Full text: Klassenorganisation der Volksschule - Munterkeit (5)

Lotze, Hermann 
 
 
für die Wirklichkeit des Guten gelten, 
kann, So wie er Iist, nur deshalb Sein, weil 
nur 50 Sich in ihm der unendliche Wert 
des Guten Seine Erscheinung gab.« Frei- 
lich ist dies keine Erkenntnis, Sondern Über- 
zeugung; für unsgere menschliche Vernunft 
Scheidet eine unausgefüllte Kluft die Welt 
der Gegtalten von der Welt der Werte, 
und Lotze vereinigt »mit der festesten 
Überzeugung« von dem Vorhandensein der 
Einheit, zwiSchen beiden Welten den »be- 
wuſstesten Glauben an die Unmöglichkeit 
ihrer Erkenntnis.«+ Aber 50 fest Steht inm 
diese Überzeugung, daſs Sie alle Seine Be- 
trachtungen belebt und daſs er den Zweck 
der bekannten Zusammenfassung Seiner Be- 
trachtungen im »Mikrokosmus« kurz dahin 
bestimmt: für die Überzeugung, »daſs nur 
ein Anfang der Welt den gemeingamen 
Grund ihrer Gegetze, ihrer Gestalten und 
ihrer Werte enthalte, daſs dieser Anfang 
nicht in dem an Sich BedeutungsloSen wenn 
auch Notwendigen liege, Sondern dals das 
Wertvollste zugleich das Erste und Letzte 
Sei , einen möglichst genauen Ausdruck 
und eine Begründung, Soweit von einer 
Solchen überhaupt geredet werden Könne, 
zu Suchen. 
ISt nun das Gute Ausgangs- und Ziel- 
punkt der Wirklichkeit; liegt in dem, was 
zein Soll, der Grund dessen, was iSt: So 
ergibt Sich, dals es die Ethik ist, mit 
welcher alle Spekulation zu beginnen hat. 
Neben ihr Stehen dann noch die Mieta- 
physik, welche den Gestaltungstrieb, und 
die Logik, welche die Gesetzlichkeit zu 
untersuchen hat, mit welcher der Gestaltungs- 
rieb verfährt, um die Verwirklichung des 
Guten zu erreichen. So entsteht die Drei- 
teilung des Lotzeschen Systems, an der 
uns vor allem das Betonen der Gesetzlich- 
keit, der Gesetzmäſsigkeit, mit welcher der 
Gestaltungstrieb auf Sein Ziel Sich richtet, 
aufiällt, da es Lotzes Stellung zum Reaglis- 
mus kennzeichnet, auf die oben hingewiesen 
wurde. 
Lotze ist nämlich auch Realist. Der 
damalige Stand des Idealismus, der zu 
einem inhaltlosen Begriffs- und Formelkram 
geworden war, genügte Lotze nicht; Sein 
reiches Gemüt wehrte Sich gegen leere 
Abstraktionen als Basis des Philosophierens 
und Erkennens und Sah diese vielmehr in 
dem persönlich Erlebten. Es kam hinzu, 
 
daſs er von Natur ein Scharfer Beobachter 
und klarer Denker war und durch Sein 
Studium zum Beobachten der Natur und 
ihrer ErScheinungen geführt wurde. Noch 
kam hinzu, dais gerade in den fünfziger 
Jahren die materialistiscche Strömung an die 
Offentlichkeit trat und jeden, der am gei- 
Stigen Leben der Nation teilnahm, nötigte, 
SICch mit ihren Prinzipien ausSeinander- 
zuSetzen. -- So traien perSönliche Eigen- 
tümlichkeit, persönliche Erfahrung und 
ZeitverhältnisSe zusammen, um Lotze, den 
IdealiSten von Haus aus, dahin gelangen 
zu lassen, dals er den Mechanismus oder 
die Gesgetzlichkeit des Naturverlaufes für 
das ganze Gebiet des phySisSchen Geschehens 
zulieſs. Er ging Sogar noch weiter, indem 
er der Sog. Lebenskraft das Licht ausblies 
und das leibliche Leben auf mechanistiSche 
Weise deutete. »Die übrige Natur:<, So 
Sagt er zum Schluſs der Schönen Darsteli- 
iung dieses Punktes, »liegt nicht wie ein 
fremdes formloses Chaos um das einzelne 
lebendige Geschöpf ausgebreitet, erst von 
Seiner Lebenskraft Zusammenhang, Form 
und Entwickiung erwartend. So wie der 
Brennpunkt einer Linse die wärmende Kraft 
des Lichtes verdichtet, oder das zierliche 
Bild einer Gestalt entwirft, ohne Sein eigenes 
Verdienst, Sondern die zuSammensgchielsen- 
den Strahlen Sind es, die es ihm Schenken, 
der Schauplatz SO ausgezeichneter Erschei- 
nungen zu Sein: So verdienstlos beinahe 
Sammelt der lebendige Körper die Stotte 
und Bewegungen der Umgebung zu dem 
gesSchlosSenen Bilde Seiner eigenen Gestalt. 
Wohl ist er zum Teil Selbst die Linse, 
deren brechende Kraft die Strahlen ver- 
einigt, aber auch diese wirksSame Form 
dankt er einer Überlieferung, in welche die 
Kräfte der Auſsenwelt mittätig eingriffen. 
So ist er, was er ist, als Ergebnis der Um- 
Stände, die ihn hervorbrachten.< 
Weiter allerdings ging Lotze nicht; die 
Vermischung der beiden Prinzipien für die 
beiden Gruppen des physiSchen und des 
geisStigen Geschehens machte er nicht mit. 
Wohl erkannte er an, dais die Verände- 
rungen körperlicher Elemente ein Reich 
von Bedingungen darstellen, an welchen 
Dasein und Form unsSerer inneren Zustände 
mit Notwendigkeit hängt; aber dies beweist 
ihm noch immer nicht, daſs »in jenen Ver- 
änderungen die einzige und hinreichende
	        
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