Full text: Wochenschrift für katholische Lehrerinnen - 37.1924 (37)

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6. stls Wirkungen, Früchte und Leistungen der heimatschule werden 
zu erwarten sein: 
a) eine den Volks« und Naturbedingungen sich beweglich an 
passende innere Einheitlichkeit des Volksbildungswesens; 
d) eine immerwährende Belebung der bodenständigen Volks- und 
Naturkräfte; 
o) Gerechtigkeit und Duldsamkeit hinsichtlich des geschichtlich 
Gewordenen. 
6. Zur praktischen Verwirklichung der heimatschule sind erforderlich: 
a) Herausarbeitung der Heimatschulkunde als wissenschaftlich 
künstlerischer Erziehungsarbeit im engsten Zusammenhange 
mit der Volkstumskunde; 
b) Unterstellung der Bilüungstechnik einschließlich der Lehrmittel 
unter die Forderungen der Heimat; 
o) tunlichste Bodenständigkeit bzw. Bodenständigmachung der 
Lehrer und der Schuloerwaltungsbeamten; 
d) Schaffung von Einrichtungen zur wissenschaftlichen Erforschung 
und zur allgemeinen Belehrung über die Heimat und das 
Volkstum in Forschungseinrichtungen bei allen Universitäten, 
in Beratungsstellen und Heimatbüchereien. 
7. Es ist wünschenswert, daß staatliche und gemeindliche Mittel zur 
Einrichtung von heimatschulen und für die Erarbeitung von 
heimatschullehr. und -lernmitteln bereitgestellt werden. 
Der Förderung der heimatschule werden Obmannschaften bei 
sämtlichen Lehrerorganisationen zweckdienlich sein, welche An 
regungen zur Heimatforschung und zur Herausarbeitung der 
Heimatschulkunde geben und die Fühlung mit dem Bunde heimat 
schule Herstellen. 
Den Fachzeitungen wird die Pflege der heimatschule besonders 
nahegelegt. 
8. vom Standpunkte der heimatschule lassen sich die wirksamsten 
Beziehungen mit übervolklichen und überstaatlichen Bestrebungen 
in der Richtung auf Völkerversöhnung und friedliche Völker 
erziehung anbahnen, welchem Ziele die Lehrerorganisationen ihre 
besondere Aufmerksamkeit widmen sollten. 
Liegnitz. Llemenz, Rektor. 
Meinungsaustausch. 
Unser Mütterabend. 
In der Dienstanweisung für Lehrer und Lehrerinnen des Re 
gierungsbezirks Düsseldorf heißt es unter 8 7: Der Rlassenlehrer 
(-lehrerin) fördert ein einträchtiges Zusammenarbeiten mit dem Eltern 
hause durch rege Fühlungnahme mit diesem durch Veranstaltung von 
Zusammenkünften mit den Eltern seiner Rlaste. Um dieser Forderung 
nun gerecht zu werden, hielten wir kürzlich mit den Müttern unserer 
Rinder einen Rlasfenabend ab, dessen Verlauf vielleicht interessieren 
wird? 
wegen der Schwierigkeit der Lokalfrage in einer Großstadt des 
besetzten Gebietes hatten wir drei Lehrerinnen der Gberklaffs be 
nachbarter Systeme uns zusammengetan und gemeinsam den Nach 
mittag veranstaltet. Um möglichst alle Mütter zu erfassen, luden 
wir sie zum Raffee ein. 85 Mütter, — eine große Zahl unserer 
kleinen noch nicht abgebauten Rlaffen, — nahmen daran teil, wir 
Lehrerinnen stifteten I % Pfund Bohnenkaffe nebst Zubehör. Der 
zuvorkommende Wirt übernahm Stellen des Porzellans, Aufschütten 
des Raffees und Beleuchtung des Lokals gegen geringe Vergütung. 
Dann ließen wir drei große Platten Streuselkuchen zu 5 Ji> backen- 
Diese mußten die Mütter bezahlen, indem wir vorher in unseren 
Rlaffen Rärtchen mit dem Schulstempel für 30 — 50 $ verkauften 
und den Überschuß zur Deckung der Unkosten verwendeten. Als 
Tag der Zusammenkunft hatten wir einen Tag im Oktober gewählt, 
einerseits, weil dann nicht geheizt werden brauchte, andererseits weil 
wir für die Ostern zur Entlassung kommenden Mädchen noch etwas 
profitieren wollten. 
Unsere Veranstaltung umfaßte einen gemütlichen und einen be 
lehrenden Teil. Zur Unterhaltung hatte eine Schule Gedichte, die 
andere einen Volkstanz und die dritte Lieder und ein kleines Theater 
stückchen eingeübt. 
Das Programm entwickelte sich folgendermaßen: Gegen %3 Uhr 
gingen wir Lehrerinnen mit einigen mitwirkenden Schülerinnen zum 
Lokal, deckten die Tische und schmückten dieselben mit den von Rindern 
reichlich mitgebrachten Blumen, so daß das Ganze einen freundliches 
Eindruck machte. Als dann, um 4 Uhr. die Mütter erschienen,^ 
nahmen Rinder sie am Eingang in Empfang und geleiteten sie in! 
den Saal. Nachdem dort nun jede Lehrerin „ihre" Mütter begrüßt 
hatte, halfen wiederum Rinder dienstbeflissen beim Ablegen der 
Garderobe. Ebenfalls schütteten Rinder den Müttern den Raffeei 
ern und bedienten sie. wir Lehrerinnen konnten uns indessen 
zwangslos mit den Müttern unterhalten, bis der offizielle Teil miti 
der Ansprache einer Lehrerin begann. In derselben begrüßte sie 
Mütter, wies kurz hin auf den Zweck der Veranstaltung und gab 
der Hoffnung Ausdruck, daß die Veranstaltung die Eltern erfreuen 
und unseren Rindern zum Segen gereichen möge. Diese Lehrerin 
leitete auch den ganzen Abend. Nun folgte ein Begrüßungsgedicht 
an die Mütter. Da die Rehlen schon etwas feucht geworden waren, 
folgte das gemeinschaftliche Lied: G. wie lieblich ist's im Rreis.f 
(Bücher der Rongregation waren geliehen und ausgelegt). Zwei' 
Rinder trugen heitere Gedichte in westfälischer und steiermärkischer^ 
Mundart vor. Fröhlich erscholl nun das gemeinschaftliche „Raffee-f 
lied", deren Strophen abwechselnd von den Müttern der drei Schulen 
gesungen wurden. Vas Thorlied: „G Mutterherz" von Mütter leitete! 
in eine ernstere Stimmung über, woran sich das Gedicht: „wenn du; 
noch eine Mutter hast" anschloß. Ein Mädchen trug sodann miti 
Rlavierbegleitung das Lied vor: „Am Ort, wo meine wiege stand'V 
v. hennig, Verlag, Benjamin, Hamburg. Zwei Gedichte: „Mutter, 
liebe" v. Dieffenbach und „Ein Friedhofsbesuch" v. Vogl folgten, 
wirkungsvoll klang nun das Lhorlied: „wenn ich den Wandrer, 
frage". Die Gedichte: „Der alte Lehnstuhl" v. Nüdling und „Meiner, 
Mutter" v. Liliencron, sowie das Lhorlied: „Schlaf, herzenssöhnchen^' 
ergriffen sichtlich. Nach Aufführung des hübschen Volkstanzes kam 
das gemeinschaftliche Lied: „Freut euch des Lebens". Ein kleiner 
Theaterstück: „Das Jahr und seine Monate", auf die Mutter be» 
zugnehmend, schloß den unterhaltenden Teil. Mittlerweile war er 
6 Uhr geworden, und nun wurden alle Rinder nach Hause geschickt. 
Jetzt begann der belehrende Teil. Die Religionslehrer der 
Rlaffen hatten sich inzwischen eingefunden, so daß Rirche, Schule unb 
Elternhaus zusammen waren. Die zweite Lehrerin schilderte nunf 
in einem vortrage die Wichtigkeit der Zusammenarbeit der dreK 
Faktoren in einem packenden Bilde. Es wurden Mittel und Wege!, 
angegeben zur Verwirklichung der gemeinsamen Arbeit. Bezügliche 
des Unterrichtes kamen zur Sprache: Hausaufgaben. Lohn un8s 
Strafe (Strafarbeiten), Schuloersäumniffe, Landaufenthalt der Rinder 
auf der Oberstufe. Berufswahl. Wichtigkeit des hausberufes, dev 
Entlaffungszeugniffe. Für die erziehliche Seite wurde unter anderem 
besonders hingewiesen auf die Erziehung zur willensfesiigkeit im 
Gegensatz zur Verweichlichung unserer Zeit und auf die Notwendig, 
keit klarer Erkenntnis auch der Fehler unserer Rinder seitens der 
Mütter, um sie mit Liebe, Ronsequenz und Geschick bekämpfen zn 
können. Ls wurde betont, daß nur die Ronfessionsschule, welche 
Unterricht und Erziehung aufbauen auf den Fundamenten des Glaubens 
und christlicher Liebe, die Jugend heranbilden könne zu nützlichen 
Gliedern unserer schwer leidenden Volksgemeinschaft. 
hierauf nahm die dritte Lehrerin das Wort, indem sie kurz die 
Mütter beglückwünschte zu den Schätzen, die Gott ihnen in ihren 
Rindern anvertraut, ihnen dankte für die Freuden, die sie uns durch ! 
ihre Rinder bereiteten an Namenstagen, so oft beim Unterrichte, 
wenn die Augen vor Begeisterung strahlten usw., für die Unter- 
stützung, die wir an ihnen gefunden hätten. Anschließend an das 
Gedicht von Heine: „Du bist wie eine Blume" gab sie dann der 
Sorge der Lehrerinnen für die zu entlastenden Rinder Ausdruck, 
wies hin auf die Gefahren besonders in einigen neuzeitlichen Ver< 
einen und schloß mit einem Appell an die Mütter, mit uns für ihre 
Rinder zu beten, was sie durch einige Beispiele vertiefte. 
Nun nahm einer der Religionslehrer das Wort, sprach über, 
den Verkehr der Heranwachsenden Rnaben und Mädchen nach der^ 
Entlastung, gab Fingerzeige bezüglich der Aufklärung und erwähnte 
die Mitarbeit der Rirche durch die Rongregation. 
Atemlos hatten die Mütter bis jetzt den gewiß nicht Kurzen 
Ausführungen gelauscht, ja, man möchte sagen, es lag eine heilige 
Stimmung über dem Ganzen, die auch in der nachfolgenden Dis- 
kusston die Dberband behielt. Auffällig war es in der Diskussion, 
daß, als eine Mutter das „Turnen der Mädchen" anschnitt, allr
	        
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