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Inhalt: Breuer, Zur Psyche der Volksschülerin 5. 285. pädagogische
Rundschau: Richtlinien für die Gestaltung des staatsbürgerlichen Unter
richts. Zur Frage der Lehrerbildung. Meinungsaustausch: Abteilung
Für höhere Mädchenbildung. Aus Württemberg. Rus der Zeit: Mijsions-
tagunq in Berlin. Ländliche Haushaltspflegerinnen. Amtliches: Wohnungs
und Umzuqskoftenbeihilfen. Erdkundliche Nachbilder. Aus unserem
verein: Hessen-Rassau. Schlesien. Bezirks- und Zweigvereine.
Reijeaustausch. Merktasel. Bücherbesprechungen.
Zur Psyche der Vo!i§schü!erm.
Einige Gedanken und Beobachtungen ans der Unterrichts
und Srziehungspraxis einer Mädchen-Gderklaffe im Industriegebiet.
von Ad. Breuer, Dortmund.
Kus allen Verhandlungen, Überlegungen und Anregungen, die
Paderborn uns gebracht hat, ist eines mit eindringlicher Deutlichkeit
herauszuschälen: daß die mannigfaltige und tiefgehende Not unserer
Jugend von der Wurzel her nur geheilt werden kann durch treue,
liebevolle Erziehungsarbeit, die der einzelne an seiner Stelle, in
seinem Kreise zu leisten hat. Darum kommen wir heute nicht mehr
aus mit der engumgrenzten Psychologie unserer Lehrbücher; das
tägliche Arbeiten an und mit den Rindern muß uns fortlaufend die
notwendigen wertvollen Ergänzungen unserer Kenntnisse bringen,
damit wir in außergewöhnlichen Zeiten auch in außergewöhnlicher
weise den uns anvertrauten Seelen helfen können. Allen, die heute
noch in der praktischen Schularbeit stehen, macht es fast jedes
Tagewerk mit bisweilen recht schmerzlicher Deutlichkeit klar, daß
wir mit psychologischen Kenntnissen nicht mehr auskommen, wenn
wir die Rinder recht beurteilen, sie verstehen, ihnen helfen wollen.
Ganz gewiß werden wir uns in einer Zeit, in der sich die „Arbeits-
• schule" als Unterrichtsprinzip langsam aber sicher Bahn brechen
wird, nicht mehr mit einer typischen Einstellung unserer Klaffe
gegenüber begnügen; wir werden uns, um der werdenden Einzel
persönlichkeit in unseren Schülern gerecht zu werden, alles zu eigen
zu machen suchen, was die neuere Psychologie uns von den Alters
stufen, von den Temperamenten, von den Begabungs- und wcrttypen
und von der durch das Geschlecht bedingten verschiedenartigen seelischen
Einstellung unserer Zöglinge zu sagen weiß. Je mehr wir bemüht
sind, statt „der gefestigten Methode des Seminars, die die Selbst
verständlichkeit der Routine mit sich brachte, uns für eine Arbeits
weise zu erwärmen, die das Rlaffenbild umgestaltet und eine zähe,
mühevolle, grundehrliche Arbeit an Stelle des glänzenden Erfolges
rückt" (Maria Müller in „Einige Gedanken zur Frage der Lehrer
bildung", Nr. 24 der Wochenschrift), desto leichter und sicherer wird
es möglich sein, die Visuellen, die Akustiker und die Motoriker in
der Klaffe zu unterscheiden, ihre Neigungen und Leistungen nach
rhrer besonderen Veranlagung einzuschätzen, ihnen die geeignete
.Lernmethode zu zeigen. Und doch — ich wage die Ketzerei —
können alle Errungenschaften der experimentellen Psychologie in der
Erziehungsarbeit an unserer Jugend nicht viel nutzen, wenn diese
Erziehungsarbeit nicht geleistet wird von einer Persönlichkeit, die
neben das Experiment oder an seine Stelle etwas zu setzen hat,
was ich als psychologische Intuition bezeichnen mächte: ein
starkes, sicheres Einfühlungsvermögen in die Seelenlage des Rindes,
das in Deutschlands Not heranwächst und darum den drückenden
und zermürbenden Einflüssen der Zeit ausgesetzt ist. — Aus einer
engumgrenzten Praxis heraus ist es unmöglich, im allgemeinen
von der gegenwärtigen Seelenlage unserer Rinder zu sprechen. Sie
wird sich nach Alter, Geschlecht, besonders nach all dem, was man
als das Milieu, also die räumliche und menschliche Umgebung, die
Lebensverhältnisse eines Menschen zu nennen pflegt, ganz verschieden
gestalten. So wird klar, daß ich auch in meinen Gedanken und
Beobachtungen „Zur Psyche der Volksschülerin" nur einen kleinen
Ausschnitt des Ganzen geben will und kann, soweit eben die Arbeit
in der Mädchen-Dberklasse einer Volksschule im Arbeiterviertel einer
Industriegrotzstadt einen Einblick gestattet. Doch schon innerhalb
dieses kleinen Ausschnittes ist die Fülle der Beobachtungen und der
daraus hervorgehenden Anregungen für die Erziehungsarbeit so groß,
daß sie unbedingt den Rahmen eines Zeitschriftenartikels sprengen
würde, wenn sie nicht durch einen bestimmten Leitgedanken in ein
gewisses System gebracht würde. Diesen leitenden Gedanken möchte
ich aus der Zielstellung ableiten, die ich in Nr. 14 der Wochenschrift
näher dargelegt habe, die Erziehung in der Mädchenvolksschule von
der gegenwärtigen Lage der Frau aus zu betrachten, wenn es sich
von diesem Ziele aus gesehen ergab, daß schon die Schule im heran
wachsenden Mädchen die heimschaffenden Rräfte zu wecken und es
für feine zukünftigen Gemeinschaftsaufgaben in der Familie, in
Beruf und Staat vorzubereiten hat, möchte ich heute aus der Fülle
der täglichen psychologischen Beobachtungen diejenigen zusammenstellen,
die erkennen lassen, welche Anlagen und Neigungen in der Mädchen
seele dieser Erziehungsarbeit entgegen kommen und welche Hemmungen
sie erschweren und hindern.
Ich bin mir noch nicht klar darüber, wieweit diejenigen recht
haben, die da im Anschlüsse an den modernen Philosophen Georg
Simmel behaupten, das Haus, das heim sei die einzige Kultur-
schöpfung der Frau, die eine Eigenleistung darstelle, die von
keinem Manne nachzuahmen und zu ersetzen sei, das aber ist mir
klar, daß eine starke Besinnung auf die heimschaffenden Rräfte der
Frau sich auch in jenen Rreisen bemerkbar macht, die in einer Zeit
des Kampfes um allgemeine Menschenrechte diese Rräfte weniger
gewertet haben. Durchaus verständlich ist mir das, um so mehr
eine Zeit größter wirtschaftlicher Not die Rückbesinnung auf Güter
und werte nahelegt, die eine materialistische Lebenseinstellung mehr
oder weniger in den Hintergrund gedrängt hatte, wie soll aber
eine Auswertung heimschaffender Frauenkräfte erzielt werden, wenn
man sie nicht schon im Heranwachsenden Mädchen zu wecken und
zu pflegen suchte? Bei unseren Großstadtkindern scheint das eine
Danaidenarbeit zu sein; denn nimmt man es wirklich ernst mit der
erziehlichen Beeinflussung auf diesem Gebiete, so werden zunächst die
Hemmungen, die ein Vordringen bis zur Seele des Rindes erschweren,
ganz klar. Diese Hemmungen liegen zunächst außerhalb des Rindes,
dergestalt, daß sie den Zugang zu seiner Seele sperren oder wenigstens
stark verengen. Rann man überhaupt in einem Menschen, der gar
kein heim hat, vielleicht nie und nirgendwo eines kennen lernte,
heimschaffende Kräfte wecken? Fehlt da nicht eben jegliche Voraus
setzung zu einer solchen Beeinflussung? wann schafft eine Frau ein
heim? Ich möchte glauben dann, wenn sie für ihre Familie oder
sonst Menschen, die ihr nahe stehen, Räume oder auch nur einen
Raum bereit hält, in den man gern zurückkehrt, wenn Beruf und