Full text: Wochenschrift für katholische Lehrerinnen - 37.1924 (37)

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leferungen, das ist wahrhaftigsein." Die Forderung der Wahr 
haftigkeit schritt voran zu der nach Wesenhaftigkeit. „Die 
besetze des Denkens und des Sollens sind im letzten Sinne Gesetze 
aes Seins." Und die katholische Jugend, sie fühlt die Pflicht, das 
religiöse Leben aufzubauen von Wirklichkeit und Wesen her, nicht 
oon allem, was aus dem eigenen Innern dunkel aufsteigt. Wahr 
haftigkeit ist „Wesenhaftigkeit, Gehorsam gegen das 
Mahre Wesen der eigenen Seele, der Gemeinschaft, der Welt, 
Gottes." Wahrheit ist sucht, Gehorsam, Dienst. „Ich diene" ist 
oer neuen Jugend wahre Losung (Trutznachtigall), die den tiefsten 
Sinn ihres wollens erkannt hat; wir dienen, wir ordnen uns ein 
m die neuerrungene Ganzheit des Lebens, fügen uns der Gemein- 
fchaftsordnung, der Autorität. Die Jugend sah ihre Unfertigkeit, 
die der formenden Rraft des erfahrenen Alters bedarf; das Alter ist 
nicht mehr Ausdruck der Lebensverneinung, sondern halt und Rraft. 
Nicht nur Stürmen gehört zum Lebendigsein, auch Lauschen, Schweigen. 
Lauschen der Autorität, die letzten Endes zur Freiheit des Qber- 
sichhinauskommens verhilft, die die Persönlichkeitsentwicklung fördert, 
da sie nicht allein von innen Kommen kann. Der Sinn des Lebens 
ganzen, die Stellung und Verantwortlichkeit des Individuums inner 
halb der Gemeinschaft wird umrissener, die innere Einstellung kommt 
zum Durchbruch. Dem Alter zollt man Achtung, da es Weisheit 
birgt, man gehorcht unbedingter, da Einsicht und freie willens- 
ontfcheidung Voraussetzungen wurden. Autorität wird erkannt als 
schaffende Lebensmacht, als Hilfe zur Freiheit. Auch das 
vertrauen zur Rirche wird neu belebt. Die Jugend erblickt in ihr 
das Organ des heiligen Geistes. Das restlose vertrauen gibt Rraft, 
über Bedenken des individuellen Urteilens hinwegzukommen, Kraft 
des Glaubens an den wert der eigenen Seele. Und der Glaube, 
er lehrt der Gottesstimme des Gewissens lauschen, zeigt deutlich die 
Forderungen des Gottesgebotes, die Pflichten der Selbstzucht. Und 
der Wille, er wächst am Gesetz, er stählt sich in straffer Zucht, im 
Gehorsam gegen die Ordnung, das religiöse Bewußtsein wird stark, 
jenes Bewußtsein, daß unser Los an Gott gebunden ist. 
Daraus ergibt sich für die katholische Jugendbewegung, daß ihr 
das religiöse Verhältnis etwas Selbstverständliches ist, die Er 
kenntnis, daß der Mensch dem ganzen Wesen nach Gott gehört, 
dem Lenker der Geschicke, dem vollkommenen, Reinen - aber auch 
Gerechten. Aus der Erkenntnis heraus erwächst die der Katholischen 
Jugend eigene Einstellung zum Gebet, als der Form des kindlichen 
Verkehrs mit Gott, zum heiligen Meßopfer, das die Gemeinschaft 
festigt und enger bindet, zu den heiligen Sakramenten, die 
neue Uraftquellen bedeuten im Ringen und Streiten. Und die Reli 
gion, sie zeigt die seelenbildende Wirkung, das neue Leben im 
Glauben verleiht der Bewegung Festigkeit und Geschlossenheit, „wir 
sind katholische junge Mädchen, wir wollen nicht nur katholisch 
heißen, sondern auch katholisch sein. Die Religion soll nicht nur 
neben uns stehen, sondern in uns wurzeln, sie soll uns durch 
dringen und Leitpunkt unseres Handelns sein." (Aus dem I. Rund 
brief der Werkgemeinschaft: Trutznachtigall.) 
Und eine junge hochländerin: „Nach all dem heißen Ringen 
langer Jahre, nach allem Suchen und Sehnen bekennen wir unsere 
Gemeinschaft, uns aufs neue zu unserem katholischen Glauben, 
den wir uns eroberten, der uns zum wertvollsten Gut ge 
worden!" Und: „Jungsein heißt unfertig sein. Unser großes Ziel 
ist darum Selbsterziehung; wir wollen besser werden, mit allem 
Streben der Seele an uns arbeiten, uns in religiöse Fragen hinein 
vertiefen, ernste Selbstkritik anlegen und unserer Führerin Rechen 
schaft geben, uns mit vollem vertrauen ihr nahen. In der Er 
kenntnis unserer Unfertigkeit bekennen wir uns zu der von Gott 
eingesetzten Autorität." Mit allem Rönnen will diese neue Jugend 
ihre Religion erfassen, will sie zur Rirche stehen. Mit Inbrunst und 
aller Glut jugendlichen Empfindens wenden sich unsere Jungmädchen 
an die Gottesmutter, in der sie die vollendete Reinheit sehen. 
„Unendliches vertrauen durchströmt unsere Brust, wenn wir Maria 
als Freundin und Mutter verehren, vor der alles sich neigt. Und 
wir gewinnen ihre Gunst, kommen wir doch mit der Gpferschale 
der Entsagung, deren Duft Gott und alle heiligen erfreut." (Jobannis- 
feuer h. V. 1923.) 
In lebendiger Mitwirkung nimmt diese Jugend Christentum 
und Liturgie hin, nicht als altes Erbstück — nein, als neu er 
worbenen Schatz. Mit heiliger Inbrunst nimmt sie aktiv teil am 
heiligen Opfer, versenkt sie sich mit ihrer Führerin in die alte Kirch. 
liche Tradition. Und die Religion, sie hat nichts Erdrückendes, das 
Gewissen Rnebelndes an sich. Der wahrhaft katholische Mensch ist 
subjektiver, persönlicher, eigenständiger als der Freideutsche, weil er 
wirksamere Mittel hat, zu sich zu kommen, in sich zu schauen, aus 
sich herauszukommen als der religionslose Mensch. (Schluß folgt.) 
Aus Württemberg. 
Die schweren Folgen des Schulabbaus werden in etwa gemildert 
durch einen Erlaß des Oberschulrats vom 3. 6. 24, Nr. 8325 über 
die Bedingungen für Ablegung der zweiten Dienstprüfung. Die Forde, 
rung der Prüfungsordnung 8 20, Abs. I, Nr. 3 vom 1. 5. 1917, 
wonach die unständigen Lehrkräfte bei der Zulassung zur zweiten 
Prüfung mindestens zwei Jahre in einer Volksschule oder sonst an 
einer staatlichen oder staatlich anerkannten Schule im Lande unständig 
verwendet gewesen sein müssen, wird eingeschränkt. Die Oberschul 
behörde wird bis auf weiteres ermächtigt, solche Lehramtsbewerber 
und -bewerberinnen, die infolge unverschuldeter Nichtverwendung im 
öffentlichen Schuldienst des Landes, schon nach kürzerer Dienstzeit 
zur zweiten Prüfung zuzulaffen, vorausgesetzt, daß die anderen Be 
dingungen des § 20 erfüllt sind. Sollte es sich darum handeln, 
einen Lehramtsbewerber zuzulaffen, der überhaupt noch nie im 
öffentlichen Schuldienst verwendet war, so ist in jedem Fall die Ge« 
nehmigung des Ministeriums einzuholen. Im übrigen ist den um 
verwendeten Lehramtsbewerbern, die sich auf die zweite Prüfung 
vorbereiten, Gelegenheit zu geben, sich als Schulpraktikanten (ohne 
Vergütung) einer Volksschule anzuschließen, damit sie mit dem Leben 
der Schule in Fühlung bleiben und selbst einige Lehrproben halten können. 
Die Zentrumspartei brachte durch Herrn Regierungsrat pollich, 
die Anfrage über „Umwandlung Kleiner LandvolKsschulen in privat 
schulen". Daraufhin hat das Staatsministerium beschlossen, daß die 
Gemeinden, die zur Fortführung ihrer abgebauten Einklassenschulen 
dauernd oder zeitlich in den Ruhestand versetzte Lehrer verwenden» 
dem Staat keinen Teil des Ruhegehalts oder Wartegeldes zu er 
setzen haben. 
Es ist das ein schöner Erfolg, über den wir uns sowohl im 
Intereffe unserer Schule als unserer zu früh pensionierten Rollegen 
und Rolleginnen freuen dürfen. Auch eine pensionierte katholische 
Lehrerin hat die Weiterführung einer Einklassenschule als privat- 
schule übernommen, wir wünschen ihr Glück dazu! 
Line neue Verfügung des katholischen Gberschulrats verdient 
unsere besondere Beachtung, weil sie uns Lehrerinnen endlich das 
Recht zur Führung von Mädchenoberklaffen gewährt. Es ist darin 
bestimmt, daß reine Mädchenoberklaffen tunlichst von Lehrerinnen 
(besonders von ständigen) geführt werden sollen, wo bei der Rlassen- 
Verteilung im April d. I. nicht nach diesem Gesichtspunkte gehandelt 
wurde, ist das versäumte vor Beginn des Winterhalbjahrs nachzu- 
holen, wenn irgendwo aus besonderen Gründen von dieser ver- 
fügung abgegangen werden sollte, so ist umgehend an den Ober- 
schulrat zu berichten. — Es ist nun Sache der Rolleginnen, an den 
einzelnen Schulen die Durchführung dieses Erlasses zu veranlaffen, 
nötigenfalls zu erzwingen. 
Suchen wir das vertrauen unserer Gberschulbehörde zu wür 
digen! Nehmen wir hoffnungsfroh die oberen Mädchenklassen! Möge 
keine einzige Rollegin, keine jüngere und keine ältere, sich dieses 
schönen Erfolges unseres Lehrerinnenberufes unwürdig zeigen durch 
ablehnende Haltung! Dies wäre im tiefsten Grunde zu bedauern. 
An einige, die vielleicht nicht das nötige Selbstvertrauen haben, um 
plötzlich von der Unter- oder Mittel- in die GberKlaffe zu steigen, 
richte ich die freundliche Bitte, sich mit aller Rrast an die neue 
Aufgabe zu machen und zu sprechen: „Ich vermag alles in dem, 
der mich stärkt." Selbstverständlich dürfen wir dieser helfende« 
Himmelskraft nicht den weg verbauen — wir müssen weiterstudieren; 
nicht nur jedes Semester sich einen Stoffplan machen und nicht nur 
jeden Monat nachsehen, ob das Ziel erreicht wird, sondern wöchent 
lich und täglich, ja täglich müßen wir uns gründlich vorbereiten. 
Ich garantiere jeder Lehrerin, die sich immer gut vorbereitet auf 
ihren Unterricht, daß sie eine gute Schule bekommt. Scheuen wir 
doch keine Mühe, unseren Heranwachsenden Mädchen alles zu tun, 
alles zu geben, alles zu fein, was in unserer Rraft steht. helfe« 
wir sie erziehen nach christlichen Frauenidealen!
	        
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