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2. Die aus der vierten oder einer höheren Volksschulklasse
in die erste Klaffe einer höheren Schule übertretenden Kinder haben
vor ihrem Eintritt eine Aufnahmeprüfung abzulegen.
3. Kinder, die aus einer Privatschule aus der dritten Grund-
jchulklasse in eine öffentliche höhere Schule übertreten wollen, haben
ebenfalls vor ihrem übertritt eine Aufnahmeprüfung zu bestehen.
4. Solche Kinder, die auf Grund eines ärztlichen Zeug
nisses vom Besuche der Grundschule befreit und dem Privat
unterricht überloffen worden sind, kommen für einen vorzeitigen
Übergang nach Klaffe 1 der höheren Schule nicht in Betracht.
5. Für die Kegel ist es nicht zulässig, daß bei den höheren
Schulen im Frühjahr 1924 an einem Grt mehr als eine erste Klaffe
derselben Schulform errichtet wird.
6. (Es ist Vorsorge zu treffen, daß die ruhige Fortentwicklung
der Grundschule durch die vorstehenden Ausnahmebestimmungen
möglichst wenig unterbrochen wird.
7. Die vorstehenden Übergangsbestimmungen gelten nur für das
Frühjahr 1924. -
Noch ehe diese Verfügung und ihre Ausführungsbestimmungen im
Druck erschienen, begann schon der Kampf in der Presse, ausgegangen
von den Elternbeiräten der höheren Schule, die sich gegen die Fest-
fetzung des I. Januar 1915 als Altersgrenze wandten. Ls
winde behauptet, die starre Durchführung der Altersgrenze führe zu
härten und Unzuträglichkeiten für Schüler und Litern, und der
Antrag gestellt, nach dem Vorgang Preußens ein möglichst weites
Entgegenkommen gegenüber den Litern zu zeigen. Preußen, Baden
und Mecklenburg sehen bei ihren Übergangsbestimmungen von einer
Altersgrenze ab; Hessen hat eine Altersgrenze, allerdings mit ge
wissen Beschränkungen; in Bayern, Thüringen und Sachsen wird der
vierjährige Besuch der Grundschule ohne jede Ausnahme durchgeführt.
Der württembergifche Schulausfchuß hat sich am 12. Februar noch,
mals ausgiebig mit all dem Für und Wider beschäftigt. Die End-
abftimmung ergab die Beibehaltung der Altersgrenze.
Der Zweck der Übergangsbestimmungen, eine erste
Klaffe der höheren Schule zu schaffen, ist erreicht. Wider
Erwarten meldeten sich genügend Grundschüler in die erste Klasse der
höheren Schulen und der Mittelschule. Die Beibehaltung der Alters
grenze hat also praktisch keine Nachteile gebracht, sondern hat ver
hütet, daß nicht alle begabten Schüler schon dieses Jahr
in die höhere Schule übertraten, ein Umstand, der ebensosehr
im Interesse der höheren wie der Grundschule liegt.
O allerliebstes Angesicht . . .
Line ästhetische Durchschaustunde im Anschluß an die
„Verspottung Christi" von Heinrich Kautz.
Vorbemerkung: vorangegangen ist eine möglichst erlebnis
starke Darstellung auf Grundlage des Bivelwortes. Der heilige
Text ist klar und isoliert dargeboten worden. —
Um das Jahr 15HO lebte in Florenz der große Malermönch
Fra Angelico. Sein frommer Pinsel belebte jede wandfläche,
jede Nische, jede Zellenwand des Dominikanerklosters San Marco
mit Bildern aus dem Leben Jesu. Eines Tages sollte er ein B4d
der Verspottung Christi malen. Über wie Fra Angelico sich in das
Geheimnis der Verspottung Christi versenkte, ward er über alle
Maßen traurig. Soviel Bosheit, soviel schmutziger hohn, soviel
dr-'ister, frecher Spott umgab den leidenden Heiland, daß er es
nicht malen mochte. Sein Pinsel war viel zu zart, fein Mitleid
mit dem armen Herrn so groß, daß er nur unter Tränen und
Beten an feinem Bilde arbeiten konnte. Er brachte es nicht fertig,
die Henker und Knechte so gräßlich zu malen, wie sie wohl einst
ausgehen halten. Es gelang ihm auch nicht, das heilige Antlitz
Christi in all dem wüsten Schmutz darzustellen. —
-eht her. wie Fra Angelico unseres Herrn Verspottung malteH
Nach kurzem Linfühlungsfchancn fetzt eine freie Schüler-
aussprache ein.
Ergebnis etwa: Jesus fitzt auf einem Thron. Seine Augen
tragen eine Binde, feine Hände halten Spottszepter und Erdball.
Zu feinen Füßen kniet in weher Trauer die heiligste Mutter Maria.
Um den Heiland herum find viele sehr böse Hände. Die schlagen,
»Siehe Sirunk 0. Seato Angelico. §. 31. Sammlung: Die Kunst
dem Volke, Christliche Kunst, München 1910.
stoßen, reißen, raufen und zerren an ihm. Lin spuckender Henkers.
Kops lacht dem Heiland dreist ins Antlitz. Unten rechts sehen wir
den hl. Dominikus sinnend da sitzen. Ihm gehen die Watte der
Trauerliedes durch den Sinn:
G allerschönstes Angesicht,
wie bist du zugericht!
O Sonne der Gerechtigkeit,
wie ist dein Glanz ver speit!
wo ist der Purpur deiner Wangen,
wo der Korallenmund?
Wo die Gestalt, die mich gefangen
Und bis ins herze hat verwund'!? . . .
Fra Angelicos Pinsel sträubte sich, die Spötter darzustellen in
ihrer entsetz ichen Koheit und Verkommenheit. So legte er dem
sinnenden Dominikus die Frage ins Antlitz:
wer hat's getan, mein Augentrost,
wer war doch so erbost?
wer durfte solche Grausamkeit
Dir antun ungescheul? . . .
Die Spötterschar, die den Herrn so elend zurichtete, war von
Annas und Kaiphas aus aller Heren Länder zusammengeholt worden.
Es war der Auswurf der Menschheit, zusammengesucht aus den
damaligen Sklavenmärkten in Ägypten und Griechenland. Es waren
arme, halbvertierte Menschen von roher Kraft, ohne Mitleid und
Erbarmen, ohne Zartgefühl und Güte. Gb sie wohl im Leben
erfahren hatten, wie Liebe tut? Ob sie je bei Vater und Mutter
durften sein? Sicher aber hatten sie nie gesehen, wie unser Herr so
gut, so himmlisch gut war zu Armen, Kranken, Sündern und ver.
lasienen. Annas und Kaiphas hatten sie mit Geld bestochen, damit
sie ihr Spotthandwerk nur ja wüst und wild vollführten, und vielleicht
— taten sie den Willen des hohen Kotes nicht —, dann wartete ihrer
Geißel und peitsche. So waren sie armselige Werkzeuge in der
Hand ihrer Herren.
Das alte Trauerlied aber weiß, wer außer den heilandsfklaven
an dem armen Heiland so argen Spott ausließ. Und so singt es
weiter:
Ach! weh! Ich. ich!
Mit meinen Sünden ich!
Ich hab' dich selber helfen binden,
Geschlagen und gespien an —
Aussprachethema: wir unter den Spottknechten?
Anfänglich wählt sich die Klaffe als Gegenstand der Aussprache:
Spott als Gotteslästerung, als Freveltat und Verbrechen, z. B.
In St. Alban, einem alten Kirchlein Kölns, wird eine blutige
hl. Hostie aufbewahtt. Darüber erzählt die Geschichte also: Kauhe
Kriegsknechte spotteten einst über die Gegenwart Christi im Altars-
fakramente. Sie verschafften sich eine hl. Hostie, trieben damit frevel-
Haftes Spiel und durchstachen sie. Sogleich begann die hl. Hostie
zu bluten, und die Frevler stürzten tödlich erschrocken nieder usw.
Hauptgewicht verdienen natürlich die Beispiele aus dem Alltagsleben.
Durch die eingestreute Frage: Ob auch wohl Kinder sich unter
den Spöttern befanden? leitet der Lehrer über zu dem Kerngebiet
kindlicher Verfehlungen.
Ergebnis der Aussprache:
Kinder spielen nut ihren Puppen, kochen auf dem Zpielherd
und essen dann. Da geschieht es leicht, daß sie mit den Händen
durch die Luft fuchteln und allerlei dummes Zeug daherreden, sie
tun, als ob sie richtig beteten, es ist aber alles nur Sp el und Spott.
Beim Beten des hl. Kreuzzeichens wird viel gespottet. Man
ist zu faul, die Hand recht zu führen und macht so nur irgend etwas
durch die Lust.
Es gibt Kinder, die spielen „Aschenkreuz". „Blasiusseaen" und
andere hl. Zeremonien. Die hl. Zeremonien gehören nicht ins
Kinderspiel, sondern in den Gottesdienst.
Einige haben die traurige Gewohnheit, allerlei Worte und wen-
düngen aus der hl. Schrift als Witz oder Spaß zu gebrauchen. Das
ist leichtsinniger, böser Spott.
Jeder Spott wider den Nächsten trifft den Heiland, wer den
Nächsten, ein anderes Kind, eine arme Frau usw. verlacht und