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a) Die Lehrer der sachwisfenschaftlichen Fächer.
1. Dazu waren vor allem Persönlichkeiten zu berufen, welche
cine neunklassige höhere Schule und beide Abschnitte der Lehramts
prüfung hinter sich haben. Sie müssen außerdem eine praktische
und theoretische Probezeit von einem Jahr in Volksschulwesen und
-unterricht durchmachen, damit sie Verständnis für die Lehraufgaben
ihrer Anstalt und Fühlung mit der Volksschule bekommen. Für die
tangere Ausbildung mutz durch höhere Eehaltseinstufung Er,atz ge
leistet werden.
2. Andererseits wird auch solchen, die die neue Bildungsansta't
(Akademie) hinter sich haben, die Möglichkeit offen bleiben, sach-
w.ssenschafüiche Lehrerbildner zu werden. Die Anforderungen müssen
|ein; Ableistung der Berufsschule nebst Akademie, Ablegung beider
Abschnitte der Lehramtsprüfung, auch des zweiten, damit sie das
Wesen des höheren Unterrichts Ken, en lernen. Die Fühlung mit
.er Volksschule wird dadurch hinreichend gewährleistet, daß sie Berufs
schule samt Akademie durchmachen. Die besondere Probezeit derer
unter a l kann darum entfallen.
b) Die Lehrer der Erziehungswissenschaften und Philosophie.
Diese müssen wie bisher aus der prax.s kommen, sie müssen
.ängere, gründliche praktische Erfahrung aus Stadt- und Land-, ein
.urd mehrklassigen sowie Fortbildungsschulen haben. AIs Ausbildung
wäre zu fordern: Durchlaufen der Berufsschule nebst Akademie,
dann einige Jahre volksschuldienst in verschiedenen Stellungen, dann
drei Jahre Unioersitätsftudtum (Pädagogik und Philosophie). Studium
einer Sachwissenschaft zu verlangen, wäre unzweckmäßig. Denn ein
gründliches Studium des Philosophie in ihren wichtigsten Zweigen,
dazu Erziehungswissenschaft mit sämtlichen Hilfswissenschaften gibt
drei Jahre hindurch vollauf zu tun. Ls muß auch an der Anstalt
der Zukunft ein Fachlehrersystem durchgeführt werden, da nur so
ein höheres Niveau des Unterrichts erreicht wird. Außerdem darf
der pädagogische Lehrerbildner n cht länger wie nötig auf der Uni
versität festgehalten werden, werl er sonst infolge der geforderten
vorksschulpraxts gegenüber der sachwisfenschaftlichen Gruppe der Lehrer
bildner zeitlich zu sehr in Nachteil käme.
HI. Der Übergang.
Dieser Idealzustand kann nicht sofort erreicht werden. Um den
geschichtlichen Zusammenhang zu wahren, insbesondere um dem
künftigen Lehrerkollegium den rechten volksschullehrergeift einzu
hauchen, d. h. ihm das lebendige Inter, sie für die richtige Ein
stellung auf Volksjchulwesen und -unterricht zu geben, empfiehlt sich
ein Übergang. Ihn gebietet die Rücksicht auf diejenigen, welche sich
bereits für die Laufbahn des Lehrerbildners entschlossen und dafür
Opfer gebracht haben. Ich denke mir ihn folgendermaßen:
a) Die Lehrer der sachwisfenschaftlichen Fächer.
Aus den zurzeit vorhandenen akademisch gebildeten Lehrerbildnern
werden diejenigen übernommen, die sich für wisienschaftlichen Unter
richt eignen, man gebe ihnen nach Möglichkeit Gelegenheit, noch
ein Jahr Sachwissenschaften zu studieren.
Diese Art von Lehrerbildnern würde, je länger sich der neue
Anstaltstypus (Berufsschule samt Akademie) einlebt, langsam von
selbst aussterben, weil allmählich an ihre Stelle der Lehrerbildner-
lypus nach Ha einrückt. Aber ihr Einfluß im Kollegium verbürgt
Überleitung der guten Überlieferung der alten Lehrerbildungsanstalt
in die neue.
b) Die Lehrer der Erziehungswissenschaften und Philosophie.
Auch hier übernehme man aus den vorhandenen akademischen
gebildeten Lehrerbildnern die geeigneten, man gebe auch ihnen tun
lichst die Gelegenheit, noch ein Jahr Erziehungswissenschaften und
Philv!ophie zu studieren. Auch diese Art Lehrerbildner wird langsam
von selbst aussterben, vgl. oben unter a. Sic wird ersetzt durch den
Typus 11b.
IV. Der versuch.
Es empfiehlt sich, zunächst ein bis zwei Lehrerbildungsanstalten
der neuen Art (die eine jedenfalls in Nürnberg) einzurichten, um
Erfahrungen zu sammeln. Die Übergangszeit berechtigt natürlich
noch nicht zu einem abschließenden Urteil, aber sie wird erkennen
lassen» welche innere Kraft dem neuen Typus der Lehrerbildungsanstalt
rnnewohnt, und wird ermöglichen, ihm die erforderliche Richtung zu
geben. Auf die Zusammensetzung des Lehrerkollegiums kommt dabei
alles an. Da der Lehrerbildner der Zukunft wisienschaftlich gründ
licher und tiefer ausgebildet sein wird als der der Gegenwart, dq
seine Ausbildung länger dauern mutz, so ist nötig, daß nicht nur
im Gehalt, sondern auch im Titel und Rang darauf Rücksicht ge,
nommen werde.
V. Lehrerbildner und Volksschullehrer.
Es ist streng zwischen der Ausbildung des Lehrerbildners und
des volksjchullehrers zu scheiden. Der Fehler der Reformer liegt
meist darin..-daß sie Forderungen für die Ausbildung des Volks»
ichulllehrers erheben, die höchstens für die des Lehrerbüdners Sinn
haben. Aufsälligerwesie ist in der Reformliteratur vom Lehrer,
bildner als solchen eigentlich kaum die Rede; man hat geradezu
den Eindruck, daß der Lehrerbilüner für die neue Volksschullehrer,
bildung so gut wie ganz ausgeschaltet werden soll. An seine Stelle
soll, wie es scheint, ganz der Mittelschullehrec und Hochschulprofessor
treten. Damit würde aber eine wertvolle und bewährte, aus dem
Bedürfnis der Volksschule herausgewachsene organische Entwicklung
rücksichtslos abgeschnitten werden, und es würden der Zukunft
Kräfte verloren gehen, die meiner Meinung nach eben wegen ihres
organischen Zusammenhanges mit dem Volksschulwesen von größtem
wert und nicht leicht ersetzbar wären.
Aus der Zeit.
Die Zortbildungsschulpsiicht in Preußen.
Für Preußen ist die Fortbildungsschulpflicht durch das Gesetz vom
5l. 7. 25 und Ausfuhrungsanweijungen des M.nisters für Handel und
Gewerbe vom 29. 12. 25 geregelt. Sie bestimmt:
Gesetz, betreffend die Erweiterung der veruss-(Fsrtbrldung§-)schulpflicht.
8 1. 5um Besuche der Berufsschule kann durch Satzung eines Kreiser
die Gesamtheit oder ein Teil der im Schuibezirk beschäftigten oder wohn»
hasten unverheirateten Jugendlichen beiderlei Geschlechts unter 18 Jahren
verpflichtet werden, soweit sie nicht mehr volksschulpflichtig sind.
8 2. Die Pflicht zum Besuche der Berufsschule ruht, solange der Schul,
pflichtige eine öffentliche Fachschule oder Innungs- bzw. Fachvsreinsschule
oder eine privatschule besucht, deren Unterricht von der Schulaufsichtsbehörde
als ausrelchender Ersatz für den Unterricht in der Berufsschule anerkannt
wird, oder solange er wahrend mindestens 24 Wacher stunden am Unterricht
emer anderen ösienllichen oder einer vom Staat genehmigten und beauf.
sichtigten prioatschule teilnimmt.
8 5. Wer das Abschlußzeugnis einer nach § 2 anerkannten Fachschule
erworben hat, oder eine Ausbildung nachweist. Sie den Besuch der Berufs,
schule entbehrlich macht, oder das Zeugnis über die bestandene Gesellen«
Prüfung vorlegt, wird von dem Besuche der Berufsschule befreit.
Aussührungsanweisungen zum Gesetz
betreffend die Erweiterung der verssr- und Zortbildungsschulpflicht.
Zu 8 3:
b) Der Besitz des Abschlußzeugnisses einer nach ij 2 des Gesetzes an.
erkannten Fachichule gibt ohne werteres ein Anrecht auf Befreiung vom
Besuche der Berufsschule, dagegen ist für die Entscheidung, ob die sonst
nachgewiesene AusbilSung von dem Besuche der Berufsschule befreit, die
berufliche Gliederung und Ausgestaltung der in Betracht kommenden Berufs
schule von Bedeutung. Wo an der Berufsschule keine Mafien vorhanden
lind, die wertergchende Fachkenntnisse veimilteln, sind zu befreien:
Jugendliche, die mit der Reife für 0 ll eines Gymnasiums oder einer
anderen höheren Lehranstalt, nach bestandener Abschlußprüfung einer Real
schule, mit dem Zeugnis einer anerkannten Mittelschule oder nach erfolg,
reichem Besuch erner Präparandenanstalt mit der Reife für eine Lehrer«
(innen)bildungsanstalt.
Jugendliche mit der Reife für die dritte Klaffe einer Studienanstalt,
mit dem Schlußzeugnis eines Lyzeums, mit dem Abgangszeugnis einer vcll«
entwickelten höheren Mädchenschule, die die Berechtigung der Mittelschule
nach dem Erlaß des damaligen Herrn Ministers für geistliche und Unterrichts-
angelegenheilen vom 8. November 1911 — U III D 1858 — besitz'.
Sind Massen vorhanden, die weltergehende Fachkenntniffe vermitteln,
so empflehlt es sich, Jugendliche auch mit diesen Zeugnissen zum Besuch zu
verpflichten, soweit ihnen durch den Unterricht Fachkenntnisse vermittelt
werden können. Bei der Durchführung der Schulpflicht ist nach Möglichkeit
durch Einrichtung besonderer Klaffen der Berufsschule und durch Einschulung
in Höhere Klassen oder durch Beireiung von einem Teil des Unterrichts auf
die Vorbildung Rücksicht zu nehmen.
d) Der Nachweis einer Ausbildung, die den Besuch der Berufsschule
entbehrlich macht, kann durch Ablegung einer Prüfung an der Berufsschule
geführt werden. Auf die Dorsckrrft des Erlasses vom 22. 2. 1917 — IV 5946 —
(f). m. B. 5. 77), daß Schulpflichtige, die eine öffentliche Handelsschule mit
einjährigem Lehrgang mit Erfolg besucht haben, zu verpflichten sind, die
Berulsschule zwei Jahre lang während der Hälfte der für die übrigen Schüler
festgesetzten Stunden zu besuchen, wird besonders hingewiesen.