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will, es bleibt immer dasselbe. Immer ist es ihre vornehmste
Aufgabe, für die berufliche Bildung ihrer Glieder zu sorgen. Vas
gilt nicht nur für die Lehrerin, die hier freilich vorbildlich fein
mutz, sondern für alle Berufe. Die Lehrerin, als die Erzieherin
des heranwachsenden Geschlechts, hat aber noch Aufgaben und Mög
lichkeiten, die weit über ihren Stand hinausgehen. In ihrer Mit
wirkung bei der Berufsberatung kommt es in allererster Linie
darauf an, daß sie die Erkenntnis von der Notwendigkeit einer
gründlichen Ausbildung auch dorthin trägt, wo sie heute noch nicht
oder nicht genügend vorhanden ist. Aber auch Angebot und Nach
frage vermögen die Organisationen zu beeinflussen, indem sie vor
Eintritt in den Beruf warnen oder nach Möglichkeit dafür sorgen,
daß der Zuzug erdrosselt wird. Soweit es sich nicht um Beamte
handelt, haben die Berufsverbände auch in ihren Stellenvermittlungen
eine handhabe. Bei guter Geschäftslage fordern sie zum Stellen
wechsel auf, bei schlechter raten sie dringend davon ab. Dadurch
verhindern sie eine künstliche Steigerung des Angebots, oder sie
erzielen künstlich eine Verringerung, je nachdem wie die Lage es
erfordert; sie bieten dem einzelnen Schutz und halt. Bei aller
Anerkennung der Forderung, daß der Ernährer einer Familie, ganz
gleich ob Frau oder Mann, Anspruch auf eine höhere Bezahlung
'hat als der Ledige, vertreten sie den Grundsatz gleicher Bezahlung,
weil die Frau nicht geringere Bedürfnisse hat wie der Mann,
-sondern nur andersartige. Führt der Mann Bier und Tabak ins
Feld, so kann die Frau darauf hinweisen, daß sie entweder für
eine Aussteuer sorgen oder in ganz anderem Matze als der Mann
für ihr Alter sparen mutz. Die Väter und Mütter, die Kinder
erziehen, bringen große Opfer für sie, sie erhoffen aber im Alter
von den Kindern eine Stütze. Die Alleinstehende hat für sich selbst
zu Morgen. Und was etwa der Mann an Bier und Tabak braucht,
wenn man die Berechtigung solcher Beweisführung überhaupt zu
gestehen will, das kann die Frau schließlich für sich verlangen, weil
jte mehr wert auf eine hübsche Häuslichkeit legt, als der allein-
ftehende Mann, der einen größeren Teil feiner freien Zeit außerhalb
des Hauses zubringt.
Alles in allem genommen: die Frauen sind in den letzten Iahren
auf dem Gebiet der Entlohnung vorangckomnrcn. Sie haben die
allgemeine Not mitzutragen, aber sie könnten sie nicht ertragen,
wenn die Unterschiede noch so groß wären wie vor 10 Jahren.
Am Ende der Arbeit sind sie noch lange nicht, denn seibst dort, wo
in der Theorie ihre Gleichstellung anerkannt oder nur ein geringer
Abschlag für sie gemacht wird, besteht doch in der Praxis häufig
ein großer Unterschied. Nicht nur bei den öffentlichen Beainten,
sondern auch in der privatindustrie wird darüber geklagt, daß für
die Frauen zwar die gleichen oder nahezu die gleichen Löhne fest
gesetzt sind, daß aber dauernd und nicht ohne Erfolg versucht wird,
sie in geringere Besoldungsstufen zu bringen als die Männer, die
die gleiche Tätigkeit leisten. Der weg bis zu einer wirklichen
Gleichheit ist noch weit, seine größere Hälfte aber, das darf wohl
gesagt werden, ist zurückgelegt.
Beratung dc§ NuliuLstats im Hauptausschuh
des Preußischen Landtags, $cpt.
Bei den Beratungen über die allgemeinen Aufgaben des
Kultusministeriums gab Herr Staatssekretär Becker eine wichtige Er
klärung ab, welche die Stellung des Ministeriums zu der Frage der
Kähret'dNbUNg kundgab. Leider ist das gesamte Staatsministerium
noch nicht hinter diesen Plan getreten; seitens der Parteien fand er
Widerspruch von den Demokraten und Sozialdemokraten, welche sich
auf den Boden der Forderungen des preußischen Lehrervereins stellten.
Die Ausführungen des Staatssekretärs folgen im Auszug:
I. Stand des Problems überhaupt.
II. Stellung des Ministeriums.
I. Ausgangspunkt für die Stellung des Ministeriums zur Lehrer-
bildungsfrage sei die Erklärung des Ministers vom 31. 10. 21.
heute liegt noch Keine Entscheidung des Staatsministeriums vor,
aber die Frage ruhte nicht, doch wurde eine Einigung nicht erzielt
wegen der Schwierigkeiten, die nicht bloß die finanziellen Leistungen
des Staates, sondern die Nückwirkung auf die anderen Berufe
bereitete und bereitet.
Hemmung brachte der Dualismus: Gb Reich — ob Länder? wer
das Problem löst, muß zahlen. Die Kulturstelle des Reiches erklärte
sich Ende vorigen Jahres einverstanden mit der Übergabe der Lehrer,
bildung an die Länder, aber der Reichsfinanzminister erhob Einspruch.
Die Forderung des Abitürs ist noch umstritten.
Die frühere Lehrerbildung umfaßte 8 Jahre -s- 6 Jahre
— 14 Jahre. Die Denkschrift des preuß. Lehrervereins (gestern
überreicht) will
4 Jahre Grundschule, 9 höhere Schule, 3 pädagogische
Jahre, 1 praktisch-pägagogisches — 17 Iahre,
kommt nahe an die Oberlehrer, die auf die höhere Schule
4 Universitäts- und 2 praktische Iahre aufsetzen, also =■
19 Iahre.
wir sind alle darin einig, daß der bisherige Zustand nicht wieder-
kehren darf, aber die Überspannung der Forderungen wirkt schädigend
für die Erreichung von Reformen.
II. Fürs Ministerium ist
das Abitür keine Kontroverse mehr, sondern inneres Bedürfnis
für die Berufsarbeit der Lehrer, ebenso
eine pädagogisch-wissenschaftliche und praktische berufliche Aus-
bildung in hochschulmäßiger Form, deren Dauer auf 2 Jahre in
Aussicht genommen ist. Dies sind die beiden Grundforderungen für
die Umgestaltung der Lehrerbildung.
Die berufliche Ausbildung soll kein Universitätsstudium sein,
weil den Interessen der Volksschule mit einem solchen nicht gedient
wäre. Ein negativer, zwei positive Gesichtspunkte lassen sich für
diesen Standpunkt anführen. Die Erfahrung, die wir mit der Ober
lehrerbildung gemacht haben, hat gezeigt, daß es nicht der richtige
weg ist, den wir dort gegangen sind und noch gehen. Kein ge
lehrter Stand ist für sein Lerussideal so wenig erzogen und für
seinen Beruf so wenig vorgebildet, wie der der Philologen.
Es liegt das am Charakter der Universität, der in der wissen
schaftlichen Forschung besteht. Und dies Umversitätsidsal können
und wollen wir nicht missen für die Gberlehrbildung. Aber es gilt
noch den weg zu suchen für die Vereinigung der beiden Ziele der
höheren Lehrerbildung.
wir stehen z. Zt. in einem pädagogischen Umschlag der Generation.
Das zeigt die Jugendbewegung. Um so größere Anerkennung ver
dienen jene Oberlehrer, die sich in selbsteigener Entwickelung zu
führenden Pädagogen hinaufgearbeitet haben. Vas Zeitideal ist
gewandelt. Die bisherige philologische Ausbildung ist zwar sehr
bedenklich, aber für die höhere Schule — da sie Gelehrtenschule ist,
weil sie spätere Akademiker vorbildet, — noch erträglich. Das ist
aber nicht der Fall für die Volksschule; deren Bedürfnisse verlangen
eine ihr eigentümliche Ausbildung der Lehrer.
positiv: Die Forderung der Absolvierung einer
1. höheren Schule ist eine grundsätzliche. Die höhere Schule
vermittelt eine allgemein menschliche Bildung, Heute gehen ca. 55%
zur Hochschule, die anderen 45% treten in andere Berufe ein. Die
höhere Schule ist also die allgemeine Bildungsanstalt für alle Berufe,
die nicht Spezialstudien verlangen. In Zukunst werden die Abiturienten
der höheren Schulen sein:
% Nniversitätsberuse,
Vs volksschullehrer,
Vs andere Berufe.
Dadurch bekommt die höhere Schule die Zentralstellung im
geistigen Leben unseres Volkes. Die Lmheitsschulidee fordert, daß
diese allgemeine höhere Bildung in Volksbildung übersetzt werde.
Das ist Aufgabe des Volksschullehrers. Die Ablehnung der Reife
prüfung für diesen wäre daher verhängnisvoll.
2. Die pädagogische Fachbildung: Der volksschullehrer braucht
die Fähigkeit, die höhere Bildung in Volksbildung umzusetzen.
Die alte Lehrerbildung hatte zwei charakteristische Momente, a) Dogma
tismus, b) Charakter- und Berufsbildung, wenn wir das erste
für den neuen volksschullehrer auch ablehnen, so gilt es doch, das
zweite als Zielsicherung für seine Lebensaufgabe zu retten.
Wie soll sich unter Berücksichtigung dieser Ziele die neue beruf
liche Volksschullehrerbildung gestalten?
wir lehnen das Fachlehrersystem für die Volksschule ab. Der
ganze Mensch soll erfaßt und gebildet werden, das bedingt Gesamt
unterricht und Gesamtfächer. Darin liegt eine Schwierigkeit. Die
volksschullehrer wollen mit Recht aus dem enzyklopädischen wissen