Full text: Wochenschrift für katholische Lehrerinnen - 37.1924 (37)

Nr. 15 
Inhalt: F. Hornung, 3um neuen badischen Lehrplan S. 69. <E. M, 
Zum Schulansang 5. 70. L. Beier, Ls regnet S, 71. päd. Rundschau: 
Voelitz. Rbbau oder Aufbau unseres Bildungswesens S 72. Der Hauswirt- 
fchaftliche Unterricht an Berliner Volksschulen 5 72. Aus der Zeit: 
Besoldung. Abbau-Überwachungsausschuß. Amtliches: Aufnahme in die 
rnittl. u. höh. Schule. Verlegung der Osterferien. Aus unserem verein: 
Hauptversammlung. Satzungen. Kursus Boppard. Marienheim Boppard. 
Gautag Frankfurt, heim Zoppot. L.iederschlesien. Sachsen. Bezirks- 
und Zweigvereine. Merkiafel. 
Zum neuen badischen Lehrplan. 
von F. Hornung, Karlsruhe i. B. 
Km 17. und 18. Januar und am 8. März haben im Ministerium 
Besprechungen über einen neuen Lehrplanentwurf, der im Aufträge 
des Unterrichtsministeriums von Geheimrat Stöcker ausgearbeitet war, 
stattgefunden. Unsere Organisation war dabei durch ihre Landes 
vorsitzende Frl. M. Bcyerle und F. Hornung vertreten. In ihrer 
Stellungnahme kamen die wünsche und Ansichten der Vereinsmit 
glieder zum Ausdruck, welche auf die Aufforderung in der Zeitschrift 
hin oder durch ihre Arbeit in den Bezirksvereinen dem verstand 
mitgeteilt worden waren. 
Der neue Unterrichtsplan soll ein Landeslehrplan sein, der gründ- 
fätzlrch für alle badischen Volksschulen gilt. Es war deshalb Auf 
gabe der Kommission, die Iahresziele der einzelnen Unterrichtsfächer 
in den verschiedenen Schuljahren so festzusetzen, daß sie von allen 
Schulen gleichmäßig erreicht werden können, und daß die methodische 
Freiheit des Lehrenden nicht durch eine Stofiüberhäufung von vorn 
herein gelähmt oder ausgeschaltet wäre. Der neue Lehrplan ist 
«ruf den langjährigen Erfahrungen, die sich aus dem Gebrauch des 
wepgoldschen Lehrplans ergaben, aufgebaut und trägt den Be 
strebungen der neuzeitlichen Pädagogik Rechnung. Die Festlegung 
methodischer Maßnahmen im Lehrplan wurde vermieden. Der 
Gedanke der Arbeitsschule wurde vor allem in der Formulierung 
der Lehrziele dadurch ausgedrückt, daß diese auf die Selbsttätigkeit 
der Rinder in der körperlichen und geistigen Beherrschung des 
Unterrichtsstoffes hinweisen. 
Oie einzelnen Unterrichtsziele sind der Gesamtausgabe allen Unter 
richts im Dienst der allgemeinen Erziehungsaufgabe der Schule ein 
gegliedert; wie sie in Artikel 148 der Reichsverfaffung und im 8 35 
des badischen Schulgesetzes ausgesprochen ist. „Die vornehmste Auf 
gabe der Schule besteht nach der dort gegebenen Zielsetzung in der 
Förderung einer planmäßigen harmonischen Entwicklung aller Körper 
lichen und seelischen Anlagen der Rinder und in ihrer Erziehung zu 
ge unden, verständigen, religiös-sittlichen und fürs Leben brauchbaren 
Menschen." 
Die Auswahl der Bildungsstoffe soll der Faffungskraft und der 
natürlichen Bildungsentwicklung der Rinder angepaßt sein. Ebenso 
muß der Lehrgang nicht in erster Linie durch den Lehrstoff, sondern 
durch die gegebenen Verhältnisse bei den Volksschulkindern bestimmt 
werden und muß auch neben den allgemeinen natürlichen Entwick 
lungsgesetzen der Rinder die Eigenart der Geschlechter bei Rnaben 
und Mädchen berücksichtigt werden können. 
Die Forderung eines Rahmenlehrplans, wie sie vom rrziehungs- 
wiffenschaftlichen Ausschuß des badischen Lehrervereins vorgelegt war, 
wurde mit großer Mehrheit abgelehnt. 
Es hat sich in der Aussprache erwiesen, daß es unmöglich ist, 
den gesamten Unterrichtsstoff in so Knappen Definitionen wiederzu 
geben, wie es die Form eines Rahmenlehrplans verlangt, ohne daß 
dadurch die Klarheit und Zielsicherheit der Erziehungsfragen not- 
gelitten hätte. 
Der Stundenplan soll nicht hemmend für die Lehrkraft sein, daß 
dadurch eine Verbindung der einzelnen Unterrichtsfächer unter großen 
Erziehungsgedanken ausgeschloffen wäre. Für das erste Schuljahr 
ergibt sich daraus die Forderung des Gesamtunterrichtes, worin die 
eigentlich bisher schon übliche Praxis zum Ausdruck kommt, alle 
Unterrichtsstoffe, die dem Rinde geboten werden, in konzentrischer 
weise mit Vorstellungen und Lrlebniffen aus dem kindlichen Er 
fahrungskreise zu v:rbinden. 
In der Bezeichnung des Umfangs der einzelnen Unterrichtsgebiete 
trat im Verhältnis zum alten Lehrplan eine wesentliche Änderung ein. 
Das Erlernen der Druckschrift wurde ins zweite Schuljahr ver 
legt; doch kann bei besonders eigenartigen Schulverhältniffen (zwei- 
klassige Volksschule) auch im ersten Schuljahr damit begonnen werden. 
Vas achte Schuljahr war bisher in den meisten Unterrichtsfächern 
ein Repetitionsjahr; der neue Lehrplan weist ibm neue Lehrziele zu; 
dadurch entstand eine Verschiebung des Stoffes innerhalb der einzelnen 
Schuljahre nach oben, zudem einiges vom bisherigen Unterrichtsstoff 
des achten Schuljahres der Fortbildungsschule zugewiesen wurde. So 
wurde z. B. in der Sprachlehre vom vierten Schuljahr die Behand 
lung der leidenden Form ins fünfte übernommen; die Unterordnung 
(Nebensätze) aus dem sechsten ins siebente Schuljahr verlegt. 
Alle 14 Tage soll vom vierten Schuljahr ab je ein Aussatz und 
ein Diktat eingetragen werden. 
Die Schönschreibübungen können in den drei oberen Schuljahren 
durch andere Übungen aus dem Deutsch- oder Zeichenunterricht ersetzt 
werden. 
Im Rechnen wurde dadurch eine Erleichterung gegeben, daß 
das schriftliche Vervielfachen und Teilen ins vierte Sckuljahr, die 
mündliche uns schriftliche Behandlung der Geld-, IRaß- und Gewichts- 
Ordnung ins fünfte Schuljahr verlegt wurde. Das sechste Schuljahr 
umfaßt Bruchrechnen unter Ausschluß des Bruches als Vervielfacher 
und Teiler, das Zeitmaß, den Dezimalbruch; die Verwandlung eines 
gemeinen Bruches in einen Dezimalbruch und umgekehrt; Schluß 
rechnen mit geraden und ungeraden Verhältnißen; schriftliches Zwei 
satzrechnen. Das prozentrechnen in Anwendung auf Zins-, Gewinn- 
und Verlustrechnungen wurde dem siebenten Schuljahr, Rabatt- und 
Durchschnittsrechnungen zur Erweiterung des vomhundertrechnens 
dem achten Schuljahr zugeteilt. 
In der Raumlehre sollen im sechsten Schuljahr vom Körper 
ausgehend Linie. Winkel, Fläche und Umfangsberechnungen; im 
siebenten Schuljahr Flächenberechnungen und im achten Schuljahr 
einfache Körperberechnungen vorgenommen werden. 
Die anschauliche Auffaffung und Erkenntnis von Dingen' und 
Formen in ihrer Gestalt und Größe soll dabei durch Ausmeffen, 
Schützen, vergleichen, geometrisches und skizzierendes Zeichnen, durch 
Ausschneiden und Falten erreicht werden. 
Die Heimatkunde soll von der Umwelt des Rindes ausgehend, 
Schule und Haus im ersten Schuljahr, den Wohnort und seine Um 
gebung im zweiten Schuljahr und im dritten Schuljahr die Heimat-
	        
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