jede Nuskunst.) Der Deutsche Karitas, 
verband machte auf der genannten Tagung ferner den Vorschlag, 
die wirklich erholungsbedürftigen Kinder möglichst innerhalb ihrer 
Diözese unterzubringen, und er traten die einzelnen Vertreter nach 
der offiziellen Tagung sofort zur entsprechenden Beratung zusammen. 
— wir katholischen Lehrerinnen, die wir vielfach in der eigenen 
Klafle die Schäden der Mafsenentfendung der Kinder verspürt haben, 
begrüßen gewiß von Herzen das tatkräftige Einschreiten des Deutschen 
Karitasverbandes und sind demzufolge auch gerne bereit, durch Nuf. 
Klärungen die Eltern davor zu warnen, bzw. abzuhalten, ihre Kinder 
außer in den allerdringendsten Fällen in fremde Hände zu geben. 
Im übrigen wollen wir aber auch nicht verfehlen, die örtliche 
Erholungsfürforge durch entsprechende Maßnahmen, wie Ernährungs. 
beihilfen, Nusbau der Waldheime, Wanderungen usw. fördern zu 
Helsen. 
Wo aber Kinder doch nach außerhalb entsandt werden, beachte man die 
Uichtlinien zur Klnderunterdnngung. 
Ausgestellt vom Zentralrat des Deutschen Karitasverbandes im März 1924. 
A. 
I. Bet der Unterbringung der Kinder auf dem Lande haben sich im 
letzten Jahre Mißstände und religiös-sittliche Gefahren gezeigt. Die nnmmer« 
mäßige Mafsenuntsrbringung, bei der po'itixch« Kücksicktnahme vielfach 
ausschlaggebend war und die Bedingungen der Konfesüonsaleichheit nichh t 
erfüllt wurden, ist an anderer Siebe schon eine Kinder Verschleppung genannt 
worden. Dazu hat die trotz bester Absicht ursächliche Konkurrenz bei 
Kindernnterbringung eine Psychose weiter Llternkreise zur Folge gehabt 
und die Bereitwilligkeit zur Aufnahme bei pflegefamilien auf dem Lande 
stark herabgedrückt. All« diese Mißstände tragen dazu bet, das Vercnit» 
wortungsbewußtsein der Titern zu verringern und die Kinder aus der 
Familie zu entwurzeln. Sie veranlassen den Sentra'rat des Karitasverbandes» 
vor der Art dieser Massenunterbringung aus das eindringlichste zu warnen. 
II. Die augenblickliche wirtschaftliche Not, die Geldknappheit und die 
Arbeitslosigkeit machen es allerdings vielen Familien unmöglich, ihren 
kranken und erholungsbedürftigen Kindern selbst die nötige Lrdolung und 
pflege zu gewähren, zu der sie an erster Stelle berufen sind. Eine fremde 
Erholungshilfe ist notwendig geworden. Der Karitasverband will sich dieser s 
Erkenntnis nicht entziehen; er hält die Kinderuntsrbrinaung auf dem Lande 
und in Heimen heute für eine notwendige Form der Kindererholungs» 
fürsorge und Seelsorge. ^ . 
III. Er bittet deshalb auf das wärmste und dringlichste die katholflchest 
ländlichen wie auch kleinstädtischen Bevölkerungskreise, im Namen der 
katholischen Liebe und Seelsorge ausreichende Pflegestellen zur Verfügung 
zu stellen. 
B. 
I. Eine Unterbringung von Kindern kann aber vom katholischest 
Standpunkt nur dann durchgeführt werden, wenn folgende, vom Karitas 
verband seit Jahren gefordert- Voraussetzungen erfüllt sindr
	        
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