Full text: Wochenschrift für katholische Lehrerinnen - 37.1924 (37)

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□ Das menschliche Wesen gleicht dem Baume, der seine Nahrung aus der Tiefe saugt, in der seine g 
wurzeln gebettet sind, aber auch aus der höhe, zu der seine Krone aufsteigt, dem Lichte entgegen. □ 
g Otto willmann. g 
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zu den Kindern, wir treten ehrfürchtig zurück. Nicht meinen, jedes 
Wort müsse eine Erklärung oder Deutung finden, was den Lesern 
bei diesem ersten Lesen noch nicht aufgegangen ist, wird vielleicht 
beim nächsten Lesen ihr Eigentum, wir dürfen nie vergessen, daß 
Klassenlektüre unbedingt zur größeren Selbständigkeit in der 
Lektüre erziehen muß; sie helfe den Geschmack veredlen, erziehe zum 
besinnlichen Lesen, wecke Freude am Buch und führe zum wertvollen 
in der Literatur. Daheim und im späteren Leben steht nicht neben 
jeder Buchseite eine Lehrerin mit erhobenem Finger, findet sich nicht 
für jede Schwierigkeit ein Kommentar. Denken lehren! Fragen 
lehren! vergiß das Beste nicht! 
Ist die Lesestunde zu Ende, werden die Bücher eingesammelt und 
im Schranke verschlossen. Nie mit nach Hause tragen, die Neu 
gierigen oder Interessierten nehmen sonst den Stoff vorweg und 
sitzen nachher gelangweilt da. 
Die nächste Lesestunde beginnt mit einem kurzen Rückblick — 
nur ein paar Sätze, um wieder ins Bild zu kommen —, dann gleich 
frisch weg den nächsten Gesang: vorlesen, erläutern, nachlesen, die 
Kinder zur Russprache, zum Fragen ermuntern. Nicht zu lange 
verweilen, damit nicht Ermüdung oder gar Gleichgültigkeit und 
Überdruß kommen, wenn gut vorbereitet ist, können in einer 
Lesestunde mehrere Gesänge gelesen werden. Erst wenn die Dichtung 
ganz gelesen ist, wandern die Bücher mit heim. Und nun kommen 
die Rufgaben: Suche Stellen, die wie Sprichwörter sind und voll 
Lebensweisheit stecken! (Sentenzen.) Suche besonders schön klingende 
Stellen. (Klangfarben.) Finde Naturschönheiten auf! welche Stücke 
sind wie Lieder? — Freier Vortrag oder Niederschrift: Rbends auf 
dem Habichtshofe. Beim Gpfermahl. Im Klosterhof. In der kloster 
schule. Mönche bei der Rrbeit. Der braune Schmiedejunge. Die 
weise Drude. Ruf der Dingstätte, vogelfrei usw. usw. Fünf, sechs 
und mehr Rufgäben werden gestellt, ein jedes Kind wählt zum freien 
Vortrag oder zur Niederschrift, was ihm liegt. Nicht wochenlang 
oder gar monatelang an dem Dichtwerk herumzerren, pflücken und 
moralisieren. Ermuntern zum stillen Nachlesen oder lauten vorlesen 
daheim. Das Luch schonen, mit Namen versehen, lieb haben! Und 
dann zu einem anderen - „Goliath". 
Der Dichter ist bekannt. Den Stoff zu „Goliath" hat Weber 
einem nordischen Maler — seinem Freund Magnus von Bagge — 
abgelauscht, der ihn erlebt hat. Nachdem wiederholt oder dargeboten 
ist, was die Leser von den nordischen Ländern - hier von Nor 
wegen - gelernt haben oder wissen muffen, wäre nach ein paar 
Einleitungsworten den Kindern der Knappe Bericht vorzulesen, den 
Elisabeth Weber 1877 niedergeschrieben hat. wir finden sie 
S. X-XIII. 
Das ist die schlichte Erzählung, und nun lauschen wir, was der 
Dichter daraus gemacht hat. Nie zuvor wird den Kindern ein so 
klares Bild geworden fein von dem Schaffen eines Dichters. Rus 
der Knappen Erzählung ist eine tiefe und reiche Dichtung gewachsen. 
Der Dichter hat alles miterlebt, er hat alle näheren Umstände und 
Beweggründe erforscht, ist immerzu bei Olaf und Margit gewesen, 
bis sie ihr letztes stilles „Nun muß ich gehen!" gesprochen haben. 
Wir verfahren bei den einzelnen Gesängen wie bei „Dreizehnlinden". 
Die Erläuterungen am Ende des Buches werden weniger zu schaffen 
machen als bei „Dreizehnlinden", weil weniger geographische und 
geschichtliche Kenntnisse vorauszusetzen sind, weil Stoffe aus der 
Gotterlehre und der nordischen Sagenwelt schon vielfach mit der 
Lektüre von „Dreizehnlinden" geboten worden sind. Es ist aber 
nicht nötig, der Lektüre von „Goliath" die Lektüre von „Dreizehn 
linden" vorausgehen zu lassen, wir können uns für das eine oder 
das andere Epos entscheiden und dem Dichtwerk die Lektüre eines 
Prosastoffes folgen lassen, wie wir ihn in unserer Deutsch Gut-Serie 
in reicher Ruswah! besitzen. Goliath bietet gerade Mädchen unver 
gleichlich viel: diese lichte, starke Seele Margits und Glafs. Dieses 
opferwillige Sichbeugen unter ein Gesetz, das vaterwille und Vater- 
autorität mit starrem Sinn aufrichtet, und doch dieses Sieghafte, 
Überlegene, Starke. Scheuen wir uns nicht zu sagen, daß weder 
ein Gottes- noch ein Menschengesetz da war, das die beiden Liebenden 
zum verzicht gezwungen hat. Sie haben verzichtet, weil Vaterwille, 
vaterfluch, Herkommen und Brauch ihren Wünschen entgegen gewesen 
sind, sie haben verzichtet aus fteiem, opferbereitem Herzen heraus. 
Und diese seltene wortkarge, aber unwandelbare Treue! Rllein um 
dieser Treue willen, ist es gut, „Goliath" mit den heranwachsenden 
Mädchen zu lesen. Rber auch hier gilt, was von „Dreizehnlinden" 
und von jeder Klassenlektüre gilt: nicht zu lange dabei verweilen, 
gut vorbereiten und dann voranlesen, damit die Leser des Genuffes 
froh werden und ihnen nicht verekelt wird, was sie freuen und 
fördern soll. Ruch hier heißt es Schönheiten aufsuchen, Sentenzen 
finden, Themen frei behandeln: Das Häuslein am Felsrand und seine 
Bewohner. Das Unglück, verwaist. Der starke und treue Knecht. 
Margit und ihre Mutter. Treue um Treue usw. usw. - Jede wählt. 
In der klaffe lauschen dann alle, wie diese und jene Schülerin die 
Rufgabe gemeisterr hat, ergänzen, berichtigen, fragen. 
Nicht pessimistische Weltoerachtung herausholen, die hat der leben- 
bejahende Dichter Friedrich Wilhelm Weber nicht gewollt; aber 
Gpferbereitschaft, ehrfürchtiges Beugen vor gottgewollter Rutorität, 
reine Liebe, feste Treue und unbeugsame Starkwilligkeit im Guten. 
Nach „Goliath" wäre dann etwa „Hermann und Dorothea" von 
Goethe zu lesen oder Storms „Botjer Basch" oder auch als Gegen 
gewicht Brentanos heiteres Märchen „Gockel, Hinkel und Gackeleia", 
die wir alle im Deutschen Gut finden. Der Winter ist lang, da läßt 
sich viel Wertvolles ausbauen und durch Lektüre fördern. Freuen 
wir uns, daß uns zwei so feine Gaben neu geboten werden, und 
bestellen wir einmal noch gleich heute ober auch morgen zusammen 
mit ein paar vereinsschwesLern für das eigne Bücherbrett oder zur 
Vorbereitung für die klaffeulektüre oder Zum verschenken und Weiter 
geben die beiden Büchlein „Dreizehnlinden" und „Goliath", sie 
gehören unter allen Umständen auf das Bücherbrett einer katholischen 
Lehrerin, und sie können Segen tragen in unsere Volksschule. 
Die Bändchen sind erschienen bei Ferdinand Schöningh, Paderborn, 
direkt und auch durch jede Buchhandlung zu bestellen und Kosten 
„Dreizehnlinden" bis 20 Stück je 60, über 20 Stück je 55 
„Goliath" bis 20 Stück je 50, über 20 Stück je 45 
II 
Eedichibändchen in der Lesestunde. 
In unserer Sammlung Deutsches Gut find eine Reihe Gedicht» 
bänöchen eingestellt - Eichendorff, Morike, Kopisch, Balladen. wrL 
ist es nun, wenn wir mit einem Gedichtböndchen den Kindern einen 
Dichter und sein Schaffen näher bringen wollen? 
Gedichtelesen ist eine Sache, die man lieber ausüben als be» 
schreiben sollte. Nicht wenige von uns haben vor dem Gedickte» 
lesen in der Schule eine gewisse Scheu, noch weniger können sitz 
sich entschließen, gleich ein ganzes Bändchen Gedichte in die Lese.- 
stunde einzustellen; sie begrüßen die längere Erzählung im Ganzbuch 
als Klaffenlektüre, lehnen aber die Büchlein, die ausschließlich Ger- 
dichte bringen, ab. vielleicht ist's nicht fehlgegangen, wenn man 
annimmt, diese stellen zu große oder verkehrte Rnforderungen an 
sich, an die Kinder, an die Gedichte. Gedichte sind nicht da, unr 
kenntniffe zu vermitteln. Ein schönes Gedicht ist eine Kostbarkeit, 
ein überaus wertvoller Besitz an seelischem Gut, eine Bereicherung 
des Erlebens, ja, nach Johann Gottfried Herder eine „Welt- und 
Völkergabe". 
„Es kann sich bei feiner Durchnahme — namentlich bei lyrischen 
Gedichten — gewiß nicht um sogenannte Erklärungen und Zerglie- 
derungen handeln; die haben Unheil genug angerichtet, die Freude 
an der Dichtung oft genug verleidet. Es kann und darf dem 
Führer dabei kein anderes siel vorschweben als das eine: das Werk 
des Dichters zu möglichst reiner und tiefer Wirkung zu bringen^ 
und es gibt für ihn keinen andern weg als diesen: die Seele des 
Kindes vorzubereiten, zu stimmen und den Blick des inneren Ruges 
einzustellen, ihn auf den beherrschenden Punkt des dichterisches 
Bildes zu richten." (Jof. Rntz.) '
	        
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