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□ Immer strebe zum Ganzen, und kannst du selber kein Ganzes werden: als dienendes Glied schließ °
□ an ein Ganzes dich an. ^ (Schiller.) □
sie die Verordnungen der Schule als Eingriffe in den ureigensten
Lebenskreis, maß sie die Schulerlebnisse am eigenen Ideal. Sinnlos
erschien in diesem Lichte das Schulleben, seine Forderungen unberech
tigt. Durch die Rrt der Einstellung wirkte die Rritik zerstörend,
wenn auch manche Mißstände aufgedeckt wurden, die eine Beseitigung
verdienten, „wir wollen Schulrevolution", das wurde Parole vieler
Jugendbewegler. (Diese neue Schule schuf wyneken in der freien
Schulgemeinde.) Ruch da, wo man die freie Schulgemeinde als die
einzige Lösung ansah, verlangte man volle Umgestaltung. In Ham
burg versuchten Junglehrer die Gedanken der Jugendbewegung zu
verwirklichen in einer versuchsschule, der „Wendeschule" (vgl.
Jöde: Pädagogik deines Wesens). „Der Geist soll herrschen, Autorität
verdammt werden, Liebe erwachen, wo Ruhe und Ordnung waltete,
da soll tiefe, heilige Unruhe hinkommen, damit Neues werden kann,
wo Zwang war, soll Kameradschaft sein . . . was von Bevormundung
und Vorschriften wimmelte, soll von Selbstentfaltung und Selbst
verantwortung erfüllt sein. Rll den Wust fremden, aufgepfropften
Lebens wollen wir umstoßen und eigenes ursprüngliches Leben an
seine Stelle setzen." Diese Gedanken der wendeschule Kehren überall
wieder in allen Formen und Stufen der Jugendbewegung, ja, sie
schreiten bis zur Forderung der absoluten Umgestaltung des
Schul- und Bildungswesens im Sinne der Rutonomie der Jugend,
(wie stark die jugendlichen Gemüter von der Frage nach der Neu
gestaltung der Schule bewegt sind, beweist u. a. ein von ca. 700 Teil
nehmern aus ganz Deutschland besuchter Jugendtag im Januar 1920
in Vüffeldorf.)
Mit zwei Gruppen von jungen Menschen haben wir zu schaffen,
einmal mit der noch schulpflichtigen Jugend, die das Verhältnis
zur Schule dauernd als Problem persönlichster Rrt empfindet, dann
mit Jugend kr eisen, die sich mit allen einschlägigen Fragen mehr
theoretisch-reformerisch beschäftigen. Wie kennen wir zunächst
den weg zur Seele der ersten Gruppe finden? wir sehen in unserer
Schule eine Stätte der Rrbeit und Erziehung, eine Stätte gemein
samen Jugendlebens, dem wir all unsere Rraft widmen im direkten
Unterricht, in dem, unter starkem Zurücktreten des rein Dozierenden,
das gemeinsame Erarbeiten Ziel ist, in dem wir lernen aus der Per
spektive der jungen Menschen sehen, unserer Jugend Freundin und
Führerin zu werden, zu der sie restloses verirauen hegen kann.
Unsere Jugend stellt weitere Forderungen, innen wir gerecht werden
durch Schülerwanderungen, Bildung von Gruppen zur psiege künst
lerischer und wissenschaftlicher Neigungen.
Zur zweiten Gruppe gehören Jugendliche, die einer Jugend
organisation angehört haben, der Schule entwachsen, nunmehr zu
Schul- und Bildungsfragcn Stellung nehmen im Sinne der Jugend
bewegung (Rronachbund, Junadeutfcher Bund). In diesen Ureisen
herrscht starkes pädagogisches Interesse, und viele Lehrer gingen
daraus hervor. Fragen der Schulorganisaiion und Schulpolitik liegen
ihnen fern, während die innere Umgestaltung des Unterrichts
sie brennend interessiert. (Einige dieser so eingestellten Menschen
fanden sich zusammen im Bunde entschiedener Schulreformen) Die
Jungdeutschen dringen ihrer Einstellung nach auf völkische Ge
staltung des gesamten Unterrichts- und Erziehungswrsens. (Fichte-
Hochschule.) Von einem pädagogischen Programm der Juge.ndKreisr
kann natürlich keine Rede sein, sie würden dasselbe auch ablehnen. —
Jugendbewegung und Jugendpflege.
weite Rreise der Jugendbewegung lehnen jede Jugendpflege ab.
Man betrachtet sich als Selbsterziehungsgemeinschaft und formuliert
die Stellung etwa wie folgt: „Die Zeit der Jugendpflege ist vor-
über, muß vorüber sein, wer unter euch das nicht empfindet, werfe
dieses Blatt in den Papierkorb. Rn die anderen aber, die das
Gefühl in sich tragen, daß eine pflege unnütz ist, weil die Jugend
Gesundheit genug besitzt, um sich des rechten Weges bewußt zu werden,
wende ich diese Zeilen. Jugendpflege erinnert an RranKenpflege,
Jugendpflege ist Jungfrauenverein ... ist gutgemeinter Seelenfang
zugunsten politischer oder konfessioneller Gruppen. . . . Nicht Jugend-
pflege muß die Losung der werktätigen Jugend sein, nicht leidendes
.Sich-erziehen-laffen'. sondern Selbsterziehung." So und ähnlich klingen
die Stimmen aus nichtkatholischen Lagern, da man erfüllt ist vom
Rutonomiegedanken im besonderen. Die stärksten Entgleisungen ent
sprangen diesem Geijtestrieb, der zum Verhängnis für viele wurde.
Die bedingte Eigenständigkeit wurde von der Jugend zur unbedingten
übersteigert.
In übermäßiger Betonung der Eigenständigkeit verlor die
Jugendbewegung die rechte Einstellung zu Gott und Menschen, dar
Maß für ihre eigene Bedeutung, für den Zusammenhang der Dinge.
So kam sie zum hoffnungslosen Ringen, zum frevelhaften Spiel mit
Worten, zur Rblehnung des ihr gebotenen Führers. Sie vergaß,
daß sie auf der Vorstufe der Reife ist, im Übergangsstadium, in
Rrisen, vergaß, daß Überspannung des Jugendbsgriffes letzten Endes
das Jungsein untergräbt.
Eine Gegensätzlichkeit und absolute Rblehnung der Jugend,
pflege besteht innerhalb der katholischen Jugendbewegung nicht.
Eigenartig und beachtenswert erscheint es uns, mit welcher Ziel-
festigkeit und Selbständigkeit gerade innerhalb der katholischen
Jugendbewegung die Fragen der Jugendpflege und der anderen
Gruppen behandelt wird. Einmütig bekennt sich die Jugend zum
Standpunkt, daß Rennenlernen dem verstehen nahe kommt, daß man
aufrichtig die „königliche Runst des Ineinanderwebens der Ge
müter" erstrebt. Lassen wir die Jugend selbst über diese Dinge zu
uns sprechen:
Im heft 4, 1922 des Rranz (Zeitschrift des Zentralverbandes der,
katholischen Jungfrauenvereinigungen Deutschlands) heißt es: „Gewiß
besteht ein großer Unterschied zwischen Jugendpflege und -bewegung,
doch können beide miteinander gehen, und ich stehe auf dem Stand
punkt, daß die Jungbornerin im allgemeinen gut tut, der psarr-
Kongregation beizutreten. —" Vas ist gewiß, daß ein Unterschied
der Rrt vorhanden ist in Rongregation und Jugendgruppe. Doch
„gerade das ist eine feine Probe zu sehen, wie weit wir es in der
Selbstbeherrschung gebracht haben. Rber nicht nur, um uns zu be
herrschen, wollen wir in die Rongregation gehen, sondern aus tieferen
Gründen. Man wirft uns vor, wir schließen uns sozial ab. Die
Liebe zu wahren, ist in den Gruppen nicht so schwer, weil alle
gemeinsam nach einem Ziel streben. Gehen wir in die Rongregation,
um unsere Ranten abzustoßen, dann werden wir vor Einseitigkeit
bewahrt, hier lernen wir Unterordnung unter die nicht selbst-
gewählte Führerschaft. Jungborn kann gerade durch die Mitarbeit
in der Rongregation einer größeren Jugendgemeinschaft dienen. Und
dann wollen wir ernste und strenge Gewiffensersorschung halten,
ob wir das Letzte taten, um den Frieden zwischen Verein und Jung-
born zu wahren . . . Sind wir Jugendliche den Erwachsenen gegen
über stets den weg der Verständigung und der Liebe gegangen?
wollen wir nicht entschieden katholisch werden? hier gilt's, es zu
beweisen. —"
Ruch die Mitglieder verschiedener Gaue und Bewegungen streben
nach gegenseitiger Rnerkennung. Dem entspricht folgendes Pro
gramm: (Rath. Jugendgemeinfchaft Ouickborn-Flugblatt Nr. 15):
„wir müssen uns rein halten von allem Geist der Gewalt, Mißgunst
und Engherzigkeit. Die eigene Sache lieben, für sie arbeiten und
Kämpfen, aber zugleich mit unbestechlichem Urteil die Bedeutung auch
der andern anerkennen und die eigene mit jener zusammen als Teil
einer großen .Gemeinfache' ansehen."
Die katholischen Schülerinnenoereine legen ihre Stellung
zu den Rongregationen fest in einer Denkschrift (Mädchenbildung,
7. heft 21. Z. 217):
I. „In unseren Rongregationen sehen wir die gegebenen Stellen
zur pflege des rein kirchlich-religiösen Lebens. Der Schülerinnenbund
soll die Rongregation nicht beeinträchtigen oder überflüssig machen,
sondern fördern. Die Mitglieder des Schülerinnenvereins sollen mög
lichst auch Mitglieder der Rongregation werden - ob pfarr- oder
Spezialkongregation in Betracht kommen, müßte örtlich entschieden
werden -. so daß die pflege des rein kirchlich-religiösen Lebens
den Rongregationen verbleibt, während die Schülerinnen»
Vereinigungen darüber hinaus Jugendbewegung auf katho«