Full text: Wochenschrift für katholische Lehrerinnen - 37.1924 (37)

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2. Die aus der vierten oder einer höheren Volksschulklasse 
in die erste Klaffe einer höheren Schule übertretenden Kinder haben 
vor ihrem Eintritt eine Aufnahmeprüfung abzulegen. 
3. Kinder, die aus einer Privatschule aus der dritten Grund- 
jchulklasse in eine öffentliche höhere Schule übertreten wollen, haben 
ebenfalls vor ihrem übertritt eine Aufnahmeprüfung zu bestehen. 
4. Solche Kinder, die auf Grund eines ärztlichen Zeug 
nisses vom Besuche der Grundschule befreit und dem Privat 
unterricht überloffen worden sind, kommen für einen vorzeitigen 
Übergang nach Klaffe 1 der höheren Schule nicht in Betracht. 
5. Für die Kegel ist es nicht zulässig, daß bei den höheren 
Schulen im Frühjahr 1924 an einem Grt mehr als eine erste Klaffe 
derselben Schulform errichtet wird. 
6. (Es ist Vorsorge zu treffen, daß die ruhige Fortentwicklung 
der Grundschule durch die vorstehenden Ausnahmebestimmungen 
möglichst wenig unterbrochen wird. 
7. Die vorstehenden Übergangsbestimmungen gelten nur für das 
Frühjahr 1924. - 
Noch ehe diese Verfügung und ihre Ausführungsbestimmungen im 
Druck erschienen, begann schon der Kampf in der Presse, ausgegangen 
von den Elternbeiräten der höheren Schule, die sich gegen die Fest- 
fetzung des I. Januar 1915 als Altersgrenze wandten. Ls 
winde behauptet, die starre Durchführung der Altersgrenze führe zu 
härten und Unzuträglichkeiten für Schüler und Litern, und der 
Antrag gestellt, nach dem Vorgang Preußens ein möglichst weites 
Entgegenkommen gegenüber den Litern zu zeigen. Preußen, Baden 
und Mecklenburg sehen bei ihren Übergangsbestimmungen von einer 
Altersgrenze ab; Hessen hat eine Altersgrenze, allerdings mit ge 
wissen Beschränkungen; in Bayern, Thüringen und Sachsen wird der 
vierjährige Besuch der Grundschule ohne jede Ausnahme durchgeführt. 
Der württembergifche Schulausfchuß hat sich am 12. Februar noch, 
mals ausgiebig mit all dem Für und Wider beschäftigt. Die End- 
abftimmung ergab die Beibehaltung der Altersgrenze. 
Der Zweck der Übergangsbestimmungen, eine erste 
Klaffe der höheren Schule zu schaffen, ist erreicht. Wider 
Erwarten meldeten sich genügend Grundschüler in die erste Klasse der 
höheren Schulen und der Mittelschule. Die Beibehaltung der Alters 
grenze hat also praktisch keine Nachteile gebracht, sondern hat ver 
hütet, daß nicht alle begabten Schüler schon dieses Jahr 
in die höhere Schule übertraten, ein Umstand, der ebensosehr 
im Interesse der höheren wie der Grundschule liegt. 
O allerliebstes Angesicht . . . 
Line ästhetische Durchschaustunde im Anschluß an die 
„Verspottung Christi" von Heinrich Kautz. 
Vorbemerkung: vorangegangen ist eine möglichst erlebnis 
starke Darstellung auf Grundlage des Bivelwortes. Der heilige 
Text ist klar und isoliert dargeboten worden. — 
Um das Jahr 15HO lebte in Florenz der große Malermönch 
Fra Angelico. Sein frommer Pinsel belebte jede wandfläche, 
jede Nische, jede Zellenwand des Dominikanerklosters San Marco 
mit Bildern aus dem Leben Jesu. Eines Tages sollte er ein B4d 
der Verspottung Christi malen. Über wie Fra Angelico sich in das 
Geheimnis der Verspottung Christi versenkte, ward er über alle 
Maßen traurig. Soviel Bosheit, soviel schmutziger hohn, soviel 
dr-'ister, frecher Spott umgab den leidenden Heiland, daß er es 
nicht malen mochte. Sein Pinsel war viel zu zart, fein Mitleid 
mit dem armen Herrn so groß, daß er nur unter Tränen und 
Beten an feinem Bilde arbeiten konnte. Er brachte es nicht fertig, 
die Henker und Knechte so gräßlich zu malen, wie sie wohl einst 
ausgehen halten. Es gelang ihm auch nicht, das heilige Antlitz 
Christi in all dem wüsten Schmutz darzustellen. — 
-eht her. wie Fra Angelico unseres Herrn Verspottung malteH 
Nach kurzem Linfühlungsfchancn fetzt eine freie Schüler- 
aussprache ein. 
Ergebnis etwa: Jesus fitzt auf einem Thron. Seine Augen 
tragen eine Binde, feine Hände halten Spottszepter und Erdball. 
Zu feinen Füßen kniet in weher Trauer die heiligste Mutter Maria. 
Um den Heiland herum find viele sehr böse Hände. Die schlagen, 
»Siehe Sirunk 0. Seato Angelico. §. 31. Sammlung: Die Kunst 
dem Volke, Christliche Kunst, München 1910. 
stoßen, reißen, raufen und zerren an ihm. Lin spuckender Henkers. 
Kops lacht dem Heiland dreist ins Antlitz. Unten rechts sehen wir 
den hl. Dominikus sinnend da sitzen. Ihm gehen die Watte der 
Trauerliedes durch den Sinn: 
G allerschönstes Angesicht, 
wie bist du zugericht! 
O Sonne der Gerechtigkeit, 
wie ist dein Glanz ver speit! 
wo ist der Purpur deiner Wangen, 
wo der Korallenmund? 
Wo die Gestalt, die mich gefangen 
Und bis ins herze hat verwund'!? . . . 
Fra Angelicos Pinsel sträubte sich, die Spötter darzustellen in 
ihrer entsetz ichen Koheit und Verkommenheit. So legte er dem 
sinnenden Dominikus die Frage ins Antlitz: 
wer hat's getan, mein Augentrost, 
wer war doch so erbost? 
wer durfte solche Grausamkeit 
Dir antun ungescheul? . . . 
Die Spötterschar, die den Herrn so elend zurichtete, war von 
Annas und Kaiphas aus aller Heren Länder zusammengeholt worden. 
Es war der Auswurf der Menschheit, zusammengesucht aus den 
damaligen Sklavenmärkten in Ägypten und Griechenland. Es waren 
arme, halbvertierte Menschen von roher Kraft, ohne Mitleid und 
Erbarmen, ohne Zartgefühl und Güte. Gb sie wohl im Leben 
erfahren hatten, wie Liebe tut? Ob sie je bei Vater und Mutter 
durften sein? Sicher aber hatten sie nie gesehen, wie unser Herr so 
gut, so himmlisch gut war zu Armen, Kranken, Sündern und ver. 
lasienen. Annas und Kaiphas hatten sie mit Geld bestochen, damit 
sie ihr Spotthandwerk nur ja wüst und wild vollführten, und vielleicht 
— taten sie den Willen des hohen Kotes nicht —, dann wartete ihrer 
Geißel und peitsche. So waren sie armselige Werkzeuge in der 
Hand ihrer Herren. 
Das alte Trauerlied aber weiß, wer außer den heilandsfklaven 
an dem armen Heiland so argen Spott ausließ. Und so singt es 
weiter: 
Ach! weh! Ich. ich! 
Mit meinen Sünden ich! 
Ich hab' dich selber helfen binden, 
Geschlagen und gespien an — 
Aussprachethema: wir unter den Spottknechten? 
Anfänglich wählt sich die Klaffe als Gegenstand der Aussprache: 
Spott als Gotteslästerung, als Freveltat und Verbrechen, z. B. 
In St. Alban, einem alten Kirchlein Kölns, wird eine blutige 
hl. Hostie aufbewahtt. Darüber erzählt die Geschichte also: Kauhe 
Kriegsknechte spotteten einst über die Gegenwart Christi im Altars- 
fakramente. Sie verschafften sich eine hl. Hostie, trieben damit frevel- 
Haftes Spiel und durchstachen sie. Sogleich begann die hl. Hostie 
zu bluten, und die Frevler stürzten tödlich erschrocken nieder usw. 
Hauptgewicht verdienen natürlich die Beispiele aus dem Alltagsleben. 
Durch die eingestreute Frage: Ob auch wohl Kinder sich unter 
den Spöttern befanden? leitet der Lehrer über zu dem Kerngebiet 
kindlicher Verfehlungen. 
Ergebnis der Aussprache: 
Kinder spielen nut ihren Puppen, kochen auf dem Zpielherd 
und essen dann. Da geschieht es leicht, daß sie mit den Händen 
durch die Luft fuchteln und allerlei dummes Zeug daherreden, sie 
tun, als ob sie richtig beteten, es ist aber alles nur Sp el und Spott. 
Beim Beten des hl. Kreuzzeichens wird viel gespottet. Man 
ist zu faul, die Hand recht zu führen und macht so nur irgend etwas 
durch die Lust. 
Es gibt Kinder, die spielen „Aschenkreuz". „Blasiusseaen" und 
andere hl. Zeremonien. Die hl. Zeremonien gehören nicht ins 
Kinderspiel, sondern in den Gottesdienst. 
Einige haben die traurige Gewohnheit, allerlei Worte und wen- 
düngen aus der hl. Schrift als Witz oder Spaß zu gebrauchen. Das 
ist leichtsinniger, böser Spott. 
Jeder Spott wider den Nächsten trifft den Heiland, wer den 
Nächsten, ein anderes Kind, eine arme Frau usw. verlacht und
	        
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