Full text: Wochenschrift für katholische Lehrerinnen - 37.1924 (37)

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verspottet, der gesellt sich zu den Spöttern, die den armen Heiland 
damals so bitter quälten. . . . 
Seht. wieviel Kinder find doch bereits unter der elenden Schar 
der Spottknechte! 
G allerliebstes Angesicht, 
vergib und zürne nicht! 
(D wonnigsüßer Rosenmund. 
Verzeih mir diese Stund! 
Ich will mit lauter Liebesttänen 
Abwaschen diesen Spott 
Und mich mit höchstem Fleiß gewöhnen. 
Zu ehr'n dein Antlitz bis zum Tod! 
Palmsonntagsbräuche. 
(IDir entnehmen den nachfolgenden Abschnitt dem Werk „Im Schatten des 
Vorfkirchleins" von Alfons Maria Rathgeber mit Erlaubnis des Verlags 
Köjcl & pustet KMünchen, v. Schrift!.) 
Seit frühester Zeit suchte man die Rarwache durch besondere 
Werke der Barmherzigkeit zu heiligen. Ulan teilte in reicher Frei 
gebigkeit Almosen aus. schenkte Gefangenen die Freiheit, begnadigte 
Straffällige und übte auf alle Weise gegen andere Milde und Güte. 
Sinnige Volksanschauungen verbinden sich mit dem Ernst der 
Rarwoche. Regnet es in den Rartagen, so weint und trauert nach 
der Vorstellung des Volkes auch die Natur um den Tod des Er 
lösers. Schwört in dieser Woche ein Gottvergessener einen Meineid, 
o wächst ihm nach dem Volksglauben zum schreckhaften Wahrzeichen 
die Hand als Dornstrauch aus dem Grab. 
Die stille Woche wird eröffnet mit dem Palmsonntag. Die gegen 
wärtige palmsonntagfeier umfaßt drei Teile: die Palmweihe, die 
Palmprozession und die hl. Messe. Letztere weist keine Besonder 
heiten auf, außer daß die Leidensgeschichte nach Matthäus gelesen 
wird. 
Lin altes volksrätsel heißt: welches ist das kälteste Fest im 
ganzen Jahr? Gewöhnlich geht man auf den Leim und meint: 
Weihnachten oder Neujahr. Die richtige Antwort aber lautet: der 
Palmsonntag, denn an ihm tragen sogar die Mannsleute holz in 
die Rirche (nämlich die Palmbüsche auf langen Stangen). Nicht 
überall hat der „Palm" das gleiche Aussehen. Er wechselt seine 
Gestalt je nach der Gegend. Im großen ganzen sind zwei ver 
schiedene Formen zu unterscheiden: entweder hohe, mannigfach ver 
zierte Stangen oder kurze „Buschen" von besenartigem Aussehen. 
Schon mehrere Tage vor dem Palmsonntag geht es auf die Suche 
nach „Palmen". Da echte Palmzweige bei uns nicht zu gewinnen 
sind, begnügt sich die Jugend mit dem verschiedenartigsten Ersatz. 
Am meisten bevorzugt sind Zweige von Bäumen, die sogenannte 
Rätzchen oder Lämmer haben, wie Weide, Haselnuß, Silberpappel. 
Ost wird auch Eibendaas genommen, Wacholder, Rranawittzweige, 
Buchs usw. Während wir Schulbuben im Mittelschwäbischen unsere 
Palmen auf schlanken, hohen, buntbemalten Stangen stolz zur Rirche 
trugen, verwendet man im Allgäu und am Bodensee statt der 
Stangen 1 — 2 Meter lange, entästete Ruten, meist biegsame hasel- 
nutzstauden. Gst werden auch zur Erinnerung an die hl. Drei 
faltigkeit drei Ruten zusammengebunden oder oben drei Hölzchen in 
Rreuzform befestigt, vielerorts wird der Palmbüschel mit perlen 
artig angereihten Apfeln und mit flatternden, langen Seidenbändern 
geschmückt.. Welch prächtiger Anblick, wenn die Jugendschar mit 
ihrem Wald von farbenfrohen Palmbuschen den Altar umsteht und 
der Priester über die Zweige den Segen der Rirche spricht! 
An die geweihten Palmzweige knüpft sich allerhand Aberglaube. 
Wer ein geweihtes Palmkätzchen verschluckt, bleibt vom Fieber ver 
schont und von Halsweh bewahrt und ist vor Blitzschlag gesichert. 
Auch dem Vieh mengt man geweihte Rätzchen unters Futter. Einige 
Zweige werden in der Herrgottsecke hinters Kruzifix (oder auch 
hinter den Spiegel) gesteckt, andere in Rreuzform im Stall ange 
nagelt. Das übrige wird in der Truhe aufbewahrt. Bei drohenden 
Gewittern holt die Hausmutter ein Zweiglein hervor und verbrennt 
es im herdfeuer. Das soll vor Blitzschlag schützen. 
Alter als die erst im Mittelalter aufgekommene Palmweihe und 
reicher an schönen Gedanken ist die Palmprozession. Sie ist eine 
dramatische Darstellung des Einzuges Jesu in Jerusalem, eine be 
geisterte Huldigung der Gläubigen für den Sieg über Sünde und 
Tod. Die Prozession geht auf dar Beispiel der Rirche von Jerusalem 
zurück, wo schon vor dem Jahre 400 die Gläubigen, an ihrer 
Spitze der Bischof, unter Hymnengesang vom Glberg in die Stadt 
herabzogen, von Jerusalem aus nahm die Palmprozession ihren 
Lroberungszug durch das ganze Morgen- und Abendland. Die 
Rirche denkt sich den Heiland inmitten der jubelnden Prozession. 
Darum führte man in manchen Gegenden Deutschlands früher den 
sogenannten Palmesel mit. Ls war das ein auf Rädern laufender, 
geschnitzter Esel, auf dem der Heiland sah. Vieser war anfänglich 
ein kostümierter Ministrant oder Kleriker, später eine angekleidete 
oder angemalte Holzfigur. Beim Umzug wurden wie einst beim 
Einzug in Jerusalem Palmzweige gestreut und nach dem Esel ge 
worfen. Eine besonders feierliche Palmeselprozession war früher in 
der ehemaligen Reichsstadt Kempten. Da zogen Bürgermeister und 
Rat, alle Zünfte und Gewerbe und die ganze Gemeinde, Männer 
und Frauen, mit brennenden Wachskerzen ins fürstliche Stift hinaus, 
um von hier aus den Palmesel in die Rirche zu führen. 
Lin besonderes Fest war das Erscheinen des Palmesels natürlich 
immer für die Rinder. An einigen Orten brachten sie ihm ein 
Büschelchen Heu, und diejenigen unter ihnen, die am Palmsonntag 
ihre ersten Höschen trugen, durften sogar auf dem Esel reiten, was 
man für das Gedeihen des Rindes besonders heilsam hielt. Die 
letzte Palmeselprozession dürfte im Jahre 1802 zu Schwäbisch-Gmünd 
stattgefunden haben. In Süddeutschland gehen heute noch die Redens 
arten um. „Er kommt selten wie ein Palmesel — er ist geputzt 
wie ein Palmesel acht Tc^' vor Ostern." 
heutzutage ist die Paunprozession bedeutend eingeschränkt und 
erstreckt sich nur auf den Rirchplatz. Aber mag die Prozession auch 
an äußerem prunk verloren haben, ihre innere Schönheit, ihre 
ergreifende Symbolik ist heute noch so frisch wie einst. Die Rirche 
grüßt heute den Heiland als Todüberwinder, der nach seinem Leiden 
im Triumph eingeht in die Herrlichkeit des Vaters. Ihre Gedanken 
gleiten vom irdischen Jerusalem hinauf zum himmlischen Sion, vor 
ihrem Geiste steht das Bild der seligen Scharen, die in der Vorhölle 
schmachten und auf den Erlöser harren, und die nun am himmel- 
fahrtstag mit dem Sieger über Leiden und Tod jubelnd einziehen 
in die Herrlichkeit des ewigen Jerusalem. Diese Vorstellung findet 
herrlichen Ausdruck in der tiefsinnigen Zeremonie am Ende der Pro 
zession. wenn der jubelnde Zug wieder an der Rirchentüre ankommt, 
findet er sie verschlossen. Im Inneren der Rirche, die den Himmel 
oerstnnbildet, begrüßen einige Sänger als Engel den mit den Be 
freiten der Vorhölle herannahenden Todbesieger: 
Herrlichkeit, Lob und preis sei dir, Fürst Thristus, Erlöser! Dem 
die kindliche Schar frommes hosanna geweiht. 
Du bist Israels König und Davids erhabener Sprößling. Der in 
dem Namen des Herrn, herrlicher König, du kommst. 
Festlich besingen dich droben geschlossen die himmlischen Scharen. 
festlich der sterbende Mensch, alle Geschöpfe zumal. 
Freudig, mit Palmen geschmückt, kam einst dein Volk dir entgegen: 
Litten, Gelübde, Gesang bringen entgegen auch wir. 
Schuldiges Lob einst sangen dir jene, bevor du gelitten,- jetzt, da 
hoch du regierst, tönt dir unser Gesang. 
Diese gefallen dir wohl, so gefalle dir unsere Andacht, Mildester! 
G gütigster Herr, dem das Gute gefällt! 
Draußen vor der Rirchentüre, dem versinnbildeten Himmelstor» 
fällt die Schar der Erlösten in den Lobgesang ein. Mit dem Schaft 
des Kreuzes stößt der Subdiakon an die Türe — das Himmelstor 
springt auf. Durch sein Kreuz, durch sein siegreiches Leiden erschloß 
der Heiland den Gerechten den Himmel. Im Triumph, unter Gesang 
und Orgelspiel hält er seinen Einzug, hosanna dem Sohne Davids! 
hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn! hosanna in 
der höhe! 
Meinungsaustausch. 
Erteilung von Privatunterricht 
gegen Entgelt ist vollbesoldeten Lehrern und Lehrerinnen öffentlicher 
höherer Lehranstalten künftig grundsätzlich verboten. Könnte ein 
gleicher Beschluß nicht auch für die Lehrkräfte an Volksschulen herbei» 
geführt werden? Er läge im Interesse aller stellenlosen Kolleginnen, 
P- R.
	        
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