Full text: Wochenschrift für katholische Lehrerinnen - 37.1924 (37)

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Pädagogische Rundschau. 
vom Katholikentag zu Hannover. 
Entschließungen zu Schulfragen. 
I. 
„Die Versammlung der katholischen Schulorganisation auf dem 
Katholikentag in Hannover 1924 bedauert lebhaft, daß im Reiche 
noch keine Lösung für die Schulsrage gefunden ist. Sie spricht den 
katholischen Abgeordneten, die mutig für die Bekenntnisschule ein 
getreten sind, ihre Anerkennung dafür aus und i^t der festen Über 
zeugung, daß die katholischen Abgeordneten des Reichstages wie der 
'Einzellandtage auch in Zukunft mit aller Entschiedenheit für die 
Rechte der Katholiken eintreten. Sie erwartet insbesondere, daß 
das kommende Reichsschulgesetz im Sinne wahrer Freiheit und 
Toleranz die Rechte der Katholiken wahrt. Sie betont besonders 
folgende Forderungen: I. von den Erziehungsfaktoren: Eltern, 
Kirche und Staat, darf keiner ausgeschaltet werden. Es muß eine 
gesetzliche Form für die Zusammenarbeit gefunden werden. Sie 
verlangt daher, daß das Recht des Staates nicht in einer die 
.natürlichen Rechte der Eltern und die Rechte der Kirche verletzenden 
weife überspannt wird. Tin Staatsschulmonopol wird nie von uns 
anerkannt werden. Nicht Trennung von Kirche und Schule, sondern 
friedliche Zusammenarbeit! Der privatschule muß Daseins- und 
Entwicklungsmöglichkeit gewährleistet werden. 2. Der Religions 
unterricht für katholische Schüler muß nach den Grundsätzen der 
katholischen Kirche, in ihrem Aufträge und unter ihrer Leitung 
erteilt werden. 3. Die Erziehungsfähigkeit der Schule muß als 
Einheit aufgefaßt und in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. Alle 
Unterrichtsfächer müssen in den Dienst dieser Erziehungsaufgabe 
gestellt werden. Es ist eine Oberflächlichkeit, einzelne Lehrgegen- 
Mnde als für den Charakter der Schule bedeutungslos hinzustellen. 
Die Schule für katholische Kinder muß in ihrem ganzen Wesen 
katholischen Geist atmen. Nur so wird die im Interesse der Er 
ziehung notwendige geistige Gemeinschaft zwischen Elternhaus und 
Schule gewahrt. 4. Die katholischen Eltern sprechen den katholischen 
Lehrern und Lehrerinnen für ihre treue Arbeit ihren wärmsten Dank 
aus. Sie wissen sich eins mit ihnen in der Forderung: Nur treue Katho 
lische Lehrkräfte für katholische Schulen! Sie erachten es darum als 
absolut notwendig, daß bei der Regelung der Lehrerbildung den 
Erfordernissen der Bekenntnisschule Rechnung getragen wird." 
II. 
„Die Versammlung der K5O. auf dem Katholikentag in Hannover 
1924 fordert die Katholiken auf, die Entwicklung des höheren 
Schulwesens in allen deutschen Ländern mit Aufmerksamkeit zu ver 
folgen. 
Die Pläne für die Umgestaltung des höheren Schulwesens, wie 
sie von Ministerien beabsichtigt waren, zeigen Klar, welche Gefahren 
auf diesem Gebiete drohen. Die Versammlung spricht unzweideutig 
aus, daß der Grundsatz .katholische Schulen für katholische Kinder' 
auch für das mittlere und höhere Schulwesen gilt. 
Es ist Pflicht der Katholiken, sich mit aller Entschiedenheit für 
die bekenntnismäßige Gestaltung der mittleren und höheren Schulen 
einzusetzen und so den Forderungen des katholischen Kirchenrechts 
zu entsprechen." 
III. 
„Die Versammlung der katholischen Schulorganisation auf dem 
Katholikentag in Hannover 1924 richtet an die deutschen Katholiken 
die dringende Bitte, unverzüglich zur Einrichtung von Eltern 
vereinigungen und Elternausschüssen zu schreiten, wo solche nicht 
bestehen, und wo sie schon eingerichtet sind, in ihnen auf dem 
Gebiete der Schulpflege eifrigst tätig zu sein. 
vielerorts haben interkonfessionelle Erziehungszeitschriften Eingang 
in katholische Familien gefunden. Darin liegen große Gefahren. 
Ihnen kann am besten begegnet werden, wenn allerorts katholische 
Elternvereinigungen bestehen und die Schriften der katholischen 
Schulorganisation, besonders die Elternzeitschrift .Elternhaus, Schule 
und Kirche' durch diese verbreitet würden." 
IV. 
In der vormittagssitzung des Landesausschusses der katholischen 
s Schulorganisation waren u. a5 noch folgende Entschließungen zur 
Annahme gelangt: 
„Die Versammlung der katholischen Schulorganisation auf dem 
Katholikentag in Hannover 1924 beklagt den sittlichen Niedergang 
unseres Volkes, besonders bei der heranwachsenden Jugend. Mehr 
wie je ist es hohe Pflicht aller Katholiken, überall und mit aller 
Energie für die religiöse Schulung und sittliche Erziehung unserer 
Heranwachsenden Jugend einzutreten. Gerade in den Jahren nach 
der Schulentlassung ist den Knaben und Mädchen diese religiöse 
Verstandes- und Herzensbildung unbedingte Notwendigkeit. 
Aus diesem Grunde muß auch in dem Lehrplan der preußischen 
Fach- und Fortbildungsschule die Religionsstunde den Platz finden, 
den sie hinsichtlich ihrer Notwendigkeit beanspruchen muß." 
„Die Versammlung der katholischen Schulorganisation auf dem 
Katholikentag in Hannover 1924 macht die katholischen Erzieher, 
vor allem die katholischen Eltern, mit größtem Nachdruck aufmerksam 
auf die Auswüchse, die sich bei der pflege der körperlichen Erziehung 
unserer Jugend eingestellt haben. 
Wir begrüßen an sich Turnen, Schwimmen und sonstige Körper 
kultur, soweit sie im Dienste einer gesunden Gesamterziehung stehen, 
lehnen aber auf das entschiedenste eine Körperpflege ab, wenn sie 
zum Schaden der Seele Selbstzweck wird. Körperliche Übungen 
dürfen nie Sitte und Schamgefühl verletzen. 
Namentlich ist für die Körperpflege der weiblichen Jugend das 
ihr eigentümliche Zartgefühl zu schonen, öffentliche Schaustellungen 
der Mädchen sind unter allen Umständen abzulehnen. 
wir erwarten, daß die katholischen Eltern, ihrem eigenen 
Gewissen und den so häufig ausgesprochenen Weisungen der Kirche 
folgend, überall dafür eintreten, daß diese Grundsätze beachtet werden 
und, wo dieses nicht geschieht, ihre Kinder von solchen Übungen 
fernhalten." 
Leitsätze der preußischen Stadtetager über die RechtrsteLung 
der preußischen Gemeinden aus dem Gebiete der Schulwesens. 
A. Forderungen für sämtliche gemeindlichen Schulen. 
I. Die Rechtsstellung der Gemeinden auf dem Gebiete des Schulwesens 
gegenüber dem Staat ist gesetzlich zu regeln. 
II. Die gesetzliche Regelung hat von dem Grundgedanken auszugehen, 
daß das Schulwesen eine unter die Gemeindeverfassungsgesetze fallende 
Selbstverwaltungsangelegenheit ist, die der — nach Inhalt und Umfang 
genau zu umgrenzenden - Aufsicht des Staates unter Mitwirkung der 
Gemeinde unterliegt. Inhalt und Umfang der Staatsaufsicht können 
nur durch Gesetz geändert werden. 
III. Selbstoerwallungsangelegenheiten auf dem Gebiet des Schulwesens 
sind daher 
a) bezüglich der höheren Schulen: die Errichtung und Unterhaltung, 
vorbehaltlich der staatlichen Genehmigung und Anerkennung, die 
aber bei vorliegen der gesetzlich festzustellenden Voraussetzungen 
erteilt werden müssen, 
b) bei allen Schulen die Verwaltung der Schulen als Gemeindeanstalten 
sowohl in sachlicher Beziehung (verfügungsrecht über die dem Schul- 
betriev gewidmeten Grundstücke, Gebäude und bewegliche Sachen) 
wie in persönlicher Beziehung (Rechtsverhältnisse der an der Anstalt 
beschäftigten Personen). 
IV. Die Staatsaufsicht umfaßt inhaltlich das Recht zum Erlaß allgemeiner 
Bestimmungen, und zwar: 
1. hinsichtlich des Unterrichtsbetriebes: 
a) über die Lehrpläne und Lehrbücher, 
b) über gemeinsame und grundsätzliche Gesichtspunkte; 
2. hinsichtlich der Lehrkräfte: 
a) über Vorbildung, dienstliche Rechte und Pflichten der Leiter und 
Lehrer, 
b) über das zahlenmäßige Verhältnis zwischen männlichen und weib 
lichen Lehrkräften; 
3. hinsichtlich der Schüler(inneu): 
a) über die Voraussetzungen für Aufnahme, Versetzung und Entlassung, 
b) über die Einhaltung von RIassenbesuchsziffern. 
V. Die Staatsaufsicht umfaßt nach ihrer Ausübung das Recht 
1. hinsichtlich de; Unterrichtsbetriebes: 
a) die Durchführung der vom Staat erlassenen allgemeinen Bestim 
mungen zu überwachen, 
b) den Unterricht zu beaufsichtigen, 
e) Dauer und Lage der Ferien festzusetzen; 
2. hinsichtlich der Lehrkräfte: 
a) die von der Gemeinde getroffene lvahl zu bestätigen oder wegen 
mangelnder Eignung des Gewählten die Bestätigung zu versagen, 
b) das vienststrafrecht auszuüben, 
c) den Schulleitern und Lehrern unterrichtliche Anweisungen zu 
erteilen, 
ä) in der Vorbildung befindliche Lehrpersonen — bei den höheren 
Schulen auch Studienassessoren(innen) den Anstalten zur Aus
	        
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