Attitüde --“ Aufgabe der Schulen 99
Attitüde nennt man die Haltung und Stellung des Körpers
in fünſtleriſc) ſ<öner Form.
Attraction , Anziehung , iſt die Kraft, welche ſowohl die Ma-
terie im Allgemeinen als die verſchiedenen Körper im Beſonderen
veranlaßt, ſich einander zu nähern, Verbindungen einzugehen und
in denſelben zu verharren,
Aktrape nennt man einen Gegenſtand, der zu einem andern
Zwede beſtimmt iſt, als ſeine Geſtalt zeigt; 3. B. ein kleiner Regen-
ſchirm, der aufgeſpannt als Nadelbüchſe erſcheint,
Auffaſſen , Auffaſſung. Da die geiſtige Kraft ſowohl auf-
faſſend als ausübend wirkt, ſo iſt ſie in Beiden harmoniſch zu
üben, und was das Erſtere anbetrifft, ſo iſt das Auffaſſen oder
die Aufmerkſamkeit in der Sinnenthätigkeit, das Denken, das Be-
halten und das Schaffen der Jdeen, und alles dieſes zuſammen-
reifend zum möglichſten Grade der Vollkommenheit zu bringen.
In dem früheren Unterricht fällt das Auffaſſen und Darſtellen noch
meiſt zuſammen, denn der jugendliche Geiſt trennt weniger ſeine
Thätigkeiten. Der Unterricht muß daher ſo eingerichtet ſein, daß
er das Auffaſſungs- und Darſtellungsvermögen zugleich bilde.
Aufgabe der Schulen, Nie ſind wohl Wünſche und Erwar-
tungen, welche man von den Schulen hegt, nie wohl Anforderungen,
welche man hie und da an ſie ſtellt, größer und mannichfaltiger ge-
weſen, als in unſern Tagen. Sind Schulen von jeher um gewiſſe
Lebenszwe>e willen gegründet worden, von den Prophetenſchulen
der Hebräer an bis zu den Gewerbſchulen der Gegenwart, ſo ex-
wartet man gegenwärtig von ihnen nicht ſelten , und zwar beinahe
von allen Alles. Zu Ende des vorigen und zu Anfange unſeres
Jahrhunderts mutheten gutmüthige, edelgeſinnte, oft ſogar geiſtvolle
Männer den Schulen nichts weniger zu, als eine vollkommene Wie-
dergeburt oder Umgeſtaltung der Nationen, des ganzen menſchlichen
Geſchlechts zu vollziehen. Vor Allem hatte fi au< Peſtalozzi
in der freudigen Begeiſterung über ſeine ihm wie durch Offenba-
rung klar gewordenen, allerdings reformatoriſchen Grundideen, keines-
wegs frei gehalten von ſolchen ſ<wärmeriſchen Hoffnungen, und ſo-
gar Fichte hat in ſeinen geiſtvollen Reden an die deutſche Nation
jenen Jdeen und dieſen Hoffnungen gehuldigt. Man iſt von dieſem
Jrrthum , der gleihwohl nicht wenig dazu beigetragen, Muth und
Lebenshoffnung in der damaligen troſtloſen Zeit aufrecht zu erhalten
und ohne welchen nicht der zehnte Theil von dem für die Schulen
geſ<ehen wäre, was geſchehen iſt, wieder zurükgekommen, Er-
leuchtete Männer haben aber darin die große Wahrheit erkannt,
daß die Schulen es fich zur unmittelbaren höchſten Aufgabe ſeßen
ſollen, die Vervollkommnungsfähigkeit der menſchlihen Natur zu
beleben , zu kräftigen und auf die rechte Bahn zu leiten. Wäre
dieſe Hauptaufgabe aller Schulen überall und namentlich von ihnen