Full text: Wochenschrift für katholische Lehrerinnen - 37.1924 (37)

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B wer fertig ist. dem ist nichts recht zu machen, ein Werdender wird immer dankbar sein. Gs,th«. 
worden ist. Vieser Abkommen mußte nach der Entscheidung der Botschafter. 
Konferenz vom 20. Oktober 1920 bei dem zwischen Deutschland und Polen 
abzuichließenoen Sondervertrage für Dberschlesirn zugrunde gelegt werden. 
Deutscherseits sind diese allgemeinen Vorschriften nach den Erfahrungen, die 
die Deutschen unter potnischer Herrschaft in lveftpreußen und Posen gemacht 
halten, als völlig unzureichend erkannt worden. Sie verlangten eingehende 
Bestimmungen; polnischerseitr sträubte man sich dagegen, weil man be- 
fürchtete, daß bis ins einzelne gehende Vorschriften als eine authentische 
Auslegung des Vertrages vom 28. Juni 1919 anerkannt werden und die 
polnische Unlerdrückungrpolitik aller Deutschen in lveftpreußen und Posen 
hindern könnten. Vach morcuelangen Verhandlungen gelang es. für Gber- 
. fchlesien im Genfer Abkommen vom 15. Mai 1922 ein Minderheilsrecht zu 
schaffen, wie es sonst nirgendwo in der Welt existiert. Db es Polen oder 
Deutschen nützen, ob es zur Lösung des völkerpsychologischen Problem- 
beiträgen wird, kann erst die Zukunft lehren. Uns interessiert heute ein 
Teilproblem: das Minderheitsabkommen in bezug auf das öffentliche Volks- 
schulwesen, das in Teil 2, Kapitel 4, Abschnitt 2, Artikel 105 — 114 des 
Genfer Abkommens behandelt «st. 
Auf dem Gebiete des öffentlichen Volksschulunterrichtes bestimmt- das 
Abkommen, daß eine Minderheitsschule auf den Antrag eines Staats 
angehörigen einzurichten ist, der von den Erziehung berechtigten vo 
wenigstens 40 staatsangehörigen Kindern einer sprachlichen Minderheit 
unterstützt wird, wenn sie im schulpflichtigen Alter stehen, zum Besuche der 
Volksschule bestimmt sind und zu demselben Schulverband gehören, wo 
die genügende Zahl von Kindern für eine Minderheitsschule fehlt, aber 
mindestens 18 Kinder der sprachlichen Minderheit vorhanden sind, sind die 
Volksschulklassen mit der Minderheitssprache als Unterrichtssprache in der 
allgemeinen Volksschule einzurichten. Bei zwölf Kindern gleicher Konfession 
ist ein Minderheitsreligionrunterricht einzuführen. Die Minderheftrschul- 
einrichtungen werden nach denselben Grundsätzen unterhalten, wie die übrigen 
öffentlichen Volksschulen. Der Staat hat sich an den SchuUasten durch 
Gewährung von Beiträgen oder Zuschüssen zu beteiligen. Für jede Minder 
heitsschule oder Minderheitsklosse ist erne Schulkommiifion einzurichten, die 
an der inneren und äußeren Verwaltung zu beteiligen «st. An den Minder- 
heitsschulen werden nur Lehrer angestellt, di« derselben Minderheit angehören 
wie die Kinder und die Sprache der Minderheit beherrschen. Nach dem 
allgemeinen Grundsatz darf keine Ermittlung darüber statifinden, ob die 
Eltern der Kinder, für die der Antrag gestellt wird, nach objektiven Grund 
sätzen der sprachlichen oder völkischen Minderheit angehören, vielmehr ist 
der Antrag, nicht eine irgendwie aufgenommene Statistik über die Mutter- 
spräche der Kinder, allein entscheidend. 
Wer wacht über die Durchführung dieser Bestimmungen? Um diese 
Frage entbrannte in Genf ein scharfer Streit. Die Polen wollten nur den 
Völkerbundsrat als Entscheidungsinstanz zuloffen, di« Deutschen verlangten 
als Zwischenstation die Gemischte Kommission. Sie drangen schließlich mit 
ihrer Forderung durch. In beiden Teilen Dberschtefiens ist von der deulschen 
bzw. polnischen Negierung zur Wahrung der Minderheitsrechte ein Minder, 
heitsamt eingerichtet. An dieses können die Angehörigen der Minderheit 
sich wenden, wenn es sich um Anwendung und Auslegung von Bestimmungen 
des Vertrages seitens der Verwaltungsbehörden handelt. Vas Minderheits- 
omt legt die Eingaben, die zunächst der im Abstimmungsgebiet vorhandenen 
höchsten Verwaltungsbehörde zur Entscheidung zugeleitet werden müssen, dem 
Präsidenten der Gemischten Kommission zur Stellungnahme vor, sofern er 
dem Minderheitsamt nicht gelingt, die Antragsteller za beftiedigen. Der 
Präsident kann sich alle Informationen verschaffen, die ihm nützlich und 
zweckdienlich erscheinen. Lr gibt dem Antragsteller und dem Minderbeits- 
amt Gelegenheit, sich schriftlich oder mündlich zu äußere Er hat die Mit 
glieder der Gemischten Kommission aufzufordern, ihre Meinung zur Sache 
abzugeben, und trifft dann seine Entscheidung in Form einer rechtlich zwar 
nicht verbindlichen, tatsächlich aber durchaus wirkungsvollen Erklärung 
seiner Stellungnahme. Vas Minderheitramt übermittelt der zuständigen 
Verwaltungsbehörde die Stellungnahme drs Präsidenten und unterrichtet 
diese über die Folge, die seiner Erklärung beizulegen ist. Var Verfahren 
ist nicht öffentlich- Der Präsident der Gemischten Kommission kann indes 
bestimmen, ob und wann seine Stellungnahme veröffentlicht werden toll 
Ist der Antragsteller mit der Erklärung, die sein Antrag auch nach erfolgter 
Stellungnahme des Präsidenten gefunden hat, nicht einverstanden, so kann 
er das Minderheitsamt ersuchen, seine Eingabe durch Vermittlung der Ne 
gierung an den völkerbundsrat weiterzule,ten. Die Vermittlung zwischen 
Gemischter Kommission und der Staatsvehörde ist dem Neichs- und Staats- 
Vertreter bei der Gemischten Kommission übertragen. 
Vas Verfahren erscheint gekünstelt und umständlich, ist es auch, bietet 
aber, wie die einjährige Erfahrung lehrt, eine sichere Gewähr für einen 
wirksamen, die Staatraulorität wahrenden Minderheitenschutz. Eine Ver 
gewaltigung der Minderheit ist ausgeschlossen, da ihr di« Möglichkeit geboten 
ist, jederzeit den nicht deutschen Präsidenten der Gemischten Kommission 
auzurufen. Daß nicht die Gemischte Kommission als solche, sondern nur 
der Präsident nach Anhörung ihrer Mitglieder Stellung nimmt, ist be 
deutungslos, da es bei einer Meinungsverschiedenheit zwischen den deut chen 
und polnischen Mitgliedern der Gemischten Kommission auf seine Ent 
scheidung allein ankäme. Bedeutungsvoll ist, daß der Präsident nicht 
unmittelbar entscheidet, sondern nur seine Stellungnahme erklärt, die keine 
rechtlich bindende haft für die Landesvehörde besitzt. Km so stärker ist 
der moralische Einfluß des Präsidenten, der mit der Eigenart einer starken 
Persönlichkeit, wie sie Talonder besitzt, wächst. Man mutz sich völlig klar 
darüber sein, daß es die deutschen Vertreter bei der Genfer Verhandlungen 
gewesen sind, welche eine magna Charta für den Minderheitenschutz, zu- 
gleich aber auch die Gemischte Kommission mit dem Präsidenten an der 
Spitze zur Sicherung der Minderheltsrechte durchgesetzt haben. Man darf 
nicht vergessen, daß die von den deutschen Vertretern geschaffene Situation 
die deutsche Ltaatsregieruug nunmehr auch verpflichtet, alles zu tun, um 
die Autorität des Präsidenten zu stärken. 
Ls stellte sich bald heraus, daß die Bestimmungen des Genfer Ab- 
Kommens trotz ihrer klaren Umrelhung bei der Mentalität der Interessenten 
Auslegungen der verschiedenen Artikel notwendig machten, zu der der 
Präsident der Gemischten Kommi'sron berufen war. Vas erste Problem 
ergab sich aus Artikel 105 und 107. Sind Minderheitsfchulen einzurichten, 
wenn ein Teil der Anträge zurückgezogen worden ist, so daß die nach der 
Konvention erforderliche Zahl der Anträge nicht mehr vorliegt? Die Ent 
scheidung fiel im ersten Memorandum, veröffentlicht unter dem 4. August 
1922 —. Sie sprach sich dahin aus, daß die Zurückziehung einmal ge 
stellter Anträge auf die Errichtung der Schule keinen Einfluß ausübt fauch 
wenn, wie in Antonia, Kreis Dppeln, nur noch drei Anträge aufrecht 
erhalten werden). Artikel 108 des Genfer Abkommens beftmmt, daß eine 
Minderheitrkchuleinrichtung nach einem Schuljahr wieder ausgehoben werden 
kann, wenn während dieser Jahres die Kinderzahl ununterbrochen geringer 
war als die Hälfte der vorgesehenen Mindestzahlen^ nach drei Jahren ist 
die Aufhebung möglich, wenn die Schülerzahl ut diesem Zeitraum hinter 
der für die Begründung maßgebenden Schülerzahl zurückbleibt. 2. Problem: 
Ist ein Erziehungsberechtigter, wenn er einen Antrag auf Überweisung 
seines Kindes in eine Minderheitsschule gestellt hat. verpflichtet, sein Kind 
auch in die Minderheitsschule zu schicken? Die Frage ist tm ersten Memo 
randum verneint worden, weil ein Zwang auf die Erziehungsberechtigten 
nicht ausgeübt werden darf. 2. Problem: Darf nur drrjenige Vater lein 
Kind in die Minderheitsschule schicken, der einen diesbe-üguchen Antrag 
gestellt hat? Die Antwort lautete verneinend; ist eine Mw. de» Heilsschute 
vorhanden, so darf niemand gehindert werden, davon Gebrauch zu machen. 
Nebenbei bemerke ich, daß Überweisungen aus der deutschen in d'.e polnische 
Schule und umgekehrt innerhalb des Schuljahres vermieden werden sollen, 
Vas schwierigste Problem wird in Art kel 113 des Genfer Abkommens 
aufgeworfen. Er lautet: Um für die Miuderheitsfchuleinrichtung ein« ge 
nügende Zahl von Lehrern bereitzustellen, werden die vertragschließenden 
Teile folgende Maßregeln treffen: 
1. An Minderheitsschulen werden grundsätzlich nur Lehrer angestellt, 
die derselben Minderheit angehören wie die Kinder, und welche die Sprache 
der Minderheit vollkommen beherrschen. Für Lehrer, die an den Kinder- 
heitsschulen angestellt sind und die Sprache der Minderheit noch nicht in 
dem «forderlichen Maße beherrschen, werden Sprachkurse eingerichtet. 
2. Die Befähigung zur Abstellung als Lehrer an einer öffentlichen 
Volksschule eines der vertragschließenden Staaten genügt zur Anstellung für 
den Minderheitsunterricht in dem d?m anderen Staate gehörenden Teile 
des Abstimmungsgebietes. Zur Anstellig an einer öffentliche« Volksschule 
darf der Erwerb der Staatsangehörigkeir gefordert werden. 
Die Auslegung der Artikels 112 hat bereits zu langwierigen münd 
lichen und schriftlichen visku sionen geführt, ohn« daß bis heute völlige 
Klarheit geschaffen ist. Von verschiedener Seite find bereits bei der erste« 
Besprechung der das Volksschulwesen betreffenden Abschnitte des Genfer 
Abkommens «twa im Februar 1922 die schwersten Bedenken gegen Ar 
tikel 113 ausgesprochen worden. Trotzdem wurde an ihm mit Nücksicht 
uud zum Schutze des Deutschtums im «ntriffenen Gberschlrsien festgehalt,-«. 
Auch heute noch legen die Deutschen Dst-Gberschiefiens auf genaueste Er 
füllung des Artikels 113 großen lvert, tim ihr Schulwesen mit deutschen 
tehrern im deutschen Geiste ausbauen zu können. Uns bringt der Ar 
tikel 112 die grcßten Gefahren, wenn dem Drängen der Polen nach pol 
nischen Lehrern an der Minderheitsschrffe nachgegeben werden müßte. Der 
Januar-Artikel der Oppelner „Nowivp" Nr. 8 arbeitet bereits in diesem 
Smr.e. wen« auch die Möglichkeit bestehe« wird, polui che Lehrer, die 
nicht frei von chauvinistischen Tendenzen und nicht loyale preußische Beamte 
und Staatsbürger find, von der Minderheitsschule fernzuhalten, so wäre 
schon die Tatsache, daß unseren oberschlesischen Lehrern polnische Lehier 
vorgezogen werden müßten, eine untragbare Niel erläge. — Das versteht 
man unter Angehörigkeit der Lehrer zur Minderheit? Die preußische Ne- 
qierung hält eine« Lehrer, der geborener Tberschlefier ist, die Spraye seiner 
volksstammes von Kindheit an spricht, srine Psyche kennt, für die Be 
strebungen der polnischlprechenden Gberschlesier nach Erhaltung ihrer 
Sprache, ihrer Sitten und Gewohnheiten Verständnis und Sympathie hat. 
für zur Minderheit gehörig und lehnt Lehrer, die im verdachte groß- 
polnischer Gesinnung stehen, als Lehrer an M.ndertzeilsschulen entsch,reden 
ab. Präsident Talonder gibt dem Begriff Minderheit einen tieferen Inhalt 
und engeren Kmfang. Zu einer Minderheit gehört, so sagt Talonder in 
dem zweiten Memorandum, wer mit der Minderheit fühlt und der kt, für 
ihre erlaubten Bestrebungen Sympathie und Interesse hat und ihre 
anerkannten Bedürfnisse mitempfindet, lver trotz aller Sprachkennt- 
niffe den Bestrebungen und Bedürfniffen der Minderheit fremd, ablehnend 
oder gar feindselig gegenübersteht, gehört nicht zur Minderheit und dar« 
daher an einer Minderheitsschule nicht unterrichten. 
Meine Damen und Herren, Sie werden nach dem, was ick gesagt habg, 
volles Verständnis dafür haben, daß die preußische Negierung den oller- 
arößten lverr darauf legen muß, die geborenen Dber,ch.esier ;ur dkv 
Unterricht der Minderheitsschule zu gewinnen. Sie werden dringend ge 
beten. noch Möa'ichKeit darauf hinzuarbeiten, daß sich Lehrer und Lebre- 
rinnen bereitwillig in den Dienst der Minderheitsschule stellen, es heg*
	        
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