Full text: Wochenschrift für katholische Lehrerinnen - 37.1924 (37)

Schulabbau in Oldenburg. 
Huch hier erregt der Schulabbau seit Wochen die Gemüter. Vas 
lUimitenu.n hat Ende Januar Richtlinien ausgearbeitet, zu denen 
die Lehrer« und Lehrermnenorganisationen mündlich und schriftlich 
Siellung genommen haben. Lei der Besprechung im Ministerium 
verlangten die Lehrer u. a. den alleinigen Hbbau der Lehrerinnen, 
da diese seit 1914 prozentual am meisten zugenommen hatten, wir 
Lehrerinnen haben un-ere Wünsche, die sich im allgemeinen mit denen 
des haupl Vereins decken, vorgetragen und nachher schriftlich ein 
gereicht. Jetzt ist der Gesetzentwurf zum Schulabbau fertiggestellt 
und dem inzwischen einberufenen Landtag vorgelegt worden. Er 
enthält u. a. folgende Bestimmungen: ven Personalabbau auf dem 
Gebiete der Volksschule haben die oberen Schulbehörden durchzu. 
-führen. Für die dabei zu beobachtenden Grundsätze kann das Staats, 
rninifterium bindende Richtlinien oufärllen. Nach den bekannt- 
gegebenen Richtlinien soll die Schülerzahl in den Rlaffen CO nicht 
überschreiten; Lehrer und Lehrerinnen der Volksschulen werden zu 
wöchentlich 36 Unterrichtsstunden verpflichtet. Bei der Huswcch! 
der auszuscheidenden Lehrkräfte ist darauf Bedacht zu nehmen, daß 
auch weiterhin die Zusammensetzung des Lehrkörpers dem Unterrichts- 
dedürfniffe der Schule und insbesondere den für dar Zablenoerhältnis 
der akademisch gebildeten zu den übrigen und der männlichen und 
weiblichen Lehrkräfte erlassenen Vorschriften entspricht, und daß wo 
solche Vorschriften fehlen, überall der weibliche Einfluß auf die Schul- 
rrziebung der Mädchen ausreichend gewahrt bleibt. 
Da die Verhandlungen im Landtag nicht rechtzeitig zu Ende 
geführt werden konnten, erhiel en die Behörden ttnweisung, den 
Zum l. RplU zu entlassenden Beamten zu kündigen, ohne erst das 
Ergebnis der Beratungen abzuwarten. Run sehen wir den Miß. 
erfolg all unserer Bemühungen. Vas katholische Gberschulkollegium 
bat den vier jüngsten Jahrgängen, insgesamt 21 Lehrerinnen (ein 
Fünftel der augenb ickfich im Dienst befindlichen), gekündigt. Im 
evangelischen Bezirk erhielten nur drei oder vier Lehrerinnen, die 
. sich im sechsten Dier-stjahr noch nicht zur zweiten Prüfung gemeldet 
Gatten, ihre Entlassung. Die Lehrer blieben ganz verschont, nicht 
Las allein, es werden Gflern etwa 23 Schulamtskandidaten neu 
Eingestellt. Derentwegen hauptsächlich baut man die Lehrerinnen ab, 
Lie zum Teil drei und vier Jahre im Dienste standen. Der Schul- 
«bbau an sich kann hier so einschneidend kaum werden, da die 
Riaffen un Durchschnitt eine hohe Schülerzahl nachzuweisen haben. 
Warum nun diese eigenartige Stellungnahme des katholischen 
Obelschulkolleg'ums den Lehrerinnen gegenüber? Sie ist wohl zurück 
zuführen aus die verschiedenartigen Schulgesetze. Das evangelische 
Schulgesetz hat seit kurzem eine Bestimmung, nach der das Zahlen- 
Verhältnis der Lehrer und Lehrerinnen in etwa geregelt ist. Dem 
katholischen Schulgesetz fehlt eine solche Bestimmung. Deswegen war 
aber die Entlassung der Lehrerinnen durchaus nicht geboten. 8 75 
unseres Schulgesetzes lautet: Den Unterricht in den Mädchenschulen 
And in den gemischten Rlaffen der vier jüngsten Jahrgänge können 
Lehrerinnen erteilen. 
Unsere Schulbehörde hat diesen Satz leider nie zu unseren 
Gunsten auslegen wollen. Sie hat uns nur ein Recht auf dre 
rernen Mädchenkiaffen eingeräumt und nur so viele Lehrerinnen fest 
angestellt, als reine Mädchsnklaffen vorhanden waren. Rn den 
gemilchten Rlofftn waren auch immer eine Unzahl Lehrerinnen be 
fchäfritzt, ober sie gelten nur als Vertreter der Lehrer, und nun 
fleht die Behörse es nicht als Rnreät an, sie zu entlassen und die 
Sckulamtskandidaten dafür einzustellen. Wir Lehrerinnen denken 
snd empfinden darüber ganz anders. Die Zahl der katholischen 
volksschulklassen betrug im letzten Jahre 373. der reinen Mädchen- 
Piaffen nur 49. Will man uns nur so viel Stellen zuerkennen, als 
Mädchenklassen eingerichtet find, dann wird für den größten Gei! 
unseres Landes der weibliche Einfluß auf die Mädchen ausgeschaltet. 
Wir haben wegen der meist ländlichen Verhältnisse nur wenig viel- 
gl'edrige Systeme. Bei der vierklaffigen Schule beginnt aus der 
Oberstufe die Trennung der Geschlechter und damit die Tätigkeit 
der Lehrerin. Rlle Bezirke mit ein«, zwei- und dreiklassigen Schulen 
sind uns auf die vauer verschlossen. Dazu werden durch den bevor 
stehenden Schnlabbau vor allem die größeren Sp'leme betroffen, es 
verschwinden reme Madchenklassen, also Lehrerinnenstellen. 
Das NeichzjugenOwohlsahrtsgesetz im) Oie Lehrerinnen. 
von Margarete Mlesges, Boppard am Rhein. 
Mit dem 1. stpril d. I. wird das Reichsjugendwohifahrtsgefetz, 
das bereits am 9. 7. 22 vom Reichstag einstimmig angenommen 
wurde, in Rcaft treten. Die breite Öffentlichkeit und auch die 
Tagesprcsse haben bis vor kurzem kaum Rori; von diesem Gesetze 
genommen, über j tzt, da seine Einführung in die Praxis vor der 
Türe steht, erkennt man allgemein, daß es ein Gesetz von höchsier 
sittlicher, sozialer und hygienisch.r Bedeutung '.st. ein Gesetz, das mit 
beitragen soll zum Wiederaufbau unseres Vaterlandes. Soll es dcch 
das kostbarste Volksgut, die Jugend, und zwar die gesamte 
Jugend, nicht etwa nur die wirtschastlich und gesellschaftlich und 
infolgedessen fitilich schwache pflegen, schützen und retten, retten vor 
Gefahren, die heute größer und zahlreicher sind denn je. Gefahren, 
deren Reime in der ganzen kulturellen und wirt chaftlichen Entwick 
lung der Vorkriegszeit liegen, die dann in dcm furchtbaren Welt 
krieg und in dec harten Nachkriegszeit mit ihren schweren Übeln 
und Noten turmhoch angewachsen sind. Der großen Hufgabe des 
Reichsjugendwohlfahrtsg- fetzes entspricht das schier undegrenz'.e Hrbeits- 
geb et, das idm von Rechts wegen übertragen wird: Pflegekinder- 
au'sicht, Becufsoormundschaft. Hufächt des Gemeindewaifenrats, Schutz- 
aufächt, Jugendgerichtshüfe. Versorgung der hilfsbedülf.igen Jugeno, 
Teilnahme an Vorbereitung und Durchführung der Fürsorgeerziehung 
u. a. Träger all dieser Hrbeitsgebicte find die Jugendämter, die 
in vielen großen Städten schon jahrelang wirken, und die vom 
!. Hpril d. I. ab in allen Städten und Rreisen mit Husnahme der 
rein ländlichen Rreise errichtet werden muffen. Letzteren kann auf 
Hntrag die Errichtung von Jugendämtern für die ersten drei Jahre 
erlassen werden unter der Voraussetzung, daß die den Jugendämtern 
zugewiesenen Hufgaben einer anderen geeigneten, noch Maßgabe des 
Gemeindeoerfaffungsrechts gebildeten Hmtsstelle der Selbstverwaltung 
übertragen werden. 
Hus dem angegebenen Kufgabenkreis erhellt die tiefe Bedeutung 
der Jugendämter. Die Jugendämter sollen allgemeine Jugendpflege, 
Wohlfahrtspflege treiben an Geist und Rorper aller Jugendlichen. 
Soll das in der rechten Weise geschehen, so mutz das Jugendamt 
eine Rorperschaft sein, deren Mitglieder einerseits von der Wichtig 
keit der Jugenderziehung durchdrungen und die anderseits befähigt 
i.nd gewillt sind, erfolgreiche Hrbeit auf dem einen oder anderen 
Gebiete der „Jugendhilfe" zu lefften. Zahlreicher als bisher werden 
die Personen sein muffen, die sich freiwillig in den Dienst der 
Jugend stellen; denn viel weniger als früher wird es dem Staate 
möglich fein, für alle diese Hufgaben gebiete bezahlte Rräfte anzu 
stellen. Huch liegt es !m innersten Wesen einzelner Teilgebiete, daß 
sie fruchtbringend häufig nur ehrenamtlich bearbeitet werden können; 
denn hier fit „heiliges Land", wo nur der feg-nsreich wirken kann, 
der mit „Christi Gesetz, Christi Glauben und Lhristi Gnade" (Pfarrer 
Homscheid. Coblenz) hineintrrtt. Bei der Fassung des Ge etzes wurde 
hierauf auch Bedacht genommen und zwar hauptsächlich dank des 
regen Interesses, das der Deutsche Rar.tasverband bei der Entwick 
lung und Entstehung des Gesetzes gezeigt hat. Der Paragraph 9 
besagt: „H!s stimmberechtigte Mitglieder des Jugendamtes find neben 
den leitenden Beamten in der Jugendwohftahrt erfahrene und be 
wahrte Männcr und Frauen aller Bevo kerungskreffe, insbesondere 
aus den im Bezirk des Jugendamtes wirkenden freren Vereinigungen 
für Jugendwohlfahrt und Jugendbewegung auf deren Vorschlag zu 
berufen. Diese Vereinigungen haben Anspruch auf zwei Fünftel der 
Zahl der nicht beamteten Mitglieder." wohlgemerkt: die bisher 
in der Jugcndhilfe arbeitenden Rolleginncn — und es sind deren 
gewiß nicht wenige — haben einen Hnspruch darauf, in ihrem 
Bezirk in das Jugendamt oder in den rein ländlichen Rreisen in 
die an Stelle des Jugendamtes gebildeten Husschüffe gewählt zu 
werden, und die Vereinigungen, in denen sie wirken: Jungfrauen- 
Kongregationen, Hgnesvereine, Fürsorgeosreine usw. haben das vor«' 
schlagsrecht in bezug auf die oben genannten zwei Fünfte! der Mit« 
gliedsr des Jugendamtes. Es ist nun Hufzabe dieser Rolleginnrn, 
ein Augenmerk auf die Zusammensetzung der Jugendämter zu haben. 
Sie dürfen im Interesse unserer Jugend sich nicht ausschließen lassen 
von dieser hochwichtigen Rorperschaft, da sie doch mit an erster Stelle 
dazu berufen und qualifiziert sind, unsere Jugend zu pflegen 
und zu schützen. Tritt man nicht von 6mts wegen an sie heran,
	        
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