Full text: Wochenschrift für katholische Lehrerinnen - 37.1924 (37)

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■)cm Schundkino an, das es durch Dort und Tat bekämpft. (Pader 
born, Libori 21.). „Die Zeit des müden Zufchauens, des schwachen 
Gewährenlassens ist vorbei, wir müssen uns wehren, um nicht unter 
zugehen; wir lehnen es ab, die Erbin einer Kultur zu werden, die 
ihren sichtbaren Ausdruck in Kinos, Tanzunwesen, Schmutzpostkarten. 
Schundliteratur u. ä. findet, die dem gesunden inneren Empfinden 
jedes ernstdenkenden Menschen widersprechen!" (Pharus). 
Jedem Erzieher ist es klar, von welcher Tragweite die Einflüsse 
des Kinos sind bei der starken Suggest.brlität der Jugend, bei dem 
großen Nachahmungstrieb, wie Kinobesuch zur Unfähigkeit des aktiven 
Eigenlebens, zur Unterbindung der Phantasietätigkeit, zur Verwirrung 
des logischen Denkens führen kann, ganz abgesehen von den Unmengen 
moralischer Schädigungen. Wie wertvoll kann uns Erziehern da das 
Eingreifen und G genarbeiten der Jugendbewegler werden, wenn 
wir uns ihrer Art verständnisvoll nähern, betrachtet doch gerade 
(Huickborn und besonders die Großdeutsche Jugend ethische, religiöse 
und soziale Reformarbeit als Hauptaufgaben. 
Gewiß, und mit Recht sträubt sich die ältere Generation gegen 
das gemeinsame wandern, das lagelange Unterwegssein, das 
vernachlässigen der Kleidung, das rücksichtslose Ausnützen fremder 
Gastfreundschaft. Doch scheint mir, das sind Auswüchse, die die 
Führenden mit zarter Hand schnell beschneiden können. Aus der 
Jugend selbst gehen zahlreiche Änderungsvorschläge hervor. 
Unsere katholische Jugendbewegung ist sich vollständig klar darüber 
mit ihren Führern, daß der Drang zum andern Geschlecht als 
Fieber und Not in jedem steckt; der Zwang der äußeren Sitte kann 
Auswüchse verdecken, aber es gibt keine Form, das Verhältnis der 
Geschlechter so zu regeln, daß es keine Gefahr der Verirrung, keinen 
Kampf um Reinheit mehr gäbe, woraus die feste Richtung erwachsen 
muß. 
Sich rein zu halten, war und ist für unsere katholische Jugend 
bewegung selbstverständlich, daher eröffnet sie den Kampf gegen 
sexuelle Grundsatzlosigkeit weiter Kreise, strebt sie nach wahrer Ge 
meinschaft, Bewertung des Körpers als Kusdrucksmittel des Seelischen, 
womit von selbst eine Gegenwirkung gegen moderne Emanzipation 
des Leibes geboten ist; endlich sehen wir edlen willen, aufrichtiges 
Streben nach Geistigkeit. — Der Wandervogel brachte neue Lebens 
formen und Lebensmöglichkeiten in den Verkehr der Geschlechter 
untereinander. Mädchen erkauften sich die Freiheit des wanderns, 
des Herumstreifens mit Buben bei Sang und Spiel. Liegt nicht eine 
große Gefahr im freien Verkehr? Gewiß, und dieser ist überhaupt 
nur da möglich, wo strengste Selbstzucht im Benehmen, Reden und 
Gedanken herrscht, wo das schwache Einzelwesen durch den Geist des 
Ganzen, durch ein Festverwachsensein mit sittlich-religiösen Über 
zeugungen gestützt wird. 
Die echte Kameradschaftlichkeit kann viel Schönes, Reiches, Reines 
bieten. Mädchen, die in ernster Zurückgezogenheit zur edlen Jung 
frau gereift sind, empfangen durch Freundschaft Bereicherung und 
Erweiterung des Seins, Sicherheit in ihrer Selbstzucht. Die Gewohn 
heit kann das Zusammensein selbstverständlich gestalten, ihr den 
prickelnden Reiz nehmen. Doch was für eine Zucht muß diese 
Jugend von sich verlangen, wie stark muß das Gefühl der Ver 
pflichtung, der Verantwortlichkeit, der Wille dazu werden! Sicher 
lich hat das wandern unsere Jugend selbständig gemacht, freiwillig 
übernommene Entbehrungen halfen Weichlichkeit und Sentimentalität 
überwinden, die Freundschaft vollzog die Erziehung zur strengen 
Verantwortlichkeit dem Du, den vielen Weggenossen gegenüber. 
Gemeinsame Wanderungen werden fast von allen Be 
wegungen abgelehnt, doch führen gelegentliche Tagungen die 
Jugend verschiedener Geschlechter zueinander. Da tritt schützend ein 
herber Idealismus auf, der jede Liebelei verbannen will, der harm 
lose Kameradschaftlichkeit als Ideal aufstellt. Das ist gewiß: Selbst 
täuschung sieht leicht Kameradschaftlichkeit und indifferente Freund 
schaft da, wo längst sexuelle Neigungen Wurzel geschlagen haben. 
Und doch, — sollte nicht strengste Verantwortlichkeit füreinander 
dazu führen, daß nicht Gefühle aufkommen, die vor dem Forum 
des Gewissens erzittern muffen? Verantwortlichkeit ist der Grund 
pfeiler edler Sittlichkeit. Ein hauch strenger Reinheit und Wahrhaftig 
keit strömt den Atem der Gesundheit aus über Körper und Geist 
derer, die über Matten und Felder wandern oder sich im Thing in 
Insten Auseinandersetzungen achten lernen. Nichts bannt so sicher 
" ie Dämonen als gemeinsame Ehrfurcht, gemeinsames Ringen, Suchen 
) 
und Finden. Um so vieles schwieriger ist natürlich jene seelische 
Zucht, als die äußere Beherrschung des Körpers, fordert sie doch 
herbe Zurückgezogenheit und strengste Jungfräulichkeit, feinste Seelen- 
Keuschheit, die alles hohe und Edle aufspeichert zur Erreichung ihrer 
Ideale. 
Allzu furchtsame Gemüter wandten sich mit aller Schärfe gegen 
die gemeinsamen Tagungen beider Geschlechter auf der 6)uick- 
bornburg Rothenfels. Das gemeinsame Besprechen so mancher Frage, 
das Beisammensein, getragen von dem Bewußtsein der strengsten 
Verantwortlichkeit, hat in der Jugend neue Sitten und Formen 
erweckt, hat Feingefühl ausgelöst für die Regelung der gegenseitigen 
Empfindungen. (Tfmckborn 9. J. h. 4/5.:) „Mehr und tiefer dringen 
wir in den Geist der HI. Kirche, in Gottes Wege ein. Feiner und 
empfindsamer wird das Innere. Der Junge sieht in der Schwester 
nicht mehr nur die, die ihm alles herbeibringen muß, nein, er lernt 
in ihr etwas hohes. Reines, Schwaches sehen, das er schätzen muß." 
- „Als Marienritter werden wir jungen Männer im Mädchen immer 
die Jungfrau sehen, die bestrebt ist, ihr ganzes Leben nach dem Ideal, 
das ihr die Marienverehrung gibt, einzurichten." 
Im Johannisfeuer (h. 1 1921) heißt cs: „Unser Geschwister, 
tum ist ein rein geistiges, der weg zu Bruder und Schwester bei 
uns führt durch Gott. Seien wir eingedenk der großen Verant 
wortung, die auf unseren Schultern ruht!" 
Kenntnis des Baumaterials und des realen Baugrundes 
verhelfen bei der Stellungnahme der Geschlechter; rückhaltloses Kennen« 
lernen eigener Schwächen, strengste Selbstkritik sind beste Stützen, 
weder übertriebener Sport noch Körperwaschungen allein führen zur 
Herrschaft der Seele über den Körper, sondern allein Kampf um 
die innere Freiheit, Verwirklichung religiös-sittlicher 
Ideale, das ist es, was uns tatkräftig und fest machen kann, was 
zur Vergeistigung führt. 
Keine neue Ethik, keine neue Religion, kein neuer Ehrbegriff 
ist hier notwendig, was wir brauchen, ist das tiefste verankert 
sein im alten Glauben, die konsequente Anerkennung der alten Ethik» 
eine tiefere Auffassung des Geschlechtslebens, ein deutliches Bekenntnis 
zur Philosophie §er Verantwortlichkeit, weiblicher Ehrbegriff, der 
Sen Verkehr der Geschlechter regelt, entspringt dem Geiste der Frauen 
würde, dem Protest gegen alles, was den Naturtrieb zum obersten 
Gesetz macht. 
Jungfräulichkeit ist der feste Riegel, der die Geheimnisse ver 
wahrt, sie ist die keusche Ehrfurcht vor dem Gottesfunken ln der 
Seele sowohl als auch vor der hülle des Leibes. Die jungftäuliche 
Seele bleibt nach Meister Ekkehardt mit Sinnen und Sehnen keusch 
in sich verschloffen. wirkt statt nach außen nach innen. Sie flieht 
den Lärm und sucht Momente der Gotteinsamkeit, des trauten Zwie 
gesprächs, Augenblicke des Gottnahefeins inmitten der Stürme des 
Lebens, der Sorgen des Alltags, der Bürden des Berufes. Nicht nur 
romantische Schwärmerei ist es, wenn unsere Jungmädchen „in ihrer 
tiefen Not" sich an die Gottesmutter wenden und inbrünstig: „Meer 
stern, ich dich grüße" singen. Es ist das sinnige Flehen um ein 
reines Leben, um eins sichere Fahrt, um Kraft und heil. 
In unserer katholischen Jugendbewegung können sich nicht Auf 
fassungen durchbrechen, als sei strenge Zucht im Verkehr „Auswuchs 
der Prüderie des aszetischen Fanatikers" (Elise Busse-Wilson: Frau 
und Jugendbewegung. Hamburg 1920 — auch Blüher), sie kann 
nicht die Auffassung der'idcalistisch-freideutschen Jugend teilen, die 
glaubt, durch das Progamm der wechselseitigen Durchdringung von 
Körper und Seele käme sie hinweg über alles sexuelle Niedrige. Der 
Protest gegen den sexuellen Materialismus befreit nicht von Lust und Trieb, 
wenn das geistige Ich nicht Rückhalt findet in Religion und Moral. 
Die neue Jugend will ihr Leben gestalten in innerer Wahr 
haftigkeit, kann und darf sich also nicht täuschen über die ein 
fachsten Tatsachen. 
Die streng aszetische Richtung der Jugendbewegung kann bit 
einzig mögliche Lösung bieten, allein die Grundlagen schaffen für 
gesunde gesellschaftliche Neuordnungen, kann in herber EntsagunL 
und strenger Zucht die Übermacht des Geistigen erfftreben. 
„Monsaloat ist nicht gewohnt, 
Daß durch seine Tore tritt, 
wer zuvor nicht ernstlich stritt 
Gder doch bei sich gefühlt, 
was der Welt wie Sterben gilt."
	        
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