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1. Bezüglich der Kinder, die in pflegestellen kommen, wird verlangt
a) daß sie religiös-sittlich einwandfrei,
b) frei von Krankheiten,
c) wirklich erholungsbedürftig sind,
d) aus bedürftigen Familienverbältnissen (Wohnungsnot) stammen.
(In Heime werden auch Kranke und besonders erziehungsbedürf-
tige Rinder entsandt)
2. Bezüglich der Aufnahmestellen müssen folgende Bedingungen
gestellt werden:
a) die Familien müssen katholisch,
b) religiös und sittlich einwandfrei,
c) wirtschaftlich so gestellt sein, daß gute Verpflegung und ein eigenes
Bett für die aufzunehmenden Rinder sichergestellt sind, sowie die
Gefahr der Ausnutzung vermieden ist,
d) die Pflegestellen müssen den hygienischen Forderungen entsprechen.
II. Diese Bedingungen sind am sichersten gewährleistet, wenn der Raritas-
perband selbst die Unterbringung der katholischen Rinder in der Hand behält.
Sur Verhütung einer Zersplitterung der Katholischen Rräste, die sich in der
Rinderunter.bringung betätigen, ist es dringend zu wünschen, daß andere
Katholische Organisationen nur in engster Verbindung mit dem Raritas-
verband arbeiten. 5luch bei der Unterbringung, die von anderen Stellen
ausgeführt wird, muß die Einhaltung unserer Grundsätze verlangt werden,
praktisch erfolgreich ist stets ein persönliches Aufsuchen der in Frage
Kommenden Pflegsfamilien durch Vertrauensleute des Heimatortes. Die
hochwürdigen Geistlichen mögen sich dieser Mühe nicht entziehen oder doch
hierfür geeignete vertrauensperfoncn gewinnen.
Lrfteulicherweife kommen die Richtlinien des Vereins „Landaufenthalt
für Stadtkinder" unseren Grundsätzen entgegen.
Dieser Verein will in Zukunft auch in seinen Unterstellen (Landes-,
provinzial-, Rreis- und Drtsstellen) die Unterbringung der Rinder auf
arbeitsgemeinfchaftlicher Grundlage, in engster Zusammenarbeit auch mit
den katholischen karitativen Organisationen durchführen. Ls ist deshalb
eine intensive Mitarbeit der katholischen Rreise beim Verein „Landaufenthalt
für Stadtkinder" dringend notwendig, damit so eine Gewähr dafür gegeben
ist, daß bei der Rinderunierbringung durch seine Organe auch die in seinen
Richtlinien und die in den behördlichen Erlassen gegebenen Sicherungen
überall durchgeführt werden. (Siehe vornehmlich den Erlaß des preuß
Ministeriums für Wissenschaft, Runst und Volksbildung vom 22. 5. 23
abgedruckt im Heft Nr. 4 „Schule und Erziehung", Düsseldorf 1920, Seite
38 f) In Keiner Abgabestelle des Vereins „Landaufenthalt für Stadt
kinder" darf der Vertreter der katholischen Rinder fehlen.
Im besonderen ist noch wünschenswert, daß:
1. die Rinder möglichst in der eigenen Diözese untergebracht werden,
2. bei Wahl der Heime nur katholische Heime und die eigens hierfür
eingerichteten Rmderhsilstätten berücksichtigt werden,
5. die örtliche Erholungsfürsorge in Angriff genommen wird mit dem
Bestreben, auch den Eltern durch Rat und Anweisung zur Gesunderhaltung
ihres Rmdes deizustehen,
4. bei Entsendung ins Ausland im allgemeinen nahe gelegene Bezirke
gewählt und sür eine besondere religiös.sittliche Betreuung gesorgt wird,
5. schulentlassene Rinder nur in Ausuahmefällen und unter größter
Vorsicht ausgesandt werden, wobei die Eignung der Stellen besonders ge
prüft und die religiös-sittlichen Gefahren für diese Jugendlichen eingehend
zu beachten sind.
6. sür Rinder aus der Diaspora ein Aufenthalt in rein katholischen
Gegenden und religiöser Umwelt gefunden wird,
7. die Verantwortung der eigenen Familre uüd des zuständigen Seel-
forgers im vollen Umfang bestehen bleibt.
6.
I. Der Zentralrat des Deutschen Raritasverbandes hält eine Aufklärung
des ganzen Volkes durch Beeinflussung der Presse, der Organisationen,
insbesondere des Reichslandbundes der Deutschen Städte, der zuständigen
staatlichen Behörden, der kommunal-politischen Vereinigungen, der Parteien
(Scntrumspartei) für notwendig.
II. Insbesondere sind durch ein Zusammenarbeiten mit der katholischen
Schulorganisation und den katholischen Lehrerorgamsat-onen dis Litern
über ihre pflichten und Rechte und die Gefahren der Rinderunterbringung
aufzuklären und zur geeigneten Mitarbeit heranzuziehen. Ranzel, Presse,
vornehmlich das Sonntagsblatt, Lliernversammlungen, Rlüttervereine,
Standesvereine usw. werden bei dieser Aufklärungsarbeit die wefenLIicken
Dienste tun müssen.
Ein besonderes Mittel für die Volksbeeinflussung sieht der Zentralrat
des Deutschen Raritasverbaudes in einem Hirtenbrief der Hochwürdioftrn
Herren Bischöfe.
ELG6S von Mm Md Mmzensur.
von Elisabeth Mleinek, Berlin-Steglitz.
(Schluß.)
Die Kritik, die sich selbstverständlich auf guter Sachkenntnis
üufbauen muß, soll unbedingt auch die Wirkung des Films auf
weitere Kreise berücksichtigen. Wenn wir zu dem vorhin genannten
Beispiel des Nibelungenfilms zurückgreifen: Bestätigt sich die Ansicht,
daß die erwähnte Szene das religiöse Empfinden der Katholiken
verletzt, so teile man dies der FilmprüfsteUe mit und bitte/ künf-
ng solche Szenen nicht Zuzulassen, zum mindesten stets Katholiken
zu solchen Prüfungen zuzuziehen. Die „Germania" hat bereits
zweimal die Aufforderung an die Ufa (Filmgesellschaft) gerichtet,
diese Szene zu entfernen. Es ist nicht geschehen, wenn aber alle,
die sich tatsächlich verletzt fühlen, es kundgäben, und dies bei neuen
Anläßen Wiederholten, so könnten diese Stimmen nicht mehr über
hört werden, vor allen Dingen bildeten sie einen Beweis für die
Behauptungen der Mitglieder unserer Weltanschauung und erleichterten
diesen die Arbeit sehr.
Aber auch jeder andere Gesichtspunkt ist zu beachten. Es kann
vorkommen, daß ein Film in den Grenzgebieten geeignet ist, das
deutsche Ansehen zu untergraben, während er im Innern des
Landes keinerlei üble Wirkungen zeitigt. Ebenso können Filme
Störungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit Hervorrufen,
ohne daß man die Wirkung vorhersehen kann. Derselbe Film kann
in einer politisch erregten Zeit zu Unruhen Anlaß geben, während
er sonst mit Stillschweigen hingenommen wird, vor einigen Jahren
wurde z. B. in Berlin ein Film gezeigt, in dem auch Friedrich der
Große auftritt. Der Augenblick, in dem der König zuerst auf der
Leinwand erscheint, war sehr geschickt inszeniert. Ehe der Darsteller
zu sehen war, erschien der markante Schatten. Die bekannte Körper
haltung, Dreispitz und Krückstock, alle diese Einzelheiten lösten blitz
artig das Erkennen aus: „Der alte Fritz!" Darauf gab es in
jeder Vorstellung ein rasendes Klatschen von einem Teil der Zuschauer,
worauf sich die mit entgegengesetzten politischen Anschauungen zum
Zischen, pfeifen und Johlen veranlaßt sahen. Damals bestand das
Lichtspielgesetz noch nicht, und es wurde viel hin und her debattiert,
ob die Polizei den an sich völlig unpolitischen Film verbieten solle.
Ereignen sich nun solche Zwischenfälle bei irgendeinem Film, so
teile man das wiederum der Filmprüfstelle mit, damit in künftigen
Fällen bei der Zulassung vorsichtiger verfahren werde, aber man
sei auch nicht vorschnell bei der Verurteilung der ergangenen Ent-
scheide, wenn sich Wirkungen zeigen, die man vorher nicht hatte
berechnen können.
Es ist auch möglich, daß bei Filmaufführungen Unruhen im
Saal entstehen, wenn einzelnen durch grausige und ekelhafte Szenen
übel wird oder gar jemand in Ohnmacht fällt. Auch das ist eine
Gefährdung der öffentlichen Ordnung, und die Filmprüfstelle muß
bei der Beurteilung des Films solche Wirkungen in Betracht ziehen.
von ganz besonderer Wichtigkeit sind die zur vorftührung vor
Jugendlichen zugelassenen Filme. Werden solche geprüft, so ist ein
Jugendlicher anwesend und wird gutachtlich gehört, ehe die Kammer
die Entscheidung fällt. Ich habe mehreren solcher Sitzungen bei
gewohnt, aber unter den Jugendlichen noch nie ein Mädchen gesehen.
Gb überhaupt keine Mädchen herangezogen werden, weiß ich nicht,
auf jeden Fall sind zu wenige daran beteiligt. Die Mitglieder des
Vereins kath. deutscher Lehrerinnen müßten es sich zur besonderen
Aufgabe machen, die Vorstellungen zu besuchen, zu denen Jugend
liche zugelassen sind. Ich habe in der letzten Zeit öfter solche Vor
stellungen besucht und viele Filme gesehen, die Keinesfalls für
Jugendliche geeignet sind, z. 13. manche der vielbelachten Ehaplin-
und Jackie Eoogan-Filme. von den letzteren muß besonders „Der
kleine, tapfere Held" abgelehnt werden. Die größte Tapferkeit
dieses kleinen Melden ist, seinem Pflegevater einen Blumentopf an
den Kopf zu werfen. Wenn dieser auch ein Rohling ist und die
Tat tatsächlich als Tapferkeit aufgefaßt werden kann, so werden
doch die verhältniffe einer zerrütteten Ehe mit so unheimlicher Selbst
verständlichkeit geschildert, daß man mit Schrecken erkennen muh,
wie dem deutschen Volke der Sinn für die Familie überhaupt immer-
mehr schwindet. Zwar stammt der Film aus Amerika, aber das
Gefallen, das er findet, ist eben das Beängstigende. Ich hörte, wie
Mütter sich mit ihren Kindern beim verlassen des Theaters über
den Film unterhielten: daß man leere Flaschen an den Köpfen
anderer zerschlagen kann, hatte bei ihnen den stärksten Eindruck
hervorgerufen, ein Erfolg, der recht merkwürdig zu dem Tilet
stimmt „der kleine tapfere Held". Und die Ehaplinaden? Ich sah
in einer Jugendvorstellung „Chaplin schlägt alles". Der Inhalt
läßt sich nicht Wiedergeben. Er erschöpfte sich in der mannigfachsten
Art des prügelns. Den Anlaß dazu gaben Annäherungs- und Ab
stoßungsszenen zwischen „Damen" und „Herren", deren logischer
Zusammenhang für mich völlig dunkel blieb. Wie ist es möglich,
daß solche Filme für Jugendliche zugelassen wurden? Ich habe
bei den Sitzungen, denen ich beiwohnte, nicht den Eindruck gewonnen,