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und überall das Echte und Gute achtungsvoll und dankbar grüßt,
wie man eben aus der innigen Verbindung mit seiner eigenen
Familie in Liebe den weg zu den anderen Menschen findet.
Katholische Literaturpflege mutz eine Angelegenheit des gesamten
katholischen Volkes werden. Nicht Fülle dichterischer Bildung einzelner
ist das Endziel, sondern Reichtum an dichterischer Kultur, Kultur als
„Besitzstand einer Volksgemeinschaft" verstanden, wertvolle Pionier
arbeit zu diesem Ziele wird schon geleistet. Ich erinnere an die
beiden wertvollen Broschüren, die im vorigen Jahre bei Herder
erschienen sind: Die bewegenden Kräfte der schönen Literatur
von Di-. Keckeis und Die Zukunft des katholischen Elementes
in der deutschen Literatur von Franz Herwig, ferner an das
Büchlein von Johannes Honigs das unter dem Titel „Dichtung
und Weltanschauung" im Verlage Franke-Habelschwerdt erschien.
Diese Bücher überzeugen von der Notwendigkeit katholischer Literatur
pflege, helfen den Boden bereiten, dessen die Kunst bedarf, wenn
sie blühen soll, indem sie das Verantwortungsgefühl wecken. „Aus
unserem Verantwortungsgefühl wird das Verantwortungsbewußtsein
der Schriftsteller als Menschen und Zeitgenossen hochwachsen." 2 Noch
ist ein weiter weg zu diesem Ziel. „Mit Erstaunen nehmen wir
wahr, daß ein paar tausend Juden die geistige Allgemeinheit viel
starker beeinflussen als viele Millionen Katholiken desselben Landes." 2
wollen wir den Anteil im Geistesleben der Nation haben, den wir
unbedingt beanspruchen müssen, so ist manche Unterlasiung gutzu
machen. Als bedeutende katholische Dichter, wie Friedrich Leopold
zu Stolberg, Zacharias Werner, Friedrich Schlegel, Clemens Brentano,
Görres, Eichendorff, ihre Werke schufen, „wo war das katholische
Publikum, das ihre Begeisterung übertrug und verwurzelte und
weiter wachsen ließ?" 2 „wo waren die Männer, die in dieser
ungeheuer wichtigen Zeit den wert der Literatur ins Volk trugen
und das ganze katholische Volk zum Träger eines katholischen
Literaturorganirmus machten?" 2 Es ist die ungelöste Aufgabe der
katholischen Literaturpflege, „einzugreifen in das Rad des Geschehens,
in die Lebensführung des Volkes, damit ein Jahrhundert nicht das
Ende nehme wie das neunzehnte"? Zu katholischer Literaturpflege
gehört auch eine verantwortungsbewußte, fähige Kritik. Die ^Kritik
muß sich bewußt bleiben, daß „die Kernfrage der Dichtung die
Frage nach dem dichterischen Kern" 2 ist, daß „eine Dichtung wohl
Tendenz haben kann, daß aber eine Tendenz nie Dichtung werden
kann." 2 Daruin ist vom katholischen Dichter nicht nur zu fordern,
daß er die katholische Weltanschauung zur Darstellung bringe,
sondern daß sein Werk wachse „aus dem dichterischen Drang und
Zwang der Begabung, das Leben neuschöpfend darzustellen und die
Idee des Seins in den Erscheinungsformen leuchtend zu machen." 2
Darum „katholisch sein und nach dem höchsten Ausdruck streben!" 8
„wenn wir stolz auf unser katholisches Leben sind, wenn wir in
unserem inbrünstigen Gefühl hinter keinem zurückstehen wollen, wenn
wir in stolzer Demut uns wie das Licht eines Leuchtturms fühlen,
das über das gefährliche Meer hinscheint, dann können wir auch
die Begriffe katholischer Dichter und katholische Literatur nicht hoch
und tief genug fassen." 3 Die Kritik von heute - man sehe einmal
viele Zeitungen daraufhin an - ist noch oft entfernt von echter
Literaturpflege. „Deshalb soll jeder urteilsfähige Katholik, soweit
sein Einfluß immer reicht, eine Kritik nicht dulden, die einer ziel
bewußten Literaturpflege im Wege steht."
wir sind es heute gewohnt, überall düstere Wolken zu sehen,
wie schön ist es, wenn wir da irgendwo einmal wieder ein ver
heißungsvolles Morgenrot schauen! In der katholischen Literatur
der Gegenwart dürfen wir froh ein Morgenrot begrüßen. Man
trägt den Expressionismus zu Grabe,- aber galt nicht sein Ringen
einer echten Ausdruckskultur, wie wir sie einst in „der gewaltigen
gotischen Ausdruckskultur" 3 erlebten? Daß seine Äußerungen unserem
Gefühl fremd bleiben, liegt zutiefst darin begründet, daß „der Mensch
ohne religiöse Bindung wohl eine Ausdruckskunst im Prinzip haben
Kann,- aber er hat nichts auszudrücken, nichts wie seine höchst per
sönlichen und belanglosen Ekstasen." 3 Jetzt ober steht „die Bereitschaft
zur Einordnung in die Harmonie" 3 wieder auf, „die Sehnsucht nach
überweltlicher Bindung"? „Noch steigt die letzte Hefe des Naturalismus
übelriechend auf, das Widerwärtigste an Stoff und Ausdruck tobt
1 fjöttig, Dichtung und Weltanschauung.
* Dr. Keckeis, Die bewegenden Kräfte der schönen Literatur.
• Herwig, Die Zukunft des kath. Elementes in der deutschen Literatur.
in Krämpfen; die meisten der Jungen aber versuchen schon, der
Stoffes Herr zu werden, ihn zu deuten, einzuordnen und zu ver
klären. Man schafft wieder, man versucht es wenigstens mit ehrlicher
Inbrunst. Man stößt den geheimnisvollen Kräften nach, welche die
Dinge beleben und beseelen. ... Die Sucher sind auf dem Wege
zu Gott. ... Die Vorarbeiter, die Pioniere und Pfadfinder dieser
Bewegung sind sogar schon bis an die sichtbare Form Gottes, feine
Kirche, gelangt. Einige- stellen Leitern an die magisch glühenden
Fenster und blicken angestrengt in das Innere, ohne zunächst freilich
mehr zu gewahren als eine Säule, einen Kapellenwinkel, einen
Schimmer vom Ewigen Licht. Andere haben entschlossen die Tür
aufgemacht und sich still oder ekstatisch vor das Allerheiligste hin
gekniet: verlorene Söhne, die heimgekehrt sind."* In diesem Zu
sammenhang muß das Erwachen des Mysterienspiels betrachtet werden.
In der Zukunft kann und muß dem katholischen Element eine
bedeutende Rolle in der deutschen Literatur zukommen; die Zahl
der katholischen Dichter, die im deutschen Literaturleben Anerkennung
finden, wächst.
Lastet uns miteinander ein wenig in dem Garten katholischer
Literatur der Gegenwart verweilen! wie grüßen uns da die
leuchtenden Schöpfungen der Handel-Mazzetti! Es erübrigt sich)
in diesem Kreise, ihre Werke zu würdigen; denn welche katholische
Lehrerin verdankt ihr nicht köstliche Stunden reichen Erlebens,
wem von uns sind „Meinrad helmpergers denkwürdiges
Jahr", „Jesse und Maria", „Die arme Margaret", „Rita",
„Stephana Schweriner" und „Der deutsche Held" nicht lieb-
vertraute Gestalten?
wenn wir nun den Blick erheben, um weiter Umschau zu halten,
da grüßen uns die schneegekrönten Gipfel der Alpen; es klingt uns/
„das Rauschen tiefer grüner Eichenwälder ans Ghr, darin die Vögel;
zirpen; es ist, als hörten wir ferne Brandungen an Gestade der
Ewigkeit rollen." 2 So mutet uns das Dichten Heinrich Federers
an, des großen Schweizer Erzählers. Wandern wir mit ihm durch.)
»Franzens Poetenstube", die romantischen Täler und Berge/
Umbriens, lauschen wir dem schwermütigen Sang: „Gebt mir)
meine Wildnis wieder", der Geschichte von dem alten Einsiedler^
Morone, „den der Spruch der Kardinäle fast mit Gewalt aus seiner
Einsamkeit in den Mittelpunkt des Kirche und Welt durchflutenden
Lebens drängt, und der sich auf dem päpstlichen Throne in der)
Sehnsucht nach seinen Bergen und Wäldern verzehrt"; - durchleben
wir mit ihm die wilde Schreckensnacht in seinem Roman „Pilatus",,
oder sitzen wir mit ihm nieder im frommen Altjungfernstübchen des)
„Mätteliseppi", in dem die Kommunionkinder so brav ihren-
Katechismus lernen und unter den scharfen Augen des Märteliseppr
doch allerhand vergnügte, schalkhafte Kurzweil treiben; oder teilen/
wir die Sorgen der „Jungfer Therese" um den jungen Kaplan
Johannes Keng; freuen wir uns in seinem Buche „Spitzbube über/
Spitzbube" über den einfachen Bruder Nikolaus von der Flüe, der/
den Spitzbuben der Fürsten, die ihm spitzbübisch Segen und Zu-/
stimmung zu ihren Händeln ablocken wollen, allen über ist; denn/
er ist „der Spitzbube Gottes" - immer weiß Federer köstlich zu
erzählen, zu erschüttern, Lachen und weinen zu machen. Tr ist cm)
ganz Eigener, und wenn man eines seiner Bücher als „einen echten
Federer" kennzeichnet, so bedeutet dies keine Redensart.
Und nun treten wir miteinander in eine stille Laube, von Geisblat!
umrankt, in der uns einer unserer Größten Kindheitserinnerungen
erzählt aus der Zeit, „Als Mutter noch lebte". Es ist Petet!
Dö-rfler. Ich weiß nicht, soll ich mehr das was seiner Werke,
oder das wie ihres Entstehens bewundern. Dörfler, bis 1915 iü
der Seelsorge stehend, schuf seine Dichtung trotz seiner schwachen
Gesundheit und trotz der großen Arbeitslast in Schule und vereinen-
Nur die Stunden der Nacht standen dem Dichter zur Verfügung;;/
den Tag nahmen Lehrtätigkeit und Seelsorge in Anspruch? So
bannt er die überreich quellenden Eingebungen aufs Papier. „Als
Mutter noch lebte", „Die verderberin". „Iudith Finfter-
walderin", „Weltkrieg im schwäbischen Himmelreich", „Cr-,
wachte Steine", „Dämmerstunden", „Der Roßbub", „Das
Geheimnis des Fisches", „Der Rätsellöser", „Neue Götter"-,^
„Stumme Sünde", „Peter Farne, der Abenteurer widet
i Herwig, Die Zukunft des kath. Elementes in der deutschen Literatur !
* Literarischer handweiser. / ~ ^ ^ "
3 Stimmen der Zeit, Peter Dörfler^ M