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Gründe mehr allgemeiner Natur erschweren
den regelmäſsigen Aufstieg der Kinder in
einer vielstufigen Schule und berauben da-
mit viele Kinder der Segnungen dieses
Schulsystems. Hierher gehört vor allen
Dingen der jährliche Lehrerwechsel, der den
didaktischen Prozeſs alljährlich unterbricht
und damit insbesondere die Schwächeren
Kinder in ihrem regelmäſsigen Fortschritt
hindert. Noch Stärker fällt in gröſzeren
und mittleren Orten die bei Neugründung
von Schulen und bei Anderung der Be-
bauung des Stadtweichbildes häufig ein-
tretende Umschulung der Kinder von einer
Lehranstalt in die andere ins Gewicht.
Diese letztere Maſsnahme drückt insbeson-
dere die grofsstädtisechen Schulen Stark
herab und ist einer der Hauptgründe für
ihre oft verhältnismäſsig nicht bedeutenden
Leistungen. Auch in dieser Beziehung
wird das VolkssSschulwesen anders behandelt,
als die höheren Lehranstalten. Aus einer
höheren und mittleren Schule wird kein
Kind um- und durchgeschult, und wenn
diese Schulen auch ebenso zahlreich vor-
handen wären und ebenso nahe beiein-
ander lägen, ais die Volksschulen, SO würde
doch niemand auf den Gedanken kommen,
gewisse Schüler von der einen Schule an
eine andere zu verweisen, noch weniger
aber ganze Bruchteile einer Schule in eine
andere überzuführen, dadurch in dieser
zweiten Schule ebenso viele Kinder zu
zwingen, dais Sie in eine dritte übergeführt
werden und So weiter durch einen ganzen
Stadtteil hindurch. Die Umschujungen Sind
eines der gröfsten Übel und eine der-
jenigen Einrichtungen, die alljährlich viele
Tausende von Kindern um eine Klassen-
Stufe zurückbringen und es verschulden,
daſs die betreffenden Kinder nicht recht-
zeitig an der Spitze der Schule anlangen.
Und diese ganze Einrichtung der Um-
Schulungen ist eine völlig unnötige. ES
wäre eine Leichtigkeit, Organisationen ins
Leben zu rufen, die es ermöglichten,
jedes Kind in der Schule zu lassen, der
es einmal überwiesen iSi, und trotzdem die
Schulen einigermaſsen gleichmäſsig zu be-
Setzen. Ich Stelle es geradezu als ein Recht
der Eltern hin, zu verlangen, daſs ihre
Kinder aus einer Schule nur aus diszipli-
nariSchen Gründen und wegen zu weiter
Schulwege entfernt werden können, im
KlasSenorganisation der Volksschule -- Klassenunterricht und Hausunterricht
letzteren Falle aber auch nur dann, wenn
die Eltern nicht die Kosten und Mühen
eines weiteren Schulweges tragen wollen
oder wenn Unregelmälsigkeiten im Schul-
besuch Sich herausstellen.
Literatur: Dörpfeld, Zwei pädagogische
Gutachten über zwei Fragen aus der Theorie
der Schuleinrichtung. Güiersloh 1878. -- Duis-
burger Freier Lehrerverein, Organisation, Lei-
tung und Aufsicht der Volksschule. Witienberg
1878. -- Jahrbuch des Vereins für wissenschaft-
liche Pädagogik. Dresden 1889. --- Päda-
gogische Zeitung. Jahrg. 1891, Nr. 46 u. 47,
Jahrg. 1905, Nr. 2 u. 18.
Berlin. 1]. Tews.
Klassenunterricht und Hausunterricht
1. Nähere Bestimmung der Aufgabe. 2.
InteresSe und Anstrengung. 3. Aufmerksam-
keit. 4. Selbsttätigkeit. 5. Auswahl und An-
ordnung des Stoffes. 6. Bearbeitung des
Stoffes. 7. Disziplin. 8. Anforderung an die
Persönlichkeit des Lehrers.
1. Nähere Bestimmung der Aufgabe.
KlasSenunterricht und HausSunterricht! Das
Sind Gebiete, um die Seit Jahrhunderten
ein mehr oder minder heiſs geführter Streit
entbrannt ist. In den letzten Jahren wird
der Kampf gegen den Klassenunterricht
wieder besonders lebhaft von Seiten der
Anhänger des Hausunterrichts geführt. Es
genüge Arthur Schulz und Berthold Otto
zu nennen. Doch da das »Handbuch« in
Seinem Artikel: » Einzelunterricht und Schul-
unterricht« *) bereits Stellung zur Wertung
beider Unterrichtsformen genommen hat,
SO kann es nicht Aufgabe dieses Artikels
Sein, abermals den Wert des Klassen- und
NHausSunterrichts abzuwägen.
Die vorliegende Arbeit hat Sich eine
mehr praktische Aufgabe gestellt. Sie geht
von der unleugbaren Tatsache aus, dafs
beide Unterrichtsformen wirklich Sind. Die
mannigfachsSten Gründe machen es begreif-
lich, dais neben dem Klassenunterricht
allerorts und zu allen Zeiten auch Stets
HausSunterricht gegeben wurde und noch
gegeben wird. Von dieser Tatsache aus-
gehend Soll nun die Praxis beider Unter-
richtsformen einer Betrachtung unterzogen
werden und zwar nur Soweit, als Sie Sich
ihrer Art nach unterscheiden. Genauer ge-
faſst lautet die hier zur Besprechung Stehende
*) Band Il, S. 365 ff.