Full text: Wochenschrift für katholische Lehrerinnen - 37.1924 (37)

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Kulturhöhe in verschiedener, im ganzen recht vollkommener weise 
dienstbar. Vas Meer dagegen mit seinen Strömungen, Gezeiten, 
Windwellen, voll von Kräften, mit den in ihm gefundenen oder in 
kleinsten Partikelchen verteilten Metallen, Gasen oder anderen 
anorganischen Stoffen, läßt sich noch nicht bewirtschaften. Fischfang 
und Robbenschlag ist nur an wenigen Stellen organisiert und erfolgt 
meist im Raubbau, die vollendetste wirtschaftsgröße ist das Meer 
als verkehrsbahn. Oie Arbeit an der Natur, zu der vor allem 
Ausrottung und Verbreitung, Umschichtung und Wesensoeränderung 
von Pflanzen und Tieren gehört, hat auch den Menschen selbst aufs 
stärkste verändert, leiblich wie geistig. Bloß physische Kraft wird 
mehr und mehr ausgeschaltet, geistige Regsamkeit jedoch mutz wachsen. 
Vom Gefühl der Abhängigkeit von dunkelen Gewalten ging die 
Entwicklung geistig-seelisch vorwärts zum Gefühl der Freiheit einer, 
immer klarer durchschauten Um- und Innenwelt gegenüber. 
Dringt man in das wirtschaftsgefüge irgendeiner Gegend von 
der Betrachtung des Menschen aus ein, so gilt es zunächst die Rasse 
festzustellen, die an Leistungsfähigkeit und Lebensansprüchen ungemein 
verschieden, daher an wirtschaftlicher Kraft nicht gleich ergiebig ist. 
Manche Rassen sind umgewöhnbar, andere gehen unter, wenn ihnen 
etwas Lebensfremdes zugemutet wird, viel wandlungsfähiger als 
die Rasse ist die Sprache. Sprachgebiete dehnen sich oder schrumpfen 
zusammen durch Verbreiterung oder Einengung politischer und wirt 
schaftlicher Verhältnisse, durch Leicht- oder Schwererlernbarkeit, 
namentlich durch Verkehr. Sprachen- und Rassengebiete decken sich 
keineswegs. Manche Völker haben ihre Sprache verlernt und 
andere Sprachen angenommen. Für Handel und Verkehr ist Sprach 
gemeinschaft aber von höchster Bedeutung. Deutlicher als bei Raste 
und Sprache ist bei der Religion der Zusammenhang mit der Landes 
eigenart besonders in primitiveren verhältnisten. Rahrungs- und 
Wohnweise wird durch religiöse Kulte bestimmt, und diese sind wieder 
abhängig von Tatsachen des Klimas, der Ausstattung der Crdräume 
mit Pflanzen und Tieren, auch der Erdoberflächenform: Sonnenkult, 
Heilighaltung von Wasser, winden, Bergen, Bäumen, Tieren usw. 
Die Religionen, die besondere Stätten heilig halten, veranlassen 
zeitweilige oder andauernde Verkehrsbewegung von Menschen, 
Gütern, Ideen, unbewußt auch von Krankheiten längs der Pilger- 
straßen. Natürlich durchdringen sich solche Wechselbeziehungen von 
Religion und Wirtschaft mit denen von Rasse und Wirtschaft: 
Phantasiebegabung oder geistige Stumpfheit, Überwiegen intellek 
tueller Anlagen oder von Gefühlserregbarkeit, kurz, Unterschiede 
unter den Menschen, die zweifellos einerseits mit Raste, andererseits 
mit Einflüssen der Landesnatur zusammenhängen, wirken auf die 
Ausgestaltung des religiösen Lebens ein, und dieses wieder beeinflußt 
die geistig-sittliche, durch wirtschaftliche Mittelglieder sogar auch die 
Körperliche Entwicklung der Völker. - 
Line weitere Zusammenballung der Menschheit sind Staaten 
gebilde. Daß wirtschaftliche Erzeugung, wirtschaftlicher Absatz, Maß 
nahmen für Güter- und Personenbeförderung durch Staatsleistungen 
gefördert, durch Eingriffe fremder Staaten gehemmt und unterbunden 
werden können, erleben wir am eigenen Leibe. Aber nicht überall 
auf Erden ist das Staatsleben auf wirtschaftliche Ziele hin ein 
gestellt ; auch in der Gegenwart in den vereinigten Staaten und in 
England mehr als etwa in Frankreich. An anderen Erdstellen 
Unterwirft sich der Staat sogar religiösen Rücksichten, auch hin- 
sichtlich der Wirtschaftsführung. Daß Deutschland ein Beamten- und 
Milttärstaat geworden war, war das geschichtliche Ergebnis der 
geographischen Miltellage des deutschen Volkes zwischen lauter aus- 
dehnungslüsternen Völkern; der englische Kaufmannsstaat ist in 
seiner günstigen Handelslage zwischen den wirtschaftlich betriebsamsten 
Teilen Europas und Amerikas und seiner verhältnismäßig gesicherten 
Militärischen Randlage zu Europa inmitten des Meeres ebenso ein 
Ergebnis geographischer Grundbedingungen. 
Neben diesen altüberkommenen Zusammenfassungen der Menschheit 
zu großen Organisationen gibt es nun noch eine Fülle rein wirt- 
schriftlicher Vereinigungen: Internationales Kapital, allerlei über 
staatliche Aktien- usw. Gesellschaften, auch soziale Verbrüderungen 
wie die internationale Arbeiterschaft. Auch ihre Auswirkungen auf 
das Wirtschaftsleben sind nicht ohne geographische Grundbedingungen 
einerseits und ohne Förderung oder Hemmungen von Raste, Sprache. 
Religion und Staat andererseits. Doch kommt es zu sehr ver 
wickelten Geflechten aller dieser verschiedenen Kraftlinien. Zum Teil 
verstärken die verschiedenen Organisationen ihre Leistungsfähigkeit 
durch Zusammenwirken, zum Teil schwächen sie einander. So 
widerstreben internationale Kräfte des öfteren staatlichen Interesten; 
internationales Kapital erzwingt Verkehrsverbindungen, die die 
Dberflächenformen der Erde bisher verhindert haben. Die Arbeit 
an der Natur vermag der einzelne Mensch nur zu sehr geringen 
Leistungen zu steigern; die Zusammenfassung der Menschen bändigt 
dagegen starke Naturkräfte und zwingt sie in den menschlichen 
Dienst. Line Wirtschaftsgeographie wird deshalb niemals aus 
reichen, wenn sie nur den Menschen und die Natur alz zugleich 
Subjekt und Objekt der Wirtschaft behandelt; sie muß auch auf den 
menschlichen Organisationen, sowohl die naturgegebene Raste wie 
auch auf die geschichtlich gewordenen (Sprache, Religion, Staat), 
wie die von vornherein zu Zwecken der Wirtschaft gebildeten 
(Gesellschaften, Trusts, Konzerne) eingehen. 
Ls ist Sache des Lehrers abzuschätzen, inwieweit er bei seinen 
Schülern Verständnis für diese Dinge erhoffen darf, also in welcher 
Auswahl und Verdünnung er, sei es Einzelheiten, sei es die Gesamtheit, 
solcher wirtschaftsgeographischer Gedankengänge, im länderkundlichen 
Unterricht vorbringen darf. Iedenfalls muß er sich selbst darüber 
klar sein, daß Wirtschaftsgeographie keine Stoffdallung bedeutet, 
sondern eine theoretische Wissenschaft ist, für Schüler einen hohen 
öildungswert besitzt, weil sie Gesichtskreise weitet und so die Einsicht 
in die ursächlichen Zusammenhänge zwischen anscheinend oft weit 
getrennten Gebieten vertieft. 
pädagogische Rundschau. 
K. K. wir verlangen ein Reichsschulgesetz! 
Die Zentralstelle der katholischen Schulorganisation Deutschlands 
hat am 28. Mai an die Deutsche Reichsregierung und an den Deutschen 
Reichstag ein Schreiben gerichtet, in dem mit der durch die Sache 
gebotenen Entschiedenheit eine baldige Lösung der Reichsschulftage 
verlangt und die berechtigten Forderungen der Katholiken nochmals 
kurz und klar vorgebracht werden. Nachstehend der Wortlaut: 
Die Kämpfe um ein Reichsschulgesetz haben während der letzten 
Iahre unser Volk, das so sehr innerer Ruhe bedarf, immer wieder 
aufgeregt und so oft den innerpolitischen Frieden gestört. 
Dem alten Reichstag ist es nicht gelungen, eine Lösung für du 
Reichsschulftage zu finden. 
Lin neuer Reichstag ist gewählt. Lr wie die Reichsregierunc 
werden die hier liegende Aufgabe als eine der wichtigsten baldigst 
aufgreifen müsten. 
Die katholische Schulorganisation Deutschlands erwartet, daß man 
mit dem Willen zur Gerechtigkeit an die Lösung der Schulfrag«- 
herantritt, und verlangt, daß dabei die Belange und Rechte der 
Bekenntnisschule ausreichend beachtet und anerkannt werden. 
Die Forderungen der Katholiken auf dem Gebiet des Schulwesen 
find bekannt. Nur die wichtigsten seien an dieser Stelle wiederholt. 
wir verlangen vor allem: 
1. völlige Gleichberechtigung und Entwicklungsfreiheit für die 
Bekenntnisschule; 
2. die Berücksichtigung des Llternwillens, der Elternrechte und 
der Rechte der Kirche; 
3. Sicherheit dafür, daß der Geist der Bekenntnisschule auch ir 
Wirklichkeit dem Bekenntnisse entspricht; 
4. die Anerkennung der kirchlichen Grundsätze für den Religion- 
unterricht; 
5. die Erhaltung der bestehenden Bekenntnisschulen; 
6. die Anerkennung der einklassigen Schule als eines geordneter. 
Schulbetriebes; 
7. öffentliche Zuschüste für privatschulen. 
Ls ist allgemein bekannt, daß die Katholiken im Sommer 1922 
und im Frühjahr 1923 eine Unterschriftensammlung für die Bekenntnis 
schule abgehalten haben, von ca. 11000000 wahlberechtigten Kathc 
liken haben über 8 700000 — das sind ca. 80% — ihre Stimm 
für die Bekenntnisschule abgegeben. Diese Zahlen reden eine laut 
Sprache. 
Auf Grund der Teilergebniste sind die süddeutschen Schulorgan' 
sationen schon mit je einer Eingabe vorstellig geworden, so an 
5. November 1922 die Katholische Schulorganisation Bayern, am
	        
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