Full text: Klassenorganisation der Volksschule - Munterkeit (5)

 
ffächlich betrachtet erscheint das mania- 
kalische Kind einfach ungezogen, wild, un- 
wahr und vorlaut. Die Eitern, Erzieher 
oder Lehrer können jedoch eine Solche 
Verwechslung leicht vermeiden, wenn Sie 
die Vergangenheit des Kindes berück- 
Sichtigen. Die Manie bricht Stets unver- 
mittelt, zuweilen Sogar nach einer kurzen 
Phase krankhafter Traurigkeit aus. Der 
Kontrast des manitakalisSchen Zustandes mit 
dem vorausgegangenen normalen Zustand 
oder gar dem eben erwähnten depresSiven 
Vorstadium klärt den Lehrer, wofern er 
überhaupt weils, dals es im Kindegalter eine 
colche Krankheit gibt, leicht auf. Auch die 
Schwere Störung des Schlafes iSt ein ein- 
faches, auch für den Laien ohne weiteres 
feststellbares Zeichen, weiches erlaubt, die 
Manie von der Ungezogenheit des geszunden 
Kindes zu unterscheiden. 
5. Behandiung. Pädagogische Einwir- 
ungen Sind völlig ertolglos. Speziell Sind 
Strafen ganz verfehlt. Ist der Verdacht auf 
Manie aufgetaucht, S0 ISt das Kind im Bett 
zu belasgen und ais Schwer krank zu be- 
handeln. Sofort ist ein Sachverständiger 
Arzt zuzuziehen. Oft ist die Behandlung 
in der Familie nicht durchführbar und die 
Vverführung in eine Anstalt oder Klinik 
xeboten. 
Literatur: Emminghaus. Die pSychiSchen 
*iörungen des Kindegalters. Tübingen 18387. -- 
Sianheimer. Les troubles mentaux de l'enfance. 
aris 1899. S. 73ff. -- Ziehen. Die Geistes- 
«iankheiten des Kindegalters. Berlin 1904. 
riett 2, S. 25 ff. -- Ders.. Psychiatrie. 2. Aufl. 
„eipzig 1902. S. 320ff. 
Berin. Th. Ziehen. 
Manier 
Ss. PerSönlichkeit 
Märchenunterricht 
1. Volk und Märchen. 2. Kind und 
Märchen. 3. Haus und Märchen. 4. Schule 
und Märchen. A. Warum Märchen ? B. Aus- 
wahl und Reihenfolge. C. Unterrichtliche 
Behandlung. 
Ll Volk und Märchen. Alle Volks- 
Stämme haben auf ihrer Kindheitsstufe, die 
man auch zutreffend »Menschenfrühling:« 
Senannt hat, Märchen oder dem Märchen 
ähnliche VolksSagen erzeugt. Jene Kindheits- 
Manie -- Manier -- Märchenunterricht 
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Stufe umfaſst eine lange Entwicklungs- 
periode. Sie ist zeitlich unbestimmbar, läſst 
Sich aber psSychologisch charakterisieren 
nach dem Sie beherrschenden » Volksgeiste-«. 
Volksmärchen und Volkssage weisen in 
eine Zeit zurück, in der der Mensch nach 
Beireiung aus den Schranken und Be- 
dingungen der Naturkräfte Strebt. Da er 
aber wegen Seiner unentwickelten Intelli- 
genz den Naturmächten gegenüber ochn- 
mächtig ist, hilft er Sich kraft Seiner Phan- 
laSie über Sie hinweg. Das Gefühl der 
Abhängigkeit von den Naturgewalten läſst 
inn hinter diesen gute oder böse, aber auch 
an Kraft weit überlegene persönliche WesSen 
Suchen und finden. Er tritt damit in einen 
Prozeſs des Umdeutens von Naturerschei- 
nungen und Erlebnissen ein, durch den 
Stufenweise fortschreitend wirklichen Er- 
eignisszen ein Inhalt und ein Zusammen- 
hang gegeben wird, der dem Bedürinis des 
Gemütes entspricht. So gelangt der Mensch 
zur Mythenbildung. Die Völkerpsychologie 
kennt darin drei Entwicklungsstufen. 
A. Einfacne Belebung der Natur: Per- 
Sonifizierung der Natur mit emptindenden 
und handelnden Wesen. 
B. MythiSche Apperzeption: Inbeziehung- 
Setzung dieser Wesen mit dem Menschen 
und Seinem Denken und Handeln. 
C. Poetische Ergänzung: EinsSetzen der 
determinierenden und kombinierenden Ein- 
bildungskraft. (Delbrück, Zeitschrift für 
Völkerps. B. III.) 
Mit der letzten Stufe erreicht der Mensch 
die GeisteShöhe, wo er den Inhalt Seines 
Vorstellungs- und Gefühlslebens in der 
Form von Erzählungen ausschüttet, und 
damit fängt der Märchenquell zu Sprudeln 
an, dem unsere echten Volksmärchen ihrem 
innergten Kern nach entstammen. Diese 
Herkunft lälst auf das ursprüngliche Wesen 
der Märchen SchlielSen. 
ce) Sie traten als Niederschlag religiöSen 
Vorstellens und Fühlens auf dem Grunde 
einer naiven Naturerscheinung der Völker 
ins Leben. Mit anderen Worten: Sie waren 
ursprünglich Verdichtungen primitiver Welt- 
anSchauungen. b) Als zusammenhängende 
Erzählungen brachten Sie auch das VolkS- 
Ethos in Erscheinung. - »Erzählungen 
Setzen ein ZuSammenleben voraus, und erst 
in diesem hat Sich unabhängig von der 
Gestaltung der GotteSidee die Moral ent-
	        
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